95 Jahre AWV: Von klassischer Automatisierung hin zu Künstlicher Intelligenz

Haben Sie schon einmal mit einer Maschine telefoniert, ohne es zu wissen? Im Jahre 2018 demons­trierte Google im Rahmen der Entwicklerkonferenz „Google I/O“, dass die vom Unternehmen entwickelte Telefon-KI „Duplex“ in einem Friseursalon anrufen und einen Termin vereinbaren kann, ohne dass die Mitarbeiterin am Telefon bemerkt, dass sie mit einer Maschine spricht.

Gestützt durch diverse Hard- und Softwareangebote bahnt sich Künstliche Intelligenz (KI) seit einigen Jahren immer weiter einen Weg in unseren Alltag. Sie ist sowohl aus dem beruflichen als auch dem privaten Leben kaum mehr wegzudenken. Die Erfahrungen damit sind recht unterschiedlich. Für einige ist KI nach wie vor eine große Unbekannte und mit vielen offenen Fragen verbunden. Eine kleine Gruppe bezeichnet das Fachgebiet dagegen als ihr tägliches Brot und begreift es längst nicht mehr als ab­strakte Idee. Die allermeisten von uns jedoch bewegen sich in der Mitte zwischen beiden Extremen. Doch wie weit reicht die Idee der Künstlichen Intelligenz tatsächlich in die Vergangenheit?

Können Roboter denken?
Der englische Wissenschaftler Alan Turing bewies bereits 1936 mit dem sogenannten Turing-Test, dass eine Rechenmaschine in der Lage ist, kognitive Prozesse auszuführen. Die Bedingung hierfür war, dass sich die Prozesse in definierten Einzelschritten und durch einen Algorithmus abbilden lassen. Damit legte Turing die ersten Grundsteine für die Informatik und die Entwicklung der Fachdisziplin der Künstlichen Intelligenz.

Die Bezeichnung „Künstliche Intelligenz“ kam schließlich im Jahre 1956 während einer Konferenz von Computerwissenschaftlern am Dartmouth College in New Hampshire auf. Sie vertraten die Meinung, dass Lernaspekte sowie andere Merkmale menschlicher Intelligenz von Maschinen nachgeahmt werden können. Doch nicht nur in den USA wurde das neue Forschungsfeld der Künstlichen Intelligenz untersucht. Zeitgleich, am damaligen Standort in der Feldbergstraße in Frankfurt am Main, befasste sich etwa auch die AWV mit der Frage, ob Roboter in der Lage sind zu denken.

Der „Ausschuss für wirtschaftliche Verwaltung“, wie der vollständige Name der AWV seinerzeit lautete, fokussierte sich auf Verwaltungen der öffentlichen Hand und der gewerblichen Wirtschaft. Bereits in einem Beitrag in den „AWV-Mitteilungen“ aus dem Januar 1956, der unter der Überschrift „Können Roboter denken?“ zu lesen war, beschrieb die AWV die zunehmende Automatisierung als einen bedeutenden Veränderungsprozess. Die Automatisierung werde, so heißt es dort, die gleiche Dimension erlangen, wie etwa die Einführung der Maschinen im Bereich der Fertigung zu Beginn des industriellen Zeitalters. Diese Umwälzungen würden neben technischen und organisatorischen Herausforderungen auch neue gesellschaftliche und soziale Fragen aufwerfen. Die bevorstehenden Änderungen wurden als „revolutionär“ erkannt, doch zugleich lotete man die Grenze zwischen Mensch und Maschine aus. Zwar würde die Maschine den Menschen im Hinblick auf Fehleranfälligkeit, Arbeitstempo und Krankheitstage übertrumpfen, doch sei sie – und das sei entscheidend – zum selbstständigen, schöpferischen Denken nicht in der Lage.

Automatisierung in der Verwaltung
Schon Mitte der 1950er-Jahre zeichnete sich für die AWV ab, dass man sich mit diesem Thema würde auseinandersetzen müssen. Die Potenziale einer maschinellen Unterstützung im Bereich der Verwaltungspraxis veranlassten die AWV, einen Fachausschuss ins Leben zu rufen, der sich mit der Anwendung und Auswirkung von Automatisierung im Verwaltungssektor befassen sollte. Der Fachausschuss „Automatisierung in der Verwaltung“ tagte ab 1956. Themenschwerpunkte waren insbesondere die Möglichkeiten und Grenzen der Automatisierung auf dem Gesamtgebiet der Verwaltungsorganisation der gewerblichen Wirtschaft sowie der öffentlichen Hand. Bereits im Rahmen der zweiten Sitzung des Fachausschusses im Jahr 1956 zeigte sich, dass der Einsatz elektronischer Geräte in der Verwaltung mitunter nicht in Einklang mit der bestehenden Gesetzeslage zu bringen ist. Der Teilnehmerkreis beschloss daher, sich dieses Themenkomplexes anzunehmen und gründete den nahezu gleichnamigen Arbeitskreis „Automation in der Verwaltung“.

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