Inwiefern kann durch die Kombination vormals unverbundener Datensätze eine effizientere Stadtplanung gefördert werden?

Die moderne, integrierte Stadtentwicklung betrachtet urbane Bereiche als gekoppelt und benötigt Zugriff auf den gesamten Datenbestand. Man kann sich so etwas wie eine infrastrukturelle Sektorenkopplung auf der Datenebene vorstellen. Der urbane Datenraum nutzt die Daten aller vorhandenen Infrastrukturen (Energie, Mobilität, Wasser, usw.) und kombiniert sie so miteinander, dass die Kommune im Hinblick auf die Umwelt, die Lebensqualität sowie volkswirtschaftlich jederzeit optimale Maßnahmen zur Effizienzsteigerung ergreifen kann. Der integrierte Zugriff und die systematische, analytische Verwertung der Daten des urbanen Datenraumes erlaubt Simulationen, Visualisierungen ­(3D-Modelle, Mixed Reality, usw.) und Prognosen. Diese zeigt man über entsprechende Tools und Dashboards in den „Smart Municipal Cockpits“ an. Hier laufen die Ergebnisse der Datenanalysen zusammen und zeigen Gesamtsichten oder Einzelansichten auf die Stadtentwicklungsaspekte wie zum Beispiel auf Wirkungszusammenhänge von Mobilitätsflüssen, Bebauungszustände, Wetterereignisse und Luftqualität. Das alles nahezu in Echtzeit.

Es gibt viele Beispiele, wo solche bereichsübergreifenden Analysen und Planungen zu gesteigerter ­Effizienz, Optimierung, Klimaschutz und Vermeidung von Katastrophen führen könnten. Beispiel Wasserwirtschaft: Flächen für Starkregenereignisse könnten so geplant werden, dass Regenwasser versickern kann und Grünflächen gleichzeitig als Naherholungsgebiet und als Teil der Regenwasserinfrastruktur und des urbanen Klimafaktors genutzt werden können. Die Wasserwirtschaft könnte in Erwartung lokaler Starkregenereignisse vorab darüber informiert werden, mit welcher Menge und welcher Art von Schadstoffen sie an welchem Ort zu rechnen hat.

Welche Voraussetzungen müssen Kommunen mitbringen, um datenbasierte Geschäftsmodelle einführen zu können?

Eine der wichtigsten Vorrausetzungen ist: Kommunen müssen zunächst ihren urbanen Datenraum identifizieren und eine eigene technische IT-Dateninfrastruktur aufbauen, die Datendienste ermöglicht und kommunale Datensouveränität gewährleistet. Zudem muss die rechtliche Lage geklärt sein. Datenraum identifizieren heißt, Kommunen müssen einen Überblick über ihren urbanen Datenbestand haben und wissen, wo es in der Kommune technische Systeme gibt, die Datenbestände beinhalten, welcher Art und von welchem Format diese Daten sind, welchen Zugriffsrechten sie unterliegen usw. Dies gelingt organisatorisch über die Einrichtung einer zentralen Stelle, die neben der Stelle für einen Datenschutzbeauftragten bestehen sollte. Manche Kommunen wie zum Beispiel Dortmund haben bereits damit begonnen. Eine weitere Aufgabe dieser Digitalisierungsstelle wäre auch, die kommunalen Akteure an einen Tisch zu bringen, damit sie sich in Round-Tables über erforderliche datenbezogene Szenarien, Anwendungsfälle und auch Geschäftsmodelle austauschen.

Grundsätzlich müsste eine neue kommunale IT-Infrastruktur die Integration vorhandener Altsysteme und Datenbanken berücksichtigen, da nicht alles neu geschaffen werden kann und soll. Bestehende Systeme sollten nur über sogenannten „interoperable Schnittstellen“ auslesbar gestaltet und in dem neuen IT-Infrastrukturkonzept richtig platziert werden. Für den Aufbau der kommunalen ­IT-Infrastruktur empfiehlt Fraunhofer Kommunen, entsprechend einer öffentlich verfügbaren, vom DIN standardisierten, IT-Architektur Blaupause vorzugehen. Dabei handelt es sich um eine Referenzarchitektur für „offene, urbane Plattformen“ ­(DIN  SPEC 91357). „Offen“ bedeutet hier nicht, dass alle Daten in der Kommune ohne Beschränkung verfügbar sein sollen. Gemeint ist, dass die IT-Infrastruktur bezüglich ihrer technischen Konzeption „offen“ ist, also einsehbar, skalierbar und modular – modular in dem Sinne, dass die IT-Infrastruktur aus kleinen, austauschbaren Modulen besteht, die nach dem System, das die Blaupause vorgibt, angeordnet sind. Die Schnittstellen zwischen den Modulen sind standardisiert und interoperabel, sodass Daten fließen können. Eine solche ­IT-Infrastruktur erlaubt außerdem den Einsatz von Open Source-Modulen. Mit ihnen werden Entwicklung und Betrieb für die Kommune nachhaltig und kostengünstig. Es ist nicht erforderlich, dass jede Kommune jede technische Komponente selber entwickelt, sondern Komponenten sollten untereinander ausgetauscht werden.

Grundsätzlich sollten Kommunen darauf achten, bei der Entwicklung der IT-Infrastruktur ihre Unabhängigkeit von kommerziellen Unternehmen zu bewahren und Verträge mit Firmen, in denen Daten eine Rolle spielen, genau zu begutachten. Es sollte gewährleistet bleiben, dass Kommunen langfristig auf ihre eigenen Daten zugreifen können, das heißt, dass sie die Daten für ihre kommunalen Dienste später nicht käuflich (zurück-)erwerben müssen und Kommunen selbst über weitere Erweiterungen oder Änderungen an der IT-Infrastruktur entscheiden (Stichwort: vendor-lock-in vermeiden). So behalten Kommunen Datensouveränität über ihren urbanen Datenraum.

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