Next Steps „Künstliche Intelligenz“. Kommunalverwaltung zwischen Barrierefreiheit und Blackbox

Ein Beitrag von Tabea Hein (Hansestadt Lübeck)

Der digitale Transformationsdruck auf die kommunale Ebene hält weiter an und die Stadtgesellschaft misst die Verwaltung an den 24/7 überall verfügbaren, medien­bruchfreien Services anderer Branchen. Erfahrungen und Erlebnisse hinsichtlich Funktionalität, Gebrauchsfähigkeit und ansprechender Optik bei der Nutzung von Online-Angeboten der Kommunalverwaltungen sind häufig nicht von Enthusiasmus geprägt, denn Prozesse des öffentlichen Sektors bleiben im Hinblick auf einfach bedienbare und barrierefreie Angebote in der Realität meist noch weit hinter dem privaten Sektor zurück.

Status Quo

Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ (KI) hat während der COVID-19-Krise auf vielfältigen Wegen Einzug in die öffentliche Verwaltung gehalten. KI bietet Chancen und Potenziale zur Steigerung von Servicequalität, User Experience und zur Entlastung der Mitarbeitenden, aber auch Herausforderungen – gerade für öffentliche Verwaltungen, die zwischen Beständigkeit und Wandel in ihrer Rolle auch immer Garant für Stabilität und Rechtssicherheit sind.

Die Kommunalverwaltungen konzentrieren derzeit die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen vor allem auf die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes mit Frist 31. Dezember 2022 und bündeln ihre Mittel für diese komplexe Aufgabe. Die praktische Anwendung von KI manifestiert sich im kommunalen Einsatz bisher noch vor allem in mehr oder eher weniger prächtig funktionierenden Chatbots, in Ansätzen von Digital Twins und Anwendungen von Bilderkennung, teils in mobilen Services wie z. B. der systematischen Erfassung des Straßenzustands zum Ziel der vorausschauenden Planung von Instandhaltungsmaßnahmen, der Abfallerkennung und in der Routenplanung. Fragen der Ethik, Rechtsetzung und Standards sind bisher andiskutiert, aber für die kommunale Praxis ungelöst und stellen so wesentliche Barrieren für konkrete Umsetzungen. In KI-Systemen trifft hohe Komplexität auf mangelnde Transparenz. In den Kommu­nal-verwaltungen fehlen Wissen und Expertise, Querschnittsdenken und manchmal auch Zeit und ein Quäntchen Mut sich neue Ansätze von Technologie zu erschließen.

Zwischen die öffentliche Diskussion um Sensorik in den Innenstädten, den Entwurf der EU-Verordnung zu Künstlicher Intelligenz und ethische Aushandlungen im gesellschaftlichen Prozess mischen sich in den letzten Monaten neue und alte Trendthemen, wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz, Gemeinwohl und menschenzentrierte Softwaregestaltung von KI. Sie bedürfen jedoch auf praktischer Ebene noch der zielgesteuerten Ausrichtung.

Potenziale zur Verringerung von Barrieren

Wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust – KI hat Poten­ziale, zum Public Value öffentlicher Services beizutragen und gleichzeitig User Experience zu verbessern sowie Barrierefreiheit zu fördern. Aus regulatorischer Perspektive sollte im Grunde das Anstreben von Barrierefreiheit in IT-Lösungen selbstverständlicher Bestandteil von Beschaffungsprozessen, IT-Frameworks und Testszenarien sein – leider ist dies nicht überall der Fall. Digitalisierung von Prozessen, Softwaretests auf der Ebene technischer Funktionalität und guter Wille sind häufig nicht ausreichend, um das Gemeinwohl von KI-Systemen optimal zu generieren.

Künstliche Intelligenz wird heute in Social Media-Anwendungen eingesetzt, um automatische Bildbeschreibungen zu erzeugen und mit Metadaten zu ergänzen. Diese Funktion lässt sich deutlich schneller und effizienter von einem trainierten Algorithmus ausführen als vom Menschen. Software zur Bilderkennung analysiert auf Basis neuronaler Netze über die Gerätekamera Menschen, Texte und Objekte und beschreibt diese. Relevante Suchergebnisse werden angezeigt, Tiere und Pflanzen können z. B. nach ihrer Art identifiziert werden. Text-to-Speech-Lösungen wandeln auf Knopfdruck Texte in Sprachdateien um und lesen sie vor; Speech-to-Text-Anwendungen wandeln gesprochene Sprache in Text um. Marktübliche Software zur Textverarbeitung beinhaltet u. a. bereits Prüfungen auf Barrierefreiheit, die Möglichkeit, Alternativtext für Grafiken einzufügen, und eine Vorlesefunktion, die verschiedene Sprechertypen sowie eine Einstellung der Lesegeschwindigkeit anbietet. Smart Glasses können kontextsensitive und individua­lisierte Handlungsunterstützung mittels der Kombination von Eyetracking, Objekt- und Handlungserkennung und Augmented Reality darstellen. Assistenzsysteme können bei psychischen Erkrankungen Hilfe leisten.

Diese Auflistung verdeutlicht, dass es schon viele Unterstützungsmöglichkeiten auf dem Weg zur Barrierefreiheit gibt. Allerdings sind die Lösungen im Detail häufig noch ausbaufähig und auch aufgrund regulatorischer Einschränkungen nur teilweise im kommunalen Kontext einsatzbereit, akzeptiert und nutzungsfähig.

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Bild: Adobe Stock / Tierney