Digitale Verwaltung braucht digitaltaugliches Recht

Vorstellung eines Gutachtens des Nationalen Normenkontrollrates

Ein Hindernis für die Digitalisierung von Verwaltungsverfahren sind uneinheitlich definierte oder verwendete Rechtsbegriffe. So müssen Antragsstellende in verschiedenen behördlichen Angelegenheiten z. B. Einkommensdaten angeben. Was unter dem Einkommen verstanden wird, kann sich dabei von Verfahren zu Verfahren unterscheiden. Dieser Problemstellung nahm sich der Nationaler Normenkontrollrat (NKR) an. Er unterzog den Einkommensbegriff sowohl einer rechtlichen Prüfung als auch einer Prüfung im Hinblick auf seine Digitaltauglichkeit. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sowie mögliche Lösungswege erfasste der NKR in dem Gutachten "Digitale Verwaltung braucht digitaltaugliches Recht − Der modulare Einkommensbegriff". Das Gutachten wurde im Auftrag des NKR von der Ruhr-Universität Bochum in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung msg systems ag erstellt und im Juni 2021 der Öffentlichkeit vorgestellt.

Dies war der Anlass für das Land Hamburg – als Vorsitzland des IT-Planungsrates – Vertreterinnen und Vertreter des NKR, des IT-Planungsrats und weitere Fachkräfte am 29. Juni 2021 zu  einer hybriden Diskussionsrunde in die hamburgische Landesvertretung nach Berlin einzuladen. Nach der Begrüßung durch Christian Pfromm (Chief Digital Officer, Freie und Hansestadt Hamburg) und dem Eingangsstatement von Dorothea Störr-Ritter (Mitglied des Nationalen Normenkontrollrates) diskutierten die Gutachter Jun.-Prof. Dr. Maria Marquardsen (Ruhr-Universität Bochum) und Werner Achtert (msg systems ag) mit den Bremer Staatsräten Dr. Martin Hagen und Jan Fries die zentralen Ergebnisse des Gutachtens. Mit den Fachkräften diskutierten rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien über konkrete Lösungsansätze, wie die Digitalisierung der Verwaltung weiter an Fahrt aufnehmen kann.

Zu den Kernbotschaften des Gutachtens zählt unter anderem eine notwendige Inventur des Rechtsbestandes im Hinblick auf seine Digitaltauglichkeit. Um "Once-Only" Wirklichkeit werden zu lassen und einen verfahrensübergreifenden Datenaustausch zu ermöglichen, so heißt es im Gutachten weiter, müsse die Digitaltauglichkeit des existierenden Rechtsbestandes verbessert werden, ansonsten bliebe die Vernetzung der Datenbestände, insbesondere bei der Umsetzung des OZG eine unerreichbare Wunschvorstellung.

Ziel des "Once-Only"-Prinzips ist es, dass Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen bestimmte Standardinformationen den Behörden und Verwaltungen nur noch einmal mitteilen müssen. Unter Einbeziehung von Datenschutzbestimmungen und der expliziten Zustimmung der Nutzer ist es der öffentlichen Verwaltung erlaubt, die Daten wiederzuverwenden und untereinander auszutauschen. Das "Once-Only"-Prinzip ist Teil der Bemühungen der Europäischen Union, den Verwaltungsaufwand für Bürger und Unternehmen zu verringern. Echte Verfahrensvereinfachungen, die Daten nach dem "Once-Only"-Prinzip erfassen und verfügbar machen, könnten aber nur gelingen, wenn die zugrundeliegenden Begrifflichkeiten eindeutig und einheitlich verwendet werden, betonte Pfromm. Das NKR-Gutachten liefere hierfür grundlegende Erkenntnisse und Impulse zur Umsetzung. Nun obliege es vielmehr der nächsten Bundesregierung, so Störr-Ritter, diese Erkenntnisse zu nutzen, damit "Once-Only" in der Breite Anwendung finden kann und damit die moderne bürgerorientierte digitale Verwaltung nicht nur eine Vision bleibt, sondern auch Realität wird.

Einkommen digitaltauglich definieren

Das Thema ist für die AWV nicht neu, denn der Arbeitskreis "Vereinheitlichung der Bescheinigungen in der Lohn- und Gehaltsabrechnung"  beschäftigt sich bereits seit über dreißig Jahren mit der Harmonisierung der Begrifflichkeiten im einkommensbezogenen Sozialleistungsrecht. Die Leitung des Arbeitskreises sowie der zuständige Referent waren als Experten in die Workshops zum Gutachten eingebunden. Die verfahrensübergreifende sprachliche Vereinheitlichung und Modularisierung des Einkommensbegriffs wird unterstützt, damit im betrieblichen (Verdienst-)Bescheinigungswesen nachhaltige und kostensenkenden Vereinfachungen für alle Beteiligten möglich werden.

Das vollständige Gutachten "Digitale Verwaltung braucht digitaltaugliches Recht − Der modulare Einkommensbegriff" ist auf der Internetseite des Normenkontrollrates abrufbar. 

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