Die Entwicklung und teilweise damit einhergehend auch die Gestaltung und Implementierung der Vision, der Mission und des Leitbildes kann prinzipiell jeweils entweder vom Top-Management vorgegeben werden (Top-Down), in einem moderierten Prozess unter Einbeziehung möglichst aller Mitarbeitenden und externer Anspruchsgruppen kooperativ gestaltet werden (Bottom-Up) oder in einem kooperativen Prozess, in dem das Top-Management bestimmte Rahmenvorgaben trifft, die von den Mitarbeitenden und ggf. externen Anspruchsgruppen korrigiert, weiter ausgestaltet und ergänzt werden können, abgestimmt werden (Gegenstromverfahren). Gerade beim Thema Digitalisierung empfiehlt sich in der Sozia­len Arbeit ein Vorgehen, mit dem die Mitarbeitenden sowie weitere externer Anspruchsgruppen möglichst umfassend in den Prozess der Entwicklung, Gestaltung und Implementierung einbezogen werden, um eine möglichst hohe Akzeptanz bei allen internen und externen Anspruchsgruppen zu erzielen.

Die Vision, die Mission und das Leitbild bilden den Ausgangspunkt für die Entwicklung der Digitalisierungsstrategie einer Organisation. Eine Digitalisierungsstrategie beschreibt den strategischen Plan einer Organisation, der sich auf den Einsatz digitaler Technologien für die langfristige Ausrichtung einer Organisation bezieht. Sie kann eigens ausgewiesen oder in eine übergeordnete Unternehmensstrategie integriert werden, muss aber in jedem Fall auf die übergeordnete Unternehmensstrategie ausgerichtet sein. In Literatur und Praxis wird unter einer Strategie meist ein Plan verstanden, den eine Organisation bewusst entwickelt und verfolgt, um bestimmte langfristige Ziele zu definieren und diese zu verwirklichen. Eine solche Sichtweise ist letztlich jedoch unzureichend, worauf insbesondere Mintzberg et al. hingewiesen haben.(2) Nach Meinung dieser Autoren handelt es sich bei der tatsächlich realisierten Strategie einer Organisation vielmehr meist um das Ergebnis des Zusammenspiels einer bewusst geplanten Strategie, von der unter Umständen bestimmte Anteile nicht realisiert wurden, und einer Strategie, die sich im Laufe der Zeit erst herausgebildet hat. Die sich herausbildende („emergente“) Strategie einer Organisation ist die Gesamtheit der Maßnahmen, die eine Organisation im Laufe der Zeit ergriffen hat, um auf unvorhergesehene Entwicklungen und Ereignisse zu reagieren. Diese Maßnahmen waren ursprünglich zwar nicht geplant, lassen in der Rückschau aber dennoch ein Muster im Sinne eines konsistenten Verhaltens erkennen. Nach Mintzberg et al. sollten bei der Verwirklichung von Strategien diese beiden Aspekte stets berücksichtigt und miteinander in Einklang gebracht werden: „Effektive Strategien stellen das richtige Verhältnis zwischen beiden her, so dass den jeweiligen Bedingungen Rechnung getragen wird. Sie nutzen die Fähigkeit zum Vorausblick, berücksichtigen aber auch die Notwendigkeit, sich an unerwartete Ereignisse anzupassen.“(3)

Diese Überlegungen gelten bei der Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie nicht weniger, ist doch gerade hierzu zu erwarten, dass nicht alle Details im Voraus absehbar und planbar sind. Auf was es bei der Entwicklung und Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie ankommt, ist daher ein systematisches und strukturiertes Vorgehen, das beiden Aspekten – ein bewusstes und kontrolliertes Vorgehen einerseits und eine angemessene Offenheit für Lernerfahrungen andererseits – hinreichend Rechnung trägt.

Wie vorgehen? Ein 6-PhasenFramework für die Praxis

Ein geeignetes Vorgehensmodell, an dem sich Organisationen der Sozialwirtschaft bei der Planung ihres konkreten Vorgehens orientieren können, ist das 6-Phasen-Framework für die Entwicklung von Digitalisierungsstrategien nach Ricken, Wüthrich und Matt, das im Folgenden kurz vorgestellt wird.(4)

In diesem Framework vollzieht sich Digitalisierung in den vier Handlungsfeldern

  • „Digitalisierung der internen Prozesse und Produktion“,
  • „Digitalisierung der Kundenschnittstelle“,
  • „Neue digitale Produkte, Services und Geschäftsmodelle“ und
  • „Aufbau digitaler Infrastruktur und Kompetenzen“.


Diese Handlungsfelder lassen sich problemlos auf die Sozialwirtschaft übertragen und bilden auch hier einen sinnvollen Ansatz, um Bewusstsein dafür zu schaffen, welche Bereiche in einer Organisation durch Digitalisierung betroffen sein können, und um sich systematisch mit der Frage auseinandersetzen zu können, in welchen Bereichen eine Organisation eine digitale Transformation anstrebt und welcher Digitalisierungsgrad dabei beabsichtigt wird.

Für die Umsetzung des Frameworks sollte laut den Autoren ein Projektteam gebildet werden, das sich aus dem Top-Management und relevanten Entscheidungsträgern aller wichtiger Fach- bzw. Unternehmensbereiche zusammensetzt. In zeitlicher Hinsicht gehen die Autoren bei einer mittelgroßen Organisation mit 200–300 Mitarbeitenden von einer Projektdauer von zwei bis drei Monaten für die erforderlichen Interviews und Workshops aus.


2 Vgl. Henri Mintzberg, Bruce Ahlstrand, Joseph Lampel: Strategy Safari. Eine Reise durch die Wildnis des strategischen Managements, Wien 1999, S. 22 f.
3 Ebd., S. 25.
4 Vgl. Boris Ricken, Adrian Wüthrich, Christian Matt: Ein Framework zur systematischen Entwicklung und Anpassung von Digitalisierungsstrategien, in: Wirtschaftsinformatik & Management 13 (2021), S. 324–335.



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