Unter Digitalisierungsdruck: Wie Künstliche Intelligenz die Arbeit der Justiz verändert!

Rückblick auf die AWV-Netzwerkveranstaltung am 26. Juni 2023 im IBM Watson Center in München

Mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), das wissen wir alle, sind sowohl große Potenziale in punkto Optimierung von Verwaltungsabläufen als auch in punkto „Kompensation“ des demografischen Wandels verbunden. Daher ist KI ein Thema, das in vielen Arbeitsgremien der AWV aufgegriffen wird, ja, aufgegriffen werden muss, da sich die AWV den Themen Bürokratieentlastung und Digitalisierung verschrieben hat.

Der Einsatz von KI wird zudem, auch das wissen wir, in hohem Maße unsere Arbeitswelt verändern. Oftmals komplexer werdende Aufgabenstellungen müssen von weniger Fachpersonal erledigt werden. So steigt der Druck auf Unternehmen und Organisationen – und nicht zuletzt auch auf die öffentliche Verwaltung – digitale Lösungen einzusetzen. Ein hoher Druck herrscht besonders auch im juristischen Arbeitsumfeld. KI eröffnet hier Möglichkeiten, Prozesse – im doppelten Sinne – zu beschleunigen. Best-Practices gibt es bereits.

Im Rahmen der ersten AWV-Netzwerkveranstaltung „Unter Digitalisierungsdruck: Wie Künstliche Intelligenz die Arbeit der Justiz verändert!“ wurde am 26. Juni 2023 nun das Fachthema mit dieser spezifischen Perspektive aufgegriffen. Es wurden Best Practices vorgestellt und es wurde unter anderem über das Berufsbild von Jurist:innen im digitalen Zeitalter gesprochen (1).

Die AWV bei IBM in München

Zunächst begrüßte AWV-Geschäftsführer Dr. Ulrich Naujokat die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der AWV-Netzwerkveranstaltung und machte auf die aktuelle Relevanz des Themas KI in der Justiz aufmerksam. Anschließend sprach Marc Schlingheider (Leiter Geschäftsbereich Öffentlicher Sektor, IBM Technology) als IBM-Gastgeber Willkommensworte und stellte das IBM Watson Center vor.

Impulsvortrag des Bayerischen Justizministers

Den inhaltlichen Auftakt der Veranstaltung lieferte der Bayerische Staatsminister der Justiz Georg Eisenreich (MdL) mit einem Impulsvortrag, der vielfältige Anknüpfungspunkte zum Thema der Veranstaltung bot. Eisenreich betonte, dass der Einsatz von generativer KI die Gesellschaft, die Wirtschaft und das Rechtssystem erheblich verändern wird. Es gebe Chancen, aber auch Risiken. Daher sei es wichtig, sich frühzeitig mit diesen Systemen zu befassen. Viele grundsätzliche Fragen seien noch offen, etwa Transparenz, Gefahr von Diskriminierungen, die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und das gesellschaftliche Miteinander. Im Justizbereich stellten sich unter anderem Fragen der Gleichheit vor dem Gesetz, des rechtlichen Gehörs und der Wahrung der Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter.

Georg Eisenreiche, Mdl umreisst die vielfältigen Faktoren, die beim Einsatz von KI eine Rolle spielen. UN dankt Eisenreich für seinen Vortrag
Der Bayerische Staatsministers der Justiz Georg Eisenreich (MdL) umriss die vielfältigen Faktoren, die beim Einsatz von KI in der Justiz eine Rolle spielen.

AWV-Geschäftsführer Dr. Ulrich Naujokat dankt Staatsminister Eisenreich für seinen Vortrag.

UN dankt Panelisten und Teilnehmenden der KI-Netzwerkveranstaltung

AWV-Geschäftsführer Dr. Naujokat dankt den Teilnehmern des Panels sowie den Veranstaltungsteilnehmerinnen und -teilnehmern für die Diskussion (vlnr: Larissa Voss, Frank Richter, Heinz-Peter Mair, Dr. Jens Wagner, Prof. Dr. David Roth-Isigkeit und Dr. Ulrich Naujokat).

 

Panel-Diskussion

Dem Impulsvortrag folgte eine Panel-Diskussion, die von Larissa Voss (Client Engineering Manager, IBM Client Engineering Manager Public Sector) moderiert wurde. Der Kreis der Panelisten, die alle einen rechtswissenschaftlichen Hintergrund, durchaus aber unterschiedliche Blickwinkel auf das Thema KI in der Justiz mitbrachten, setzte sich wie folgt zusammen:

  • Frank Richter, Präsident Landgericht Hanau
    Er stellte u.a. das unlängst prämierte Projekt Frauke  (Frankfurts Urteils Konfigurator Elektronisch) des Amtsgerichts Frankfurt am Main vor, das er initiierte. Hierbei handelt es sich um ein Assistenztool für Richter:innen, dessen KI-Potenzial im Einsatz von Massenklageverfahren (hier konkret bei Fluggastklagen) zum Tragen kommt.

  • Heinz-Peter Mair, Ministerialdirigent, Leiter der Abteilung für Digitalisierung und Innovation des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz
    Auch er sieht Massenverfahren als ein wichtiges Einsatzfeld von KI in der Justiz und hielt fest, dass sich die Bundesländer künftig stärker abstimmen wollen, um rechtliche und betriebliche Rahmenbedingungen für Legal Tech festzuschreiben, so dass eine gemeinsame KI-Plattform in absehbarer Zeit verfügbar sein könne. Zudem machte er auf die von der Initiative Rechts- und Justizstandort Bayern gegründete „Denkfabrik Legal Tech“ aufmerksam, die eine wichtige Quelle für Ideen und Projekte sei.

  • Dr. Jens Wagner, Counsel bei Allen & Overy LLP und Mitbegründer des Liquid Legal Institute e.V.
    Seine Kanzlei nutzt mit als eine der ersten in Deutschland die auf GPT-4 basierende und auf den juristischen Bereich spezialisierte KI-Anwendung „Harvey“, die hier seit November 2022 zur Verfügung steht. Er betonte, dass grundsätzlich gezielter Schulungsbedarf für Nutzer:innen bestünde, und sieht als Potenzial, das es in diesem Zusammenhang noch zu heben gilt, die Verzahnung zwischen Mandanten und Kanzlei.

  • Prof. Dr. David Roth-Isigkeit, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insb. Recht der Digitalisierung, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer
    Er beschäftigt sich insbesondere mit den sozialen Implikationen von KI und auch mit Fragestellungen zum Thema Recht und Künstliche Intelligenz. Er sieht, dass im Bereich der Justiz seit langem Reformbedarf besteht, sprach vom „Traum“ der länderübergreifenden KI-Plattform und brachte unter anderem die Dimension von Avataren im Gerichtssaal und Klageverfahren als Kapitalanlage im Sinne von Predictive Analytics ins Gespräch ein.

Leitfragen der Diskussion waren Fragen zum vorgestellten Frauke-Projekt  und weiteren KI-Einsatzfeldern, Regulierungsfragen, natürlich auch Fragen zur europäischen KI-Verordnung für Unternehmen, die Frage nach einer gemeinsamem KI-Plattform im Justizbereich sowie danach, was von der Leistungsfähigkeit des Staatswesens erwartet wird und ob man sich vorstellen kann, dass es in zehn Jahren eine automationsgerechte Gesetzgebung gibt.

Get together

Im Anschluss an die rege Diskussion war Gelegenheit, sich im Rahmen eines Get togethers zu vernetzen und einzelne Aspekte weiter zu vertiefen. Die Möglichkeit, auch einen Blick in das Innovation Studio von IBM zu werfen und durch eine spontane Präsentation von Christian Metz (Data Scientist, IBM Client Engineering) kleine Einblicke in verschiedene Use Cases zu gewinnen, wurde ebenso von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern sehr gerne wahrgenommen.

Unser Dank

Unser Dank geht an den AWV-Vorstand Florian Breger (Vice President Government Global Industry Team, IBM Technology), der nicht nur „Spiritus Rector“ dieser Veranstaltung war, sondern darüber hinaus auch die Räumlichkeiten und die Verpflegung im IBM-Watson-Center zur Verfügung gestellt hat. – IBM ist seit mehr als 50 Jahren Mitglied der AWV.

Treffen Sie uns und andere!

Die nächste AWV-Netzwerkveranstaltung findet am 24. Oktober 2023, ab 17 Uhr im Deutschen Landkreistag in Berlin statt. Thematisch wird der Abend unter dem Motto „Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen – Planungs- und Genehmigungsverfahren flächendeckend“ stehen. Auch hier ist die Teilnahme, dank Bereitstellung von Raum und Verpflegung durch den Deutschen Landkreistag kostenfrei. Eine Anmeldung ist dennoch erforderlich. Unter folgendem Link könnten Sie sich anmelden: www.awv-net.de/netzwerken.


1 Eine Woche zuvor schon hatte der AWV-Arbeitskreis 1.4, der von Yasmeen Babar (regio iT Aachen) geleitet wird und der sich explizit Themen rund um den Einsatz von KI und neuen Technologien widmet, bei IBM in München getagt und u.a. Einsatzmöglichkeiten von KI in der Justiz in den Fokus gestellt. Hier geht’s zur Meldung.

Bild: Adobe Stock / Armmy_Pica