Ist digital immer besser? Wie Verwaltungsmitarbeitende mit unnötiger Bürokratie umgehen

Ein Beitrag von Nicolas Drathschmidt (Universität Potsdam)

Es ist kaum vorstellbar, einen Beitrag zur Verwaltungsmodernisierung ohne Bezug zur Digitalisierung zu schreiben. Schließlich ist eine moderne Verwaltung eine digitale Verwaltung, und auch Bürokratieabbau setzt auf die Potenziale von Digitalisierung. Entsprechend veröffentlicht zum Beispiel der Nationale Normenkontrollrat jährlich seinen „Monitor Digitale Verwaltung“. Schaut man sich jedoch das einst als ambitionierteste Initiative gestartete Onlinezugangsgesetz an, scheint das Thema Digitalisierung von Verwaltungsleistungen auf halbem Wege stehen geblieben zu sein. Das Problem: Nicht immer ist der Weg einfach das Ziel. All die genannten Anstrengungen sind richtig und wichtig. Wenn wir die öffentliche Verwaltung zukunftsfest machen wollen, sollten wir jedoch wissen, wo die Reise hingehen soll.

Ist digital immer besser?

Bislang scheint diese Reise einem Pfad ins Ungewisse zu folgen: Denn wir stehen nicht nur vor der Herausforderung, dass es weder innerhalb der Verwaltung noch in Politik, Wissenschaft oder Gesellschaft ein allgemeingültiges Verständnis des Begriffs Digitalisierung, geschweige denn des Weges und des Ziels von Digitalisierung und digitaler Transformation gibt. Sondern auch die Hoffnung, Digitalisierung führe grundsätzlich zu höherer Leistungsfähigkeit, mehr Effizienz und damit zu Kosteneinsparungen, ist für sich genommen keine Selbstverständlichkeit.(1) Hierfür möchte ich in diesem Beitrag Denkanstöße liefern.

Mit der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen ist in erster Linie die Hoffnung verbunden, einen Effizienzgewinn zu erzielen.(2) Daneben können weitere Faktoren wie größere Transparenz oder Standardisierung gewünschte Effekte sein. Aber ist ein digitalisierter Prozess per se effizienter und damit kostengünstiger? Sprich, ist digital immer besser?

Ein bereits geflügeltes Wort der Digitalisierung von Prozessen spricht in diesem Zusammenhang von einem nicht so guten Prozess, der – digitalisiert – eben ein nicht so guter digitaler Prozess sei. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass sich die Funktionalität und der Erfüllungsaufwand eines Prozesses durch die Umstellung des Mediums eben doch verändern – entweder zum Positiven oder zum Negativen. Bei Letzterem sprechen Forschende beispielsweise von digital sclerosis (3), der verminderten Flexibilität durch digitale Prozesse.

Vor diesem Hintergrund widmet sich dieser Beitrag den Ergebnissen einer Befragung in sechs Kommunalverwaltungen, die die Wirkung verschiedener Formen von unnötiger Bürokratie auf Mitarbeitende der Verwaltung untersucht hat.(4) Anders als im angedeuteten Zitat behauptet, wird ein schlechter Prozess selbstverständlich nicht einfach nur digitalisiert. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass wir uns im Digitalen proaktiver Lösungswege berauben und Mitarbeitende demnach weniger aktiv versuchen, das vorliegende Problem zu bewältigen. Das heißt, um einer digital sclerosis nachhaltig vorzubeugen, muss Bürokratieabbau präventiv in Verwaltungsorganisationen vorangetrieben werden. Verwaltungsführungen und Amtsleitungen sind angehalten, nicht einfach dem Gesetzgeber oder den Aufsichtsbehörden den Schwarzen Peter zuzuschieben und Bürokratieabbau einzig bei einer zu großen Anzahl an gesetzlichen Vorschriften zu suchen. Es ist an der Zeit, sich an die eigene Nase zu fassen und Prozessoptimierungen auf allen Ebenen zu intensivieren und die Digitalisierung der Verwaltung dafür zu nutzen, Prozesse und Regeln effizienter zu gestalten.


1 Vgl. Robin Bauwens, Kenn Meyfroodt: Debate: Towards a more comprehensive understanding of ritualized bureaucracy in digitalized public organizations, in: Public Money & Management 41/4 (2021), S. 281–282.
2 Vgl. Alon Peled: Do Computers Cut Red Tape?, in: The American Review of Public Administration 31/4 (2001), S. 414–435.
3 Kim N. Andersen, Jungwoo Lee, Helle Z. Henriksen: Digital Sclerosis? Wind of Change for Government and the Employees, in: Digital Government: Research and Practice 1/1 (2020), S. 1–14.
4 Vgl. Nicolas Drathschmidt: Umgang von Verwaltungsmitarbeitenden mit Red Tape (Masterarbeit, Universität Potsdam), Wiesbaden 2022 (BestMasters).


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