Ganzheitliche Unterstützung schafft Perspektiven für Geflüchtete

Spannende Einblicke in Initiativen zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten bei Sitzung der PG 1.6.2

Mehr als acht Millionen Menschen aus der Ukraine wurden seit Beginn des Krieges im Februar 2022 in den Ländern Europas als Geflüchtete registriert. Über eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer haben offiziell in Deutschland Aufnahme gefunden. Die meisten sind hoch qualifiziert, möchten rasch beruflich Fuß fassen und treffen auf einen Arbeitsmarkt, der Fachkräfte dringend sucht. Trotz dieser guten Voraussetzungen sehen sich beide Seiten mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert.  Eine aktuelle Vergleichsstudie der European Union Agency for Fundamental Rights, „Fleeing Ukraine – Displaced People’s Experiences in the EU“, sieht Deutschland bei der beruflichen Integration weit abgeschlagen.

Wie wichtig ein ganzheitlicher Ansatz ist, um geflüchteten Menschen auch beruflich eine neue Perspektive zu bieten, wurde in der aktuellen Webkonferenz der AWV-Projektgruppe 1.6.2 „Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten und Asylsuchenden“ unter der Leitung von Friedrich Ebner, Ministerialdirigent a. D., und Prof. Dr. Ulrich Gartzke, Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt, thematisiert. Interessierte und Engagierte aus öffentlicher Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Ehrenamt informierten sich am 7. März 2023 zur aktuellen Situation und diskutierten vielfältige Ansätze zur besseren Integration.

Einen spannenden Blick nach Österreich ermöglichte Dr. Ian Innerhofer vom Bundeskanzleramt in Wien. Auch in unserem Nachbarland steigt der Zuzug von Menschen aus anderen Ländern seit Jahren stetig an. Die Zahlen zeigen jedoch, dass diese Zuwanderung selten für eine Arbeitsaufnahme in Österreich erfolgt und so nur begrenzt dazu geeignet ist, um dem Fachkräftemangel in einer zunehmend alternden Gesellschaft entgegenzutreten. Seit Beginn des Ukrainekrieges wurden ca. 95.000 Menschen aus der Ukraine in Österreich als Vertriebene registriert, 80 Prozent der Erwachsenen sind Frauen. Die Österreicherinnen und Österreicher stimmen der Aufnahme der Menschen aus der Ukraine mehrheitlich zu. Grundsätzlich ist eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration ein wesentlicher Faktor für eine hohe Zustimmungsrate in der Mehrheitsgesellschaft. Die Geflüchteten aus der Ukraine äußern einen großen Wunsch nach Arbeitsaufnahme, verfügen über ein hohes Bildungsniveau und zeigen Bereitschaft zum schnellen Spracherwerb.

Auf die speziellen Bedürfnisse der Ukrainerinnen und Ukrainer reagierte Österreich mit neuen Angeboten. Dazu gehören neben speziellen Online-Sprachkursen (mobile) ServicePoints, besondere Angebote in Frauenzentren, die Bereitstellung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten, das Berufseinstiegsprojekt Kompass für hochqualifizierte Frauen, Karriereplattform-Veranstaltungen oder auch ein Buddy-Programm für junge Menschen. Maß­ge­schnei­der­te Be­ratungen sollen der Überqualifizierung entgegenwirken und der geplante Wegfall der aktuell noch not­wendigen Be­schäftigungs­bewilli­gung wird den büro­kra­tischen Aufwand weiter verringern.

Eine Erfolgs­geschichte auf Länderebene ist der Integrationsansatz der Koordinierungsstelle Engagement Ukraine Sachsen-Anhalt, der ebenfalls alle Lebensbereiche berücksichtigt. Die Stelle ist bei der Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt e.V. angesiedelt und agiert landesweit als Mittler zwischen Schutzsuchenden aus der Ukraine, unterstützenden Institutionen (Ehrenamtliche, Beratungsstellen, Vereine u.v.m.) und der Landesverwaltung. Kern des Projekts ist eine mehrsprachige Hotline für Hilfesuchende, die telefonisch, per Mail oder per Messenger kontaktiert werden kann. Hier arbeitet man im Sinn einer „qualifizierten Verweisberatung“, die den Ratsuchenden als Lotsin zu den richtigen Ansprechpartnern dient.

Aktuell drehen sich besonders viele Fragen um Herausforderungen, die sich bei der Anerkennung von Abschlüssen sowie bei Übersetzungen und deren Anerkennung ergeben. Darüber hinaus bündelt die Koordinierungsstelle Informationen zu einer Vielzahl von Themen auf ihrer Website und konzipierte eine Broschüre zum Themenfeld Reisen und Rückkehr in die Ukraine, um unter anderem auf die Notwendigkeit von Abmeldungen bei Job Center, Unterkunft etc. hinzuweisen und eine Checkliste anzubieten.

Weitere Tagesordnungspunkte der Webkonferenz der PG 1.6.2 waren ein Update von Boris Berner (Pro Arbeit – Kreis Offenbach – (AöR)) zu den aktuellen Entwicklungen in einem Kommunalen Jobcenter, ein Einblick von Dr. Holger Kolb (Sachverständigenrat für Integration und Migration gGmbH) in die Ergebnisse einer Untersuchung zu Teilhabe und Prekarität von Ukrainerinnen und Ukrainern am deutschen Arbeitsmarkt, die Vorstellung der Studien Geflüchtete Frauen aus der Ukraine und Private Unterbringung ukrainischer Geflüchteter durch Dr. Ramona Rischke vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung sowie kurze Updates zu aktueller Integrationsunterstützung beim NETZWERK Unternehmen integrieren Flüchtlinge (Tetiana Bilas) und der ReDI School of Digital Integration (Janis Janowsky).

In der Abschlussdiskussion wurde das Interesse der Anwesenden an einer Fortsetzung der gemeinsamen Arbeit bekräftigt, da der Umgang mit Flucht­bewegungen eine Daueraufgabe bleiben wird, die ein Denken in langfristigen Strukturen erfordert und das Unterstützungspotenzial der Zivilgesellschaft einfordern und einbinden sollte.

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