Ein Schlüssel zum grünen und resilienten Wiederaufbau in der Ukraine

Ein Beitrag von Dr. Oleksandr Sushchenko und Prof. Dr. Reimund Schwarze (beide Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ))

Die offiziellen Angaben der Weltbank bestätigen, dass sich die von der russischen Invasion in der Ukraine verursachten Schäden schon Anfang 2023 auf über 400 Milliarden US-Dollar (USD) beliefen(1). Gleichzeitig verursachte der militärische Konflikt im Jahr 2022 täglich neue Verluste in Höhe von 150 bis 160 Millionen USD(2). Die finanziellen Bedarfe der Ukraine sind enorm und es gilt, einen Weg zu finden, um die Finanzierung für den Wiederaufbau in der Ukraine sicherzustellen. Welche Co-Benefits könnten dabei erzielt werden? Diese und andere Fragen brauchen eine systematische Lösung und den dementsprechenden Maßnahmenplan.

Nachhaltige Transformation der globalen Finanzwirtschaft

Der moderne globale Finanzmarkt befindet sich in einer Transformationsphase – in der Umsetzung von nachhaltigen Finanzierungsprinzipien in den Investitionsentscheidungsprozess.

Das Ziel besteht darin, die Resilienz des Finanzsystems (financial sustainability) zu den nichtfinanziellen Risiken durch die Entwicklung von nachhaltigen Finanzen (sustainable finance) zu verstärken.

Bereits im Jahr 2004 begann die Testphase der Umsetzung von Umwelt-, Sozial- und Verwaltungsprinzipien (Environmental, Social and Governance principles, ESGs). Um diese Prinzipien zu erfüllen, wurden im Rahmen der Testphase global Reformen geprüft und verifiziert, die inzwischen umgesetzt werden: Im Jahr 2020 begannen die EU und China damit, die Ergebnisse aus der Testphase durch Gesetzgebungsverfahren in feste Regelungen umzuwandeln (z.B. der Green Deal der EU oder der 14. Fünfjahresplan der Volksrepublik China).

Investitionen 2.0. Oder wie kann man Privatkapital für den Wiederaufbau in der Ukraine gewinnen?

Heutzutage kämpfen die Finanzzentren der Welt darum, die Führungsposition im Rennen um die „grünen Finanzströme” zu gewinnen. Es ist wahrscheinlich, dass sich die Ukraine nach dem Ende des Krieges in einer Finanzwelt mit neuen Rahmenbedingungen wiederfindet. Soll die Ukraine abwarten und sich nur in den Friedenszeiten mit den notwendigen Reformen beschäftigen? Oder könnten diese neuen Entwicklungen schon während des Wiederaufbaus helfen, die notwendigen Finanzmittel zu mobilisieren?

Der Finanzmarkt sucht nach neuen Perspektiven

Die Finanzmittel auf dem Weltmarkt übersteigen die realen Vermögenswerte, allein die Volumen des OTC-Derivatemarktes überschreiten das Niveau des weltweiten Bruttoinlandsproduktes, kurz BIP, um das Zehnfache(3).

Zudem beeinflussen schon heute die neuen Rahmenbedingungen, die durch die Umsetzung der ESGs geschaffen wurden, die Tätigkeiten von bankbezogenen und nicht-bankbezogenen Institutionen. So müssen die grünen und nachhaltigen Projekte den freiwilligen (z.B. Sustainable Stock Exchange Initiative) oder gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechen.

Der größte Handelspartner der Ukraine, die Europäische Union, hat etwa eine Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen und einen dementsprechenden Maßnahmenplan vereinbart (4). Die vorgesehenen Verbesserungen betreffen die folgenden Bereichen: Gestaltung von neuen Finanzprodukten (EU Richtlinie 2014/65, EU Richtlinie 2016/97, Verordnung (EU)  2016/2011); Investitionswesen (EU Richtlinie 2016/2341, Verordnung (EU) 2020/852, Delegierte Verordnung (EU 2021/2139); nichtfinanzielle Berichterstattung (EU Richtlinie 2022/2464, EU Richtlinie 2014/95, Verordnung (EU) 2019/2088, Delegierte Verordnung (EU) 2023/363, Delegierte Verordnung (EU 2021/2178, Delegierte Verordnung (EU) 2022/1214, Verordnung (EU) 2019/2089).

Die Finanzinstitutionen stellen ihre Tätigkeiten auf neue Rahmenbedingungen um und suchen nach neuen Möglichkeiten für die Verbesserung von Finanzergebnissen. Der internationale Handel ist ein weiterer wichtiger Kanal für den Finanzzufluss in die Ukraine. Die EU als Haupt-Handelspartner arbeitet an neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen in diesem Bereich. So wurden schon die Vor- und Nachteile des CO2-Grenzausgleichsyszems (Eng. Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM; Carbon Farming Initiative, CFI) mehrmals untersucht und diskutiert.

In den kommenden Jahren werden auch die Sozial- und Verwaltungsaspekte auf der EU-Ebene geregelt.  Deutschland spielt dabei eine führende Rolle und hat bereits einige Aspekte  im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz eingeschlossen (5). Durch das Gesetz werden Unternehmen ab dem Jahr 2024 verpflichtet, bestimmte soziale Richtlinien einzuhalten und auch bei ihren Lieferanten auf die Einhaltung der Regeln zu achten,  sowie sich die relevanten Informationen einzuholen (6).   

Schlussfolgerungen

Aufgrund von massiven Schäden und Verlusten werden private Finanzmittel beim grünen und resilienten Wiederaufbau der Ukraine sehr wichtig sein. Gleichzeitig werden auf dem Finanzmarkt die sogenannten ESG-Prinzipien in den Investitionsentscheidungsprozess eingebaut.

Besonders aktiv werden solche Initiativen in der EU umgesetzt, wo die oben erwähnten Prinzipien in die Produktgestaltung, ins Investitionswesen und in die nichtfinanzielle Berichterstattung integriert sind. Deshalb müssen die neuen Rahmenbedingungen bei der Vorbereitung von strategischen Plänen für den Wiederaufbau berücksichtigt werden. So könnten die notwendigen Finanzmittel mobilisiert werden und die geplanten Maßnahmen grün und nachhaltig gestaltet sein. Darüber hinaus können so auch die Maßnahmen der Ukraine für ihren Weg in die EU beschleunigt werden.


1 Pressemitteilung der Worldbank vom 23.03.2023, Ukraine Recovery and reconstruction needs assessment.
2 Meldung DW vom 17.03.2022.
3 Global OTC derivatives market, 2. Halbjahr 2022.
4 Europäische Kommission, A European Green Deal.
5 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten.
6 Wirschaftswoche, DIHK-Umfrage: Lieferkettengesetz beschäftigt vor allem deutsche Firmen in Afrika und Asien, Meldung vom 26.01.2022.

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