95 Jahre AWV: Die elektronische Rechnung und ihre Vorläufer

Der AWV-Fachausschuss 4 "Internationale Handelsverfahren und Fragen der elektronischen Kommunikation"
Die elektronische Rechnung ist präsenter denn je. Aktuelle rechtliche Vorgaben zur elektronischen Rechnungsstellung gegenüber der öffentlichen Verwaltung orchestrieren wesentliche Teile unternehmerischen Vorgehens und strahlen auch auf die Geschäftsbeziehungen von Unternehmen zu Unternehmen aus. Doch die Ursprünge der heutigen elektronischen Rechnung liegen schon viele Jahre zurück.

Bereits Anfang der 1970er Jahre begannen Arbeiten in der Arbeitsgruppe "Erleichterung von Verfahren im internationalen Handel" des zwischenstaatlichen Gremiums der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (The United Nations Economic Commission for Europe, kurz: UNECE)), die schließlich in den EDIFACT-Standard (Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport, kurz: EDIFACT) mündeten. Dieser internationale Standard für den elektronischen Datenaustausch (Electronic Data Interchange, kurz: EDI) wurde 1987 von der Internationalen Organisation für Normung (ISO) als ISO 9735-Norm genehmigt und ist ein Vorläufer der späteren elektronischen Rechnung, da Rechnungen bereits mit EDI in elektronischer Weise übermittelt wurden. Der EDI-Standard enthält Regeln zur Strukturierung elektronischer Daten und zur Standardisierung von Nachrichten für den branchen- und länderübergreifenden Austausch im Geschäftsverkehr.

Ergänzend zum EDIFACT-Standard wurde im Jahr 1994 in Deutschland der sogenannte EDI-Rahmenvertrag – ein  Vertrag zum Elektronischen Datenaustausch – veröffentlicht, an dessen Entstehen die AWV mit dem Fachausschuss "Internationale Handelserleichterungen" beteiligt war. Mit dem EDI-Rahmenvertrag wurde erstmals eine rechtssichere Grundlage für den elektronischen Austausch von Informationen geschaffen. EDI ermöglicht den Datenaustausch unterschiedlicher Anwendungssysteme verschiedener Unternehmen mittels elektronischen Transfers. Dabei ist die Weitergabe der Dokumente über ein spezifisches Format standardisiert. Neben effizienteren Arbeitsprozessen erleichtert EDI durch die Standardisierung des Informationsaustausches auch den beruflichen Alltag, da spezifische bilaterale Absprachen beim Informationsaustausch in Wirtschaft und Verwaltung vermieden werden können.

Standardisierte elektronische Rechnungsstellung
Innerhalb des AWV-Arbeitskreises 4.5 "Rechtsfragen der digitalen Kommunikation" wurde 1995 die Projektgruppe 4.5.1 "Elektronische Abrechnung" gegründet, die sich schon Mitte der 1990er Jahre der elektronischen Rechnung annahm. 2006 publizierte die Projektgruppe die Broschüre "Der elektronische Rechnungsaustausch", in welcher umsatzsteuerrechtliche Grundlagen, die Verfahren für den elektronischen Rechnungsaustausch und wirtschaftliche Einsatzbedingungen erläutert werden. Neben technischen und organisatorischen Lösungen führt der Leitfaden auch EDI als ein mit der elektronischen Rechnung in Verbindung stehendes (Übermittlungs-)Verfahren an.

Über die Jahre hinweg nahm die elektronische Rechnung stetig an Bedeutung zu. Dies ist auch in den vielfältigen Vorteilen begründet, z. B. Kostenersparnis, Vermeidung von Kommunikationsverlusten aufgrund direkter 'Einspeisung' in betriebseigene Systeme, Effizienzsteigerung dank gesteigerter Datenqualität, Senkung der Fehlerquoten und Minimierung der Bearbeitungszeiten. Und nicht zuletzt ist die elektronische Rechnung ökologischer und nachhaltiger als ihr Papierpendant.

2009 beschloss die EU-Kommission, dass bis Ende 2020 die elektronische Rechnung in der EU "vorherrschend" sein solle. 2010 wurde eine Vorgabe formuliert, dass alle damals 28 EU-Mitglieder Einrichtungen benennen sollten, welche die elektronische Rechnung in den jeweiligen Staaten fördern. Daraufhin richtete in Deutschland das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) unter dem Dach der AWV das "Forum elektronische Rechnung Deutschland" (FeRD) als nationale Plattform zur Förderung der elektronischen Rechnung ein. Das Forum wurde in Berlin unter Beteiligung verschiedener Ministerien des Bundes und der Länder, des Bundeskanzleramtes sowie der Spitzenverbände der Wirtschaft und einiger Fachverbände gegründet. Basis dafür war die bisherige AWV-Projektgruppe 4.5.1 "Elektronische Abrechnung". Seitdem entsendet das FeRD zwei Vertreter in das EU-Forum zur Förderung der elektronischen Rechnung (European Multi-Stakeholder Forum on Electronic Invoicing, kurz EMSFEI). 2015 wurde die PG 4.5.1 in den Arbeitskreis 4.6 "Forum elektronische Rechnung Deutschland" umgewandelt.

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Bild: Heinz Nixdorf Museumsforum (CC BY-NC-SA), AWV