Künstliche Intelligenz: Von der Idee zur Praxis

AWV-Interview mit Yasmeen Babar, Leiterin des AK 1.4

Die Künstliche Intelligenz (KI) gehört zu den aktuell am häufigsten diskutierten Technologien. Wir sprachen mit Frau Yasmeen Babar, Leiterin des neu gegründeten Arbeitskreis 1.4 „Organisatorisches Aspekte des Einsatzes von Automatisierung und künstlicher Intelligenz“, über den Einsatz von KI und Automatisierung sowie ihre Vorstellungen im Hinblick auf die künftige Arbeit im Arbeitskreis.  

Frau Babar, wir gratulieren Ihnen zum Amt als neue AWV-Arbeitskreisleiterin des Arbeitskreises 1.4 „Organisatorische Aspekte des Einsatzes von Automatisierung und künstlicher Intelligenz“. Was hat Sie zur Teilnahme am Arbeitskreis bewogen? Welche Aspekte an Automatisierung und KI finden Sie besonders interessant?
Wir befinden uns in der vierten industriellen Revolution und dem Zeitalter der digitalen Transformation. Es geht darum, Geschäftsmodelle zu digitalisieren und Geschäftsprozesse weitestgehend zu automatisieren, um effizienter bzw. wirtschaftlicher agieren zu können. Der Einsatz von KI-Systemen geht einen Schritt weiter und nutzt die gesammelten Daten, um daraus zu lernen und so den Geschäftsprozess noch besser zu gestalten. Auto­matisierung und Künstliche Intelligenz gehören zu den bedeutendsten IT-Trends der heutigen Zeit. Diese sind längst bei Unternehmen, Verwaltungen und Privatpersonen angekommen. Sie nehmen Einfluss auf Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Folglich sind für mich wirtschaftliche, soziale und politische Aspekte gleichermaßen interessant.

Zur Teilnahme am Arbeitskreis haben mich mein hohes persönliches Interesse und mein berufliches Aufgabenfeld bewogen, da ich mich schon seit einigen Jahren mit dem Einsatz und den Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz befasse. Ich sehe ein hohes gesellschaftliches Entwicklungspotenzial in einer wissensgetriebenen Gesellschaft, wie in Deutschland, für den Einsatz von KI-basierten Systemen. Sie können insbesondere einen Beitrag in den Bereichen demografischer Wandel, Barrierefreiheit und (öffentliche) Sicherheit leisten.

Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung eine nationale Strategie KI verabschiedet, um die weitere Entwicklung sowie den Einsatz von KI zu fördern. Welche Berührungspunkte gibt es in Ihrem Arbeitsalltag mit KI?
Es gibt sowohl in meinem privaten als auch im beruflichen Alltag bereits bewusste und unbewusste Berührungspunkte mit KI. Ich stehe morgens auf und entsperre mein iPhone mit der Face ID, welche auf Ansätze der KI basiert. Es geht direkt weiter mit Siri, die ich für verschiedene Zwecke nutze, um mir meinen persönlichen Alltag zu erleichtern. Ich nehme diverse Online-Dienstleistungen in Anspruch, die einen unterschiedlichen Automatisierungsgrad aufweisen. Zwischen zwei Terminen bestelle ich oft noch Dinge, die ich brauche und schaue mir dabei KI-basierte Empfehlungen an. Während des Payment-Prozesses werde ich vielleicht unbewusst, aber standardmäßig von einem KI-basierten Betrugsmanagement beleuchtet usw.

In meinem beruflichen Umfeld beschäftige ich mich nahezu täglich mit der Automatisierung und KI. Ich führe automatisierte Prozesse im Bereich Bürger- und Unternehmensservice ein, bewerte Lösungen auf dem Markt, die sich für den Einsatz im kommunalen Umfeld eignen. Gemeinsam mit unseren Kunden suche ich aktiv nach Ideen für den Einsatz von KI, konkretisiere und bewerte diese Ideen. Das zentrale Ziel ist die Entwicklung von KI-basierten Lösungen, die die Verwaltungsprozesse verbessern und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in öffentlichen Verwaltungen in Ihrem Alltag unterstützen.

Ein Ziel der nationalen Strategie ist es, Deutschland als weltweit führenden KI-Standort zu etablieren. Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand zum Thema KI in Deutschland im internationalen Vergleich?
Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland im Bereich KI hinterher und muss aufholen. Länder wie USA, China und Israel sind wesentlich weiter. Im europäischen Kontext nehmen die Balkanstaaten eine zunehmend bedeutende Rolle ein. In Deutschland wird viel geforscht und es liegen viele theoretische Konzepte vor. Jedoch muss der Sprung von Forschung zur Praxis besser gelingen, sodass eine höhere Anzahl an praktischen Anwendungen entwickelt wird. Mir ist bewusst, dass wir anderen gesetzlichen Bestimmungen unterliegen, dennoch müssen wir die praktische Umsetzung fördern. Nur so können wir dem Ziel „AI Made in Germany“ gerecht werden und uns weiterhin als Wirtschaftsstandort behaupten.

Im Arbeitskreis 1.4 steht die Anwendung von Automatisierung und KI aus organisatorischer Perspektive im Mittelpunkt. Welche Themen sollten Ihrer Meinung nach künftig priorisiert werden?
In unserer Gründungssitzung wurden bereits erste Themenfelder vorgeschlagen. Diese würde ich gerne gemeinsam im Arbeitskreis näher besprechen und priorisieren. Neben den Handlungsfeldern für KI und deren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen finde ich die Fragestellung bzgl. des Aufbaus einer zentralen und unabhängigen europäischen KI-Infrastruktur bedeutend, da aktuell der Markt vorwiegend durch amerikanische Unternehmen besetzt wird. Um eine erfolgreiche KI-Anwendung zu etablieren, ist die Zugänglichkeit von Daten (Open Data) sowie die Datenmenge und -qualität ausschlaggebend.

Die Gründungsveranstaltung des Arbeitskreises am 28. März in Münster war mit einer Führung in den Räumen der LVM Versicherung praktisch ausgerichtet. Wie haben Sie die Gründungsveranstaltung wahrgenommen? Wie möchten Sie künftige Arbeitskreissitzungen gestalten?
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Gründungsveranstaltung verfügen über ein tiefes Wissen aus verschiedenen Branchen. Durch das ausgewogene Verhältnis zwischen Wissenschaft und Praxis konnte ein erster Problemkatalog erarbeitet werden. Die Praxisvorführung des automatisierten Posteingangs bei der LVM Versicherung war ein exzellentes Praxisbeispiel und hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen, da die Lösung dem Unternehmen einen erheblichen Nutzen bietet. Gerne würde ich künftige Sitzungen ähnlich gestalten und den Ort so wählen, dass wir weitere Praxisbeispiele anderer Organisationen kennenlernen und einen guten Einblick sowie weitere Ideen für unsere Arbeit gewinnen können.

Welche Erwartungen haben Sie an die Arbeit im Arbeitskreis? Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit den anderen Teilnehmern vor?
Ich möchte mich auf eine praxis­orientierte Debatte fokussieren, um gemeinsam wichtige Akzente für Politik, Gesetzgebung und Gesellschaft zu setzen. Der Arbeitskreis soll in enger Zusammenarbeit aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Beitrag zur künftigen Entwicklung im Bereich Auto­matisierung und KI in Deutschland leisten.

Frau Babar, herzlichen Dank für das Interview!    

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