EU-Vorgaben werden als Marktabschottungsinstrument genutzt

Unterschiede in der praktischen Umsetzung der EU-Rechtsakte bestehen auch darin, dass die Einhaltung der Vorgaben unterschiedlich streng kontrolliert wird. Besonders intensive Kontrollen sind in Österreich und Frankreich zu beobachten, nachdem diese beiden EU-Mitgliedstaaten vorgeschrieben haben, dass die A1-Bescheinigung mitgeführt werden muss. Das EU-Recht schreibt dies nicht vor, und auch der Europäische Gerichtshof hat bestätigt, dass der Nachweis nach EU- Recht nicht notwendigerweise vor der Reise beantragt werden muss.

Man könnte vermuten, dass diese Länder den Zugang zu ihren Märkten behindern wollen, indem sie EU-Rechtsakte, die eigentlich dem Arbeitnehmerschutz dienen sollen, als Marktabschottungsinstrument nutzen. In diesen Kontext passt, dass Deutschland im Vergleich der untersuchten EU-Mitgliedsstaaten bei der Entsenderichtlinie am meisten von Befreiungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht hat. Mit dem 1993 eingerichteten EU-Binnenmarkt sollte der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen gewährleistet werden. Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass dieses Ziel durch die Verwaltungspraxis einiger anderer EU-Mitgliedsstaaten unterlaufen wird.

Vorschläge zur Entlastung der Unternehmen

Um die Unternehmen zu entlasten, werden folgende Maßnahmen empfohlen:

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1. Harmonisierung der EU-weiten Anforderungen


Die EU kann eine Entbürokratisierung erreichen, indem sie konkretisiert, welche Befreiungen und Standards gelten sollen. Dies gilt vor allem auch für die Verwendung der englischen Sprache. Auf diese Weise beugt sie Marktabschottungstendenzen vor, stärkt den Binnenmarkt und die Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Unternehmen.
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2. Einrichtung eines zentralen EU-Portals für die Entsendung von Arbeitnehmern


Die Unternehmen der 27 Mitgliedstaaten sollten über ein zentrales Portal der EU die einheitlich gestalteten und verständlichen Informationen sowohl zur A1-Bescheinigung als auch zu der Meldepflicht nach der Entsenderichtlinie abrufen, Anträge stellen und Anmeldungen vornehmen können sowie Nachweise erhalten. Vorbild könnte das Binnenmarkt-Informationssystem sein, das Behörden grenzüberschreitend ermöglicht, Informationen auszutauschen.

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3. Nationale Portale kundenfreundlicher gestalten


Wenn ein zentrales EU-Portal für Arbeitnehmerentsendungen in absehbarer Zeit nicht realisierbar erscheint, sollten die nationalen Portale kundenfreundlicher gestaltet werden, um eine schnellere Antragsbearbeitung und Meldung zu ermöglichen. Dabei sollten die Anforderungen und Prozesse für die beiden Nachweise zusammengeführt werden. Ferner sollten die Informationen verständlicher sein und Once Only-Lösungen umgesetzt werden. Once Only heißt, dass Daten, die ein Arbeitgeber oder Arbeitnehmer bereits einer Behörde übermittelt hat, mithilfe eines Identifikators in automatisierter Form in das Antrags- bzw. Meldeformular eingespielt werden. Der Arbeitgeber würde somit ein bereits mit diesen Daten vorausgefülltes Formular für die A1-Bescheinigung und die Anmeldung nach der Entsenderichtlinie erhalten.

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4. Europäische Sozialversicherungskarte


Eine Europäische Sozialversicherungskarte könnte den Nachweis für die natio­nale Mitgliedschaft in einer Sozialversicherung wesentlich vereinfachen und die A1-Bescheinigung in der jetzigen Form ablösen. Für den Arbeitnehmer, der in kurzen Abständen in das gleiche Unternehmen im EU-Ausland entsandt wird, müsste der Nachweis nicht jedes Mal neu beantragt werden. Vorbild könnte die 2006 eingeführte Europäische Krankenversicherungskarte sein, die auf der Rückseite der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) angebracht werden kann.

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5. Befreiung von der A1-Bescheinigung und der Meldepflicht bei der Entsendung für kurzfristige Auslandsaufenthalte


Um Unternehmen zu entlasten, sollten kurzfristige Entsendungen z. B. von weniger als fünf Tagen von den Nachweis- bzw. Meldepflichten ausgenommen werden.


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