Neuerungen im Bei­trags- und Melde­recht der Sozial­ver­si­che­rung

Zum Jahreswechsel tritt das 8. SGB IV-Änderungsgesetz in Kraft

Die Träger der Sozialversicherung benötigen für die Feststellung der Leistungsansprüche der Versicherten, für die Berechnung der Beiträge und für die Erfüllung sonstiger Aufgaben zahlreiche Daten und Informationen von den Arbeitgebern, welche zum überwiegenden Teil elektronisch übermittelt werden. Vom Umfang stellen die Verfahren des Melde- und Beitragswesens zur sozialen Sicherung eines der größten elektronische Massenverfahren in Deutschland dar. Der folgende Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die geplanten gesetzlichen Neuerungen im Beitrags- und Melderecht und geht dabei auch auf die besondere Entstehungsgeschichte ein.

Ziele und Zeitplan des 8. SGB IV Änderungsgesetz

Die rechtlichen Grundlagen für den skizzierten umfangreichen Datenaustausch finden sich im Vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). In diesem Bereich wird es durch das „Achte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze“ (8. SGB IV-ÄndG) zu zahlreichen Änderungen kommen. Ausweislich des Gesetzentwurfs vom 12. Oktober 2022 (BT-Drucksache 20/3900) werden eine Vielzahl bestehender Verfahren in der Sozialversicherung effektiver gestaltet und im Sinne der Digitalisierung und der Entbürokratisierung verbessert. Technische Vorgaben werden an die sich fortentwickelnden technischen Standards angepasst und gesetzliche Anpassungen im Bereich des Vermögensrechts, im Künstlersozialversicherungsgesetz sowie in anderen Rechtsbereichen vorgenommen. Die erste Beratung des Gesetzentwurfs im Bundestag fand am 20. Oktober 2022 statt, die zweite und dritte Lesung Anfang Dezember und die zweite Befassung im Bundesrat ist am 16. Dezember 2022 geplant (das Gesetz ist allerdings nicht zustimmungspflichtig). Wesentliche Teile sollen zum 1. Januar 2023 in Kraft treten, einiges aber auch erst zu späteren Zeitpunkten.

Dialogverfahren des BMAS

Das Gesetzesvorhaben hat eine Vorgeschichte, die mit einer E-Mail des federführenden Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) an die Beteiligten im Meldeverfahren im Juni 2020 ihren Anfang nahm. Den angeschriebenen Sozialversicherungsträgern, Arbeitgebern und Verbänden (u.a. ArGe PERSER, BDA, BStBK, GKV-SV) sowie sonstigen Stakeholdern (wie bspw. der AWV) wurde angeboten, in einen Dialog zu möglichen Rechtsänderungen zu treten, um Bürokratieabbau und Digitalisierung in der Sozialversicherung weiter voranzutreiben. Der E-Mail waren 30 Vorschläge bzw. Fragenkomplexe angehängt, die teilweise schon im Rahmen des kurz zuvor verabschiedeten 7. SGB IV-ÄndG diskutiert wurden, aber nicht mehr abschließend behandelt werden konnten. Neben der Aufforderung, zu diesen Punkten Stellung zu nehmen, wurde die Möglichkeit eingeräumt, weitere Punkte zu benennen. Von dieser Möglichkeit wurde rege Gebrauch gemacht: Bis Anfang September 2020 kamen weitere 70 Vorschläge – von der Anregung zu redaktionellen Änderungen bis zur Neuordnung ganzer Rechtsbereiche – hinzu, zu denen erneut Stellung genommen wurde. Im Rahmen von Einzelkonsultationen, welche das BMAS organisiert und durchgeführt hatte, wurden die Vorschläge diskutiert, untersucht und bewertet. Dieser Prozess wurde im Dezember 2021 abgeschlossen, wobei von den mittlerweile 130 Punkten rund 50 ausgewiesen wurden, um einer gesetzlichen Umsetzung zugeführt zu werden. Eine ganze Reihe weiterer Punkte wurde untergesetzlich geregelt, verschoben oder zurückgezogen. Ein erster Arbeitsentwurf zum Gesetzesvorhaben wurde bereits aim März 2022 veröffentlicht, der Referentenentwurf folgte im Juni. Das umfangreiche Dialogverfahren des BMAS wurde parallel in den Gremien des Fachausschusses 2 „Verwaltungsvereinfachung und Entbürokratisierung im personalwirtschaftlichen Umfeld“ der AWV diskutiert und kritisch begleitet. Auch wenn es aufgrund der Themenvielfalt nicht immer einfach war, den Überblick zu behalten und alle Entwicklungen sowie Sachstände im Detail zu durchdringen, beurteilten alle Beteiligten die Vorgehensweise und die Teilhabemöglichkeiten als positiv und vorbildlich.

Der lange Atem des „OMS“

Einige Änderungen, die nun mit dem 8. SGB IV-ÄndG kommen werden, waren bereits vor rund zehn Jahren Gegenstand der Diskussionen im damaligen Projekts OMS („Optimiertes Meldeverfahren in der sozialen Sicherung“), mit dem das Bundeskabinett per Beschluss im September 2011 erreichen wollte, dass weitere Maßnahmen zur Entlastung der Arbeitgeber bei der Erfüllung von Bürokratiepflichten in den Melde-, Beitrags- und Bescheinigungsverfahren gefunden und umgesetzt werden. So wies der Abschlussbericht der Machbarkeitsstudie zu OMS vom 31. Dezember 2013 die Punkte 4.14 („Zertifizierungspflicht der Software der Sozialversicherungsträger im Dialogmeldeverfahren“) und 4.27 („Einheitliche XML-Strukturen – Nutzdaten im XML-Format“) aus. Beide Vorschläge wurden damals nur als „bedingt machbar“ angesehen, weil bei der wirtschaftlichen Betrachtung zwar ein hoher laufender Nutzen gesehen wurde, dem aber nach damaliger Einschätzung ein sehr hoher Umstellungsaufwand entgegenstand. Aus diesen Gründen wurden die Themen zunächst nicht weiter forciert, aber – wie man nun sieht – auch nicht vergessen. Die nunmehrige Umsetzung dürfte zur Verbesserung der Meldequalität und zur weiteren Standardisierung beitragen.  

Es gibt viel zu tun

Das 8. SGB IV-ÄndG ist mit seinen 85 Änderungspunkten in 24 Gesetzen und vier Rechtsverordnungen sehr umfangreich ausgefallen. Den Beteiligten wird dabei einiges an Aufwand zugemutet, die Umsetzung wird viel Engagement erfordern. Dabei ist und bleibt es Aufgabe der AWV, diesen Prozess nach besten Kräften zu unterstützen. Zudem bleibt zu hoffen, dass die im Gesetz ausgewiesene Entlastung in Höhe von 155 Millionen Euro für die Wirtschaft sowie die Einsparung von 2,4 Millionen Stunden Verwaltungs- und Bürokratieaufwand für die Bürgerinnen und Bürger spürbar sein wird.

Bild: AdobeStock / Kurhan


    
Übersicht zu den wichtigsten Änderungen im Beitrags- und Melderecht durch das 8. SGB IV-ÄndG

 
Zeitpunkt des Inkrafttretens

 
  Pflicht zur Vorlage eines Sozialversicherungsausweises wird durch den automatisierten Abruf der Versicherungsnummerdurch den Arbeitgeber bei der Datenstelle der Rentenversicherung abgelöst. Januar 2023
 
Begriff Sozialversicherungsausweis wird durch den Begriff Versicherungsnummer-Nachweis ersetzt. Januar 2023
 
Ergänzung des Verfahrens nach § 107 (Vorerkrankungszeiten) durch Meldungen der Leistungsträger Januar 2023
 
Information der AG über vorliegende Meldungen durch die KomServer Januar 2023
 

Zur Vereinfachung der Meldeverfahren soll perspektivisch zukünftig nur noch eine Annahmestelle pro Kassenart zulässig sein.

Januar 2023
 
Aufgliederung von pauschalbesteuerten Sachleistungen in der EBV nach den Vorschriften des BEEG Januar 2023
 

Ausweitung des rvBEA-Verfahrens auf die Bescheinigung von Hinzuverdiensten bei Rentenbezug (§§ 18a ff SGB IV)

Januar 2023

  Regelung der Zuordnung von aus Arbeitszeitguthaben abgeleiteten Entgeltguthaben immer zum letzten Entgeltabrechnungszeitraum Januar 2023
 

Für den automatisierten Abruf aller aktuellen Stammdaten der an den Meldeverfahren beteiligten Träger wird eine zentralen Datei aufgebaut.

Januar 2024

Beginn und Ende der Elternzeit von Arbeitnehmern werden den Sozialversicherungsträgern im Rahmen des allgemeinen elektronischen Meldeverfahrens durch den Arbeitgeber mitgeteilt.

Januar 2024

Das Antragsverfahren zur Ausstellung von Unbedenklichkeitsbescheinigungen durch die Nachunternehmerwird vollständig digitalisiert. Januar 2024
 
Umstellung der Fachverfahren auf xml-gestützte Meldungen; der Anschriften auf den UTF-8 Code Januar 2024
 
Einführung der Systemprüfung für die KK-Software Januar 2024
 
Die Vorschriften über die Ausstellung von A1-Bescheinigungen werden neu strukturiert. Januar 2025
 
Öffnung von FiBu-Programmen zur Übermittlung von FiBu-Daten in der euBP Januar 2025
 
Zwingende Übermittlung von euBP-Daten bei Systemwechsel während des Prüfzeitraumes Januar 2025
 
Information der AG durch die berufsständischen Versorgungseinrichtungen über die Bescheide der RV Januar 2025
 
Reha-Einrichtungen und Eltern-Kind-Einrichtungen werden in das Verfahren zur elektronischen Meldung von Arbeitsunfähigkeitszeiten nach § 301 Absatz 4a SGBV einbezogen. Januar 2025
 
Für gemeinsame Einrichtungen im Sinne des § 4 Absatz 2 des Tarifvertragsgesetzes wird die Möglichkeit der Einbeziehung in das allgemeine elektronische Meldeverfahren geschaffen. Januar 2025
- Januar 2027
 
Die DGUV wird zur Entwicklung eines Umsetzungskonzeptes für die Einführung einer Betriebsstättennummer verpflichtet. bis Juli 2023