Bestehende Bausteine verzahnen

Doch um das „Deutschland-Tempo“ im Bereich der raumbezogenen Genehmigungsverfahren möglichst schnell und möglichst bundesweit zu erreichen, braucht es noch deutlich mehr als besseres Verzahnen bzw. Zusammenführen bereits bestehender technischer Lösungsbausteine. Die größten Potenziale neuer digitaler Technologien entstehen bekanntlich immer dann, wenn es gelingt, auf der Basis einer neuen intelligenten Analyse und Vernetzung von digitalen Daten neue institutionelle Arrangements zu etablieren. Das ist der Kern der Digitalen Transformation – im Gegensatz zum bloßen „Elektri­fizieren“ bestehender Abläufe in bestehenden Strukturen. Aber auch hier gibt es bereits einige vielversprechende Ansätze. So verfolgt aktuell z. B. der interkommunale IT-Verbund Schleswig-Holstein (ITvSH) eine Idee zur Gründung eines interkommunalen Kompetenzzentrums Digitales Planen und Bauen, welches bereits auf der Annahme landesweit kooperativ genutzter IT-Anwendungen (u. a. OZG/EfA-Lösungen) sowie auf Erfahrungen des Normenkontrollrats Baden-Württemberg im Bereich einer stärker projektorientierten Verfahrenssteuerung aufsetzt. Durch das interkommunale Kompetenzzentrum soll u. a., auf Basis einer temporären interdisziplinären Zusammenarbeit von Expert:innen, erreicht werden, dass praktisch überall im Bundesland anspruchsvollste Genehmigungsverfahren in kürzester Zeit umgesetzt sowie mögliche dezentrale Lastspitzen abgefedert werden können.

Neue Standards und Technologien stärker berücksichtigen


Ein zentraler Erfolgsfaktor für die bereits im Rollout befindlichen OZG-Lösungen bildet (neben einem möglichst hochwertigen, die Einführung begleitenden digitalen Schulungs- bzw. Weiterbildungsangebot) auch die technische Weiterentwicklung sämtlicher IT-Lösungen im engeren Sinne. Dabei geht es neben der Anbindung zentraler Architekturkomponenten wie dem bundeseinheitlichen Unternehmenskonto bzw. Sicherer Digitaler Identitäten (z. B. Digitaler Architekt:innnenausweis) auch um eine höhere Automatisierung von Prozessen (7), beispielsweise durch den Einsatz einer neuen Generation von Künstlicher Intelligenz/Chatbots (z. B. digitale Bauberatung über die Behördenrufnummer 115) sowie und insbesondere um eine noch stärkere Berücksichtigung aktueller Entwicklungen im Bereich neuer datenzentrierter Standards und Technologien wie Building Information Modeling (BIM) bzw. kooperativen Dateninfrastrukturen (Urbane Datenplattformen, Digitale Zwillinge, Gaia-X etc.).

Gerade BIM wird in Zukunft eine herausragende Bedeutung in Bezug auf die Digitalisierung und Beschleunigung raumbezogener Genehmigungsverfahren zukommen. Denn mit Blick auf den deutlich höheren Informationsgehalt eines mehrdimensionalen BIM-Modells (3D + Material + zeitliche Abläufe + ggf. Kosten etc.) dürfte die Entwicklung und Etablierung eines zukünftigen BIM-basierten Bauantrags vermutlich das anschaulichste Beispiel für den enormen Nutzen des schrittweisen Zusammendenkens von Digitaler Verwaltung / E-Government und Smart City / Smart Region liefern. BIM-Modelle lassen sich auf der Basis entsprechender Plattformen nicht nur automatisiert prüfen, sondern mit den Daten aus BIM-basierten Genehmigungsprozessen lassen sich schrittweise kooperative Dateninfrastrukturen, z. B. in Form von Digitale Zwillingen aufbauen, auf deren Grundlage sich z. B. kommunale und regionale Baustellenverkehre und/oder Stoffströme berechnen bzw. optimieren lassen. Die dafür notwendigen leistungs- und echtzeitfähigen Dateninfrastrukturen entstehen aktuell vor allen in den vom Bund geförderten Modellprojekten Smart Cities (8). Solche plattformbasierten IT-Infrastrukturen bilden wiederum die Basis für die Entwicklung und Etablierung gänzlicher neuer datenzentrierter Prozess- bzw. Wertschöpfungsketten – und zwar nicht nur auf kommunaler / regionaler Ebene.

Potenziale plattformbasierter Lösungen identifizieren

Die erfolgreiche Umsetzung der pandemiebedingten Überbrückungshilfen für die Wirtschaft zeigt, welchen Beitrag neue institutionelle Arrangements leisten können. Über die initial innerhalb weniger Wochen aufgebaute Plattform wurde schrittweise ein Leistungsverbund von 5.600 Mitarbeiter:innen aus 21 Behörden in 16 Bundesländern und dem Bund gebildet, der 2,4 Mio. Anträge mit einem Gesamtvolumen von 54 Mrd. Euro abgewickelt hat. Dies zeigt das enorme Potenzial plattformbasierter Lösungen und neuer Formen der interinstitutionellen Zusammenarbeit im öffentlichen Sektor. Es wäre ein bedeutender Schritt in Richtung „Deutschland-Tempo“, wenn es gelänge, auch im Bereich der raumbezogenen Genehmigungsverfahren in solchen Dimensionen neuartiger Formen und Prozesse der föderalen Zusammenarbeit zu denken. Eine auch von der AWV unterstützte Kurzstudie des Nationalen E-Government-Zentrums (NEGZ) unter Federführung des Bauhaus-Universität Weimar soll dabei helfen, diese Potenziale plattformbasierter Lösungen im Bereich Planen und Bauen zu konkretisieren, um auf dieser Basis noch mehr Akteure für die aktive Gestaltung der digitalen Transformation im öffentlichen Sektor zu gewinnen.


7 Vgl. David Roth-Isigkeit: Automatisierung im Baugenehmigungsverfahren, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 17 (2022), S. 1253.
8 Vgl. Internetseite des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen: https://www.smart-city-dialog.de.

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