Der elektronische Entgeltnachweis

Nicht unerwähnt bleiben darf in der weiteren Entwicklung das Verfahren zum elektronischen Entgeltnachweis (ELENA), da hier erstmals ein übergreifendes Konzept zur Integration und elektronischen Übermittlung von Daten für verschiedene Bescheinigungspflichten vorgesehen war, welches mit dem ELENA-Verfahrensgesetz 2009 eine gesetzliche Grundlage erhielt. Seinen Anfang nahm das Vorhaben bereits im Jahr 2002, nachdem die sogenannte "Hartz-Kommission" vorschlug, für den Abruf der Daten der praxisrelevanten Arbeitsbescheinigung zur Berechnung des Arbeitslosengeldes nach § 312 SGB III eine Versicherungskarte als Signatur- oder Schlüsselkarte zu entwickeln. Mit Einverständnis des Arbeitnehmers sollte der Arbeitgeber die Arbeitsbescheinigung in verschlüsselter Form bei einem Dritten hinterlegen, damit im Leistungsfall der Antragsteller (Arbeitnehmer) mittels elektronischer Signatur die Arbeitsverwaltung zum Abruf dieser Daten ermächtigen kann. In dem anschließenden mehrstufigen Projekt "Job Card" (2002 – 2006) konnte die technische und organisatorische Machbarkeit nachgewiesen werden. Die AWV war durch das parallellaufende eigene Projekt "Überprüfung der gesetzlichen Grundlagen für Verdienstbescheinigungen und Schaffung einer multifunktionalen Verdienstbescheinigung" unterstützend tätig. Zum 01.01.2010 meldeten Arbeitgeber den multifunktionalen Datensatz – für damals sieben Bescheinigungen – monatlich und für jeden Arbeitnehmer an die bei der Rentenversicherung eingerichtete Zentrale Speicherstelle. Zum erstmaligen Abruf der Daten durch die Behörden, der für den 01.01.2012 vorgesehen war, kam es nicht mehr, weil das komplette Verfahren im Dezember 2011 per Gesetz gekippt wurde. Begründung war, dass sich die aus Datenschutzgründen erforderlichen Signaturkarten nicht schnell genug verbreitet hätten. Auch war die technische Infrastruktur auf Seiten der abrufenden Stellen (zum Beispiel Wohngeldämter und Zahlstellen für Elterngeld) nicht flächendeckend vorhanden.

Optimiertes Meldeverfahren in der sozialen Sicherung

Nach dem Scheitern des ELENA-Verfahrens schien ein verfahrensübergreifender digitaler Verdienstnachweis weiter entfernt zu sein als je zuvor. Die übergreifenden Abstimmungsgespräche wurden vermisst. Die mit ELENA gewonnenen Erfahrungen flossen allerdings in das 2011 gestartete Projekt "Optimiertes Meldeverfahren in der sozialen Sicherung" (OMS) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) ein. Insbesondere die angestrebte Datenübermittlung an die Arbeitsverwaltung wurde in diesem Rahmen mit der Umsetzung des zum 01.01.2014 gestarteten optionalen Verfahrens "Bescheinigungen elektronisch annehmen" (BEA) der Bundesagentur für Arbeit realisiert, welches zum 01.01.2023 obligatorisch werden wird. Als positiv an OMS ist auch die Datenbankanwendung "Data Dictionary" anzusehen, welche der Erfassung, Dokumentation und Auswertung von Datenfeldern, Datensätzen und Datenbausteinen dient und eine gesetzliche Grundlage in § 95 Abs. 2 SGB IV gefunden hat.

Entgeltbescheinigungs­verordnung

Mit der am 01.07.2013 in Kraft getretenen Ent­gelt­be­schei­nigungs­ver­ord­nung (EBV) des BMAS erhielten Re­ge­lungen eine Grundlage, auf die zuvor schon – in Form der früheren Entgeltbescheinigungsrichtlinie – in der Kommentierung zum ELENA-Datensatz, für die sich die AWV redaktionell verantwortlich zeichnete, verwiesen wurde. Dem Erlass der Verordnung vorangegangen war eine ab 2008 geltende Ergänzung des oben erwähnten § 108 GewO um einen neuen Absatz 3, mit dem das BMAS ermächtigt wurde, das Nähere zum Inhalt und Verfahren einer Entgeltbescheinigung, die zu Zwecken nach dem Sozialgesetzbuch verwendet werden kann, durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Die auf dieser Grundlage erlassene EBV verfolgt das Ziel, eine normierte Entgeltbescheinigung zu erreichen, um sicherzustellen, dass den Sozialleistungsträgern bundesweit einheitliche Angaben aus der Bescheinigung zur Verfügung stehen. Dabei zwingt die EBV zu Transparenz: Es sind sämtliche Be- und Abzüge und deren Auswirkungen auf das definierte Gesamtbruttoentgelt, den steuerpflichtigen Arbeitslohn und das Sozialversicherungsbruttoentgelt darzustellen. Ferner wird die Ermittlung des Nettoentgelts durch Subtraktion der definierten gesetzlichen Abzüge vom Gesamtbruttoentgelt beschrieben. Mit dieser Vorgabe war die Hoffnung verbunden, dass der Arbeitnehmer durch seine monatlichen Entgeltbescheinigungen selbst in der Lage ist, seinen Verdienst im Bedarfsfall nachzuweisen, ohne dass sich der Arbeitgeber mit der Erstellung einer individuellen und ggf. komplizierten Bescheinigung befassen muss. Für den Bereich des Elterngeldes wurde dieses Vorgehen durch entsprechende gesetzliche Regelungen mustergültig normiert. In der behördlichen Praxis dauerte es allerdings auch hier eine gewisse Zeit, bis die unterschiedlichen Vordrucke der Behörden verschwanden. Inzwischen ist die monatliche Entgeltbescheinigung als Grundlage der Berechnung aber der Standard. In anderen Bereichen ist dies nur ansatzweise gelungen (bspw. durch entsprechende Vorgaben in der Wohngeldverwaltungsverordnung), in anderen gar nicht (bspw. im Falle der Einkommensbescheinigungen im Bereich des SGB II, hier erschwert insbesondere das sog. Zuflussprinzip die Nutzung der EBV-konformen Bescheinigungen).

Bescheinigungen elektronisch anfordern und "Einfach Leistungen für Eltern"

In zahlreichen Gesprächen mit Vertretern der Deutschen Rentenversicherung (DRV) wurde der Ersatz von spezifischen Bescheinigungen der Rentenversicherungsträger durch EBV-konforme Entgeltbescheinigungen erörtert. Um von papiergebundenen Nachweisen wegzukommen, hat die AWV schließlich gemeinsam mit der DRV, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Arbeitsgemeinschaft der Personalabrechnungssoftwarehersteller im sogenannten rvBEA-Verfahren ("elektronische Anforderung und Annahme von Bescheinigungen nach § 108 Absatz 2 Satz 3 SGB IV") einen (Verdienst-)Datensatz entwickelt, der ausschließlich standardisierte Werte nach der Entgeltbescheinigungsverordnung enthält. Ein erstes nutzbares Verfahren der DRV betrifft die Befreiung von der Zuzahlung beim Erhalt von Rehabilitationsmaßnahmen. Hierzu werden bereits abgerechnete Entgeltwerte elektronisch von der DRV angefordert und vom Arbeitgeber elektronisch zurückgemeldet, die bisherige Papierbescheinigung entfällt. Ausgehend von den Aktivitäten des Arbeitskreises 2.5 "Digitale Transformation im Personalwesen" entwickelten sich zudem seit 2018 gute Gespräche und Übereinkünfte zwischen der DRV und dem Projekt ELFE ("Einfach Leistungen für Eltern"). Durch eine inzwischen erfolgte gesetzliche Regelung soll der rvBVEA-Datensatz ab dem 01.01.2022 auch für den Verdienstnachweis zur Elterngeldberechnung genutzt werden. Die AWV unterstützt diese Ansätze und setzt sich für die Ausweitung des Verfahrens auf weitere Bescheinigungspflichten ein.

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