Belastungen aufgrund nationaler Regelungen

A1-Bescheinigung

Zur A1-Bescheinigung verlangt jeder der Mitgliedstaaten außer dem Grunddatensatz zum Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie zur Entsendung noch weitere Angaben. Teilweise werden Angaben zur Branche des Arbeitgebers, zur Rechtsform, wann das Unternehmen gegründet worden ist, ob der Arbeitnehmer schon einmal in das Unternehmen entsendet worden ist, ob es sich um eine konzerninterne Entsendung handelt oder ob er einen anderen Arbeitnehmer ersetzt, verlangt.

Da die EU keine Vorgaben zu den Angaben für die A1-Bescheinigung macht, wird man wohl nicht von einem „Gold Plating“ sprechen können. Unter Gold Plating versteht man, dass ein Mitgliedsstaat einer EU-Richtlinie eine Regelung hinzufügt oder eine über das notwendige Maß hinausgehend strenge Umsetzung der Richtlinie verlangt.(6)

Gleichwohl zeigt das Spektrum unterschiedlicher Datenwünsche, dass die Regelungen zu den Angaben verschlankt und damit belastungsärmer ausgestaltet werden könnten.

Entsenderichtlinie

Bei den nationalen Regelungen für die Anmeldung einer Entsendung hat die Studie demgegenüber eindeutig Gold Plating festgestellt. Jeder der vier Mitgliedsstaaten verlangt verschiedene weitere Angaben, die über den Informationsgehalt hinausgehen, der für die Erreichung des Regelungszwecks notwendig ist. Österreich will die Namen der Führungskräfte des entsendenden Unternehmens wissen, Frankreich will wissen, wann der Arbeitsvertrag unterzeichnet wurde, Deutschland verlangt das Geburtsdatum des Ansprechpartners für die Dokumente (7), Italien den Geburtsort des Arbeitnehmers. Ein besonderer Aufwand bei Entsendungen nach Italien besteht darin, dass bestimmte Angaben nur auf Italienisch gemacht werden können.(8) Mehrere der untersuchten Staaten verlangen die Vorlage der A1-Bescheinigung, Lohnunterlagen sowie die Arbeitserlaubnis des Entsendestaates.
 
Belastungen aufgrund der Umsetzung in der Praxis

Während der Arbeitgeber die A1-Bescheinigung bei dem Sozial­versicherungsträger seines Arbeitnehmers im eigenen Land beantragen muss, muss er den Arbeitnehmer bei der Entsenderichtlinie im Zielland anmelden. Damit treffen die Belastungen bei der Entsenderichtlinie aus der Sicht der Entscheider der Regulierungs- und Verwaltungsebene ausschließlich ausländische Unternehmen. Dies schwächt die Motivation zur Entbürokratisierung.

A1-Bescheinigung

In Deutschland ist der Aufwand für die Unternehmen, sich mit den rechtlichen Voraussetzungen vertraut zu machen, um eine A1-Bescheinigung zu beantragen, am höchsten.

In allen vier Ländern wird eine Online-Lösung angeboten, allerdings mit sehr unterschiedlicher Nutzerfreundlichkeit. Frankreich und Österreich bieten die komfortabelste digitale Lösung an. In Frankreich ist der Ablauf vollständig automatisiert, insbesondere wird eine Once Only-Lösung in Form eines vorausgefüllten Formulars angeboten. Österreich setzt auf ein bestehendes, den Unternehmen bekanntes Portal (ELDA). Bei dem Onlineverfahren in Deutschland sv.net, einem von den gesetzlichen Krankenkassen zertifizierten Programm, lassen sich die Mitarbeiterdaten nicht speichern und müssen vom Unternehmen immer wieder neu eingegeben werden. Diese Umständlichkeit wurde datenschutzrechtlich begründet, soll jetzt aber überwunden werden. Es ist immer wieder zu beobachten, dass der Datenschutz zunächst als unüberwindbare Hürde betrachtet, dann aber als Hinderungsgrund überwunden wird. Dies führt zu Verzögerungen und hindert uns daran, digitale Lösungen im Vergleich zu anderen Ländern in einer angemessenen Zeit nutzergerecht umzusetzen.

Alternativ können Arbeitgeber in Deutschland ein zertifiziertes Entgeltabrechnungsprogramm nutzen, das einfacher zu bedienen ist. Die Studie zeigt, dass die darin angebotene Funktion der Beantragung einer A1-Bescheinigung aber nur selten genutzt wird.

Während in Frankreich und Österreich die Bescheinigung bis spätestens innerhalb von drei Tagen ausgestellt wird, berichten Unternehmen in Deutschland und Italien von längeren Wartezeiten.

Entsenderichtlinie

Für die Anmeldung nach der Entsenderichtlinie wird in den vier Vergleichsländern ebenfalls ein Online-Service angeboten, auch hier mit unterschiedlicher Nutzerfreundlichkeit.

Der größte Aufwand entsteht den Unternehmen dadurch, dass sie sich zunächst mit den geltenden nationalen Bestimmungen vertraut machen und sich die entsprechenden Informationen beschaffen müssen. Dies kann zwischen sechs Stunden und zweieinhalb Werktagen dauern. So gelten in Österreich mehr als 800 Tarifverträge. In Frankreich haben sich die Vorschriften zur Entsenderichtlinie in letzter Zeit mehrfach geändert. Die erforderlichen Dokumente müssen vom Arbeitgeber in die Sprache des Aufnahmelandes übersetzt werden. Da mittelständische Unternehmen häufig dazu gar nicht in der Lage sind, beauftragen sie externe Dienstleister. Dies führt zu Kostensteigerungen.


6 Melanie Payrhuber, Prof. Dr. Ulrich Stelkens: „1:1-Umsetzung“ von EU-Richtlinien: Rechtspflicht, rationales Politikkonzept oder (wirtschafts)politischer Populismus? – zugleich zu Unterschieden zwischen Rechtsangleichungs- und Deregulierungsrichtlinien, in: Euro­pa­recht – EuR, 54/2 (2019), S. 190–221.
7 Ergänzend zu den Interviewergebnissen der Studie weist die IHK Region Stuttgart darauf hin, dass es für Unternehmen ohne Tochtergesellschaft im Gastland kaum machbar ist, Ansprechpartner mit Wohnsitz vor Ort zu benennen, die die Unterlagen vorhalten und zwei Jahre lang aufbewahren.
8 Inzwischen steht für den Anmeldevorgang eine englischsprachige Maske zur Verfügung. Die notwendigen Unterlagen, wie Arbeitsvertrag, Gehaltsnachweis, A1-Bescheinigung und Auftrag müssen allerdings immer noch in italienischer Sprache vorliegen.

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