Stärkung des Wirt­schafts­stand­orts Deutsch­land durch Büro­kra­tie­abbau

Ein Beitrag von Benjamin Baykal (Deutsche Industrie- und Handelskammer, Berlin)

Ein Wirtschaftsstandort lässt sich anhand vieler Faktoren charakterisieren. Neben der Energieversorgung gewinnt der Faktor „Bürokratie“ immer höhere Relevanz. Die aktuellen Krisen zeigen, wie stark bürokratische Verfahren die Anpassungsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland beeinflussen, sei es bei der Ausgestaltung von Hilfsmaßnahmen, bei der Brennstoffumstellung, beim Bau von Flüssiggas-Terminals (LNG-Terminals) oder beim Ausbau von Photovoltaik-Anlagen. „Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, um dieses Thema anzupacken“, kommentierte Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), die Veröffentlichung eines DIHK-Papiers zum Thema Bürokratieabbau.(1) Der Vorteil eines wirksamen Bürokratieabbaus sei schließlich, dass dadurch Verwaltung und Wirtschaft ohne finanziellen Aufwand entlastet würden. Der Bürokratieabbau komme im Grunde einem kostenfreien Konjunkturpaket nahe.

Empirie zeigt: Bürokratische Belastung der Wirtschaft steigt

Das Institut für Demoskopie Allensbach hat 2022 im Auftrag des Gemeinschaftsausschusses der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft(2) die Unternehmensumfrage „Moderner Staat? Die Öffentliche Verwaltung im Urteil der Wirtschaft“ durchgeführt.(3) Nur jedes zweite befragte Unternehmen ist dem­nach mit der öffentlichen Verwaltung zufrieden. Kritik wurde vor allem bezüglich „der Geschwindigkeit der Verwaltungsprozesse“ und „der Flexibilität“ der Behörden geäußert.(4) Diese Defizite wurden im vorangegangenen Jahr besonders im Rahmen von Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich. Ein Beispiel war die Brennstoffumstellung. Im Durchschnitt bescheinigten die Behörden rund elf Monate nach dem ersten Kontakt mit dem Unternehmen die Vollständigkeit der Antragsunterlagen. Das Problem: Da die offizielle Genehmigungsfrist erst nach der Vollständigkeitserklärung beginnt, dauert der gesamte Prozess in der Regel sehr lange. Gleichzeitig ist auch der Aufwand hoch, der durch den Austausch mit der öffentlichen Verwaltung entsteht.

Große Hoffnung auf einen Abbau von Bürokratie wurde im Jahr 2015 geweckt, als der Bundestag die als Bürokratiebremse konzipierte „One-in-one-out“-Regelung beschloss. Seitdem ist allerdings der bürokratische Aufwand für knapp zwei Drittel aller Unternehmen gestiegen. Eine Tendenz zu steigendem Erfüllungsaufwand und höheren Bürokratiekosten bestätigt auch der Nationale Normenkontrollrat (NKR) in seinem jüngsten Jahresbericht.(5) Überproportional belastet sind die kleinen, mittelständisch geprägten Betriebe, weil dort die Bürokratie häufig durch die Inhaberinnen und Inhaber selbst erledigt werden muss. Das bindet Ressourcen, die für die eigentliche Geschäftstätigkeit fehlen. Für das Gastgewerbe etwa hat die DIHK in einer Studie herausgearbeitet, dass ein typisches Unternehmen der Branche 14 Stunden pro Woche allein für die Erfüllung bürokratischer Tätigkeiten aufwenden muss. Dies entspricht rund 2,5 Prozent des Umsatzes.(6)

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1 Deutsche Industrie- und Handelskammer (Hg.): Unternehmen durch Bürokratieabbau entlasten. DIHK-Einordnung und -Lösungsvorschläge, 2022.
2 Dem Gemeinschaftsausschuss der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft gehören neben derm DIHK 15 Wirtschaftsverbände und zwei Gäste an.
3 Institut für Demoskopie Allensbach (Hg.): Moderner Staat? Wie Unternehmen die Infrastruktur und die öffentliche Verwaltung in Deutschland beurteilen, 2022. Befragt wurden 544 Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen mit mindestens zehn Beschäftigten oder zwei Millionen Euro Jahresumsatz.
4 Vgl. ebd., S. 13.
5 Nationaler Normenkontrollrat (Hg.): Jahresbericht 2022. Bürokratieabbau in der Zeitenwende. Bürger, Wirtschaft und Verwaltung jetzt entlasten, 2022.
6 DIHK (Hg.): Bürokratiebelastung für Unternehmen senken. Eine Studie am Beispiel des Gastgewerbes, 2020.

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