Ein Mehr an digitalen Möglichkeiten: AWV-Interview mit Larissa Probst, Co-Leiterin des AWV-Arbeitskreises 1.6

Larissa Probst ist Geschäftsführerin des Deutschen Fundraising Verbandes e. V. in Berlin und leitet gemeinsam mit Dr. Jörg Alvermann ehrenamtlich den AWV-Arbeitskreis 1.6 "Bürokratieentlastung und Digitalisierung des Dritten Sektors und des ehrenamtlichen Engagements". In diesem Arbeitskreis der AWV werden u.a. Entlastungspotentiale durch die Digitalisierung von Verwaltung, Drittem Sektor und Engagement erörtert. Im AWV-Interview stellt Larissa Probst aktuelle Arbeitskreisthemen wie die elektronische Zuwendungsbestätigung für Spenden vor.

Frau Probst, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zur Arbeitskreisleiterin des AK 1.6 "Bürokratieentlastung und Digitalisierung des Dritten Sektors und des bürgerschaftlichen Engagements". Zunächst allgemein: Warum liegt Ihnen die Digitalisierung des Dritten Sektors am Herzen? Wie weit ist die Digitalisierung im Dritten Sektor aus Ihrer Sicht vorangeschritten?
Herzlichen Dank für die Glückwünsche. Aus meiner Sicht kann eine strategisch durchdachte und praktisch umgesetzte Digitalisierung sehr viele Barrieren für Engagementmöglichkeiten überwinden und viele Akteure wirksam verbinden. Wir können Menschen erreichen und motivieren, die sich vielleicht noch nie engagiert haben und noch nie gespendet haben. Dies gilt über die unterschiedlichen Generationen hinweg und auch über inhaltliche und internationale Grenzen hinaus. Gerade in den letzten Monaten erleben und beobachten wir durch die Einschränkungen der Pandemie, dass es zu einem großen (teilweise erzwungenen) Digitalisierungsschub kommt. Dies betrifft zunächst die Bereiche der Selbst- und Teamorganisation und Kommunikation, dann gab es digitale Mitgliederversammlungen und auch Experimentierfreudigkeit bei der Umsetzung ganz unterschiedlicher digitaler und hybrider Formate. Speziell im Fundraising haben wir eine große Vielfalt an digitalen Veranstaltungen und Flexibilität für virtuelle Treffen und Kommunikation mit potenziellen Spender*innen gesehen. Nun ist es an der Zeit, die unterschiedlichen digitalen Aktivitäten, Kanäle und Werkzeuge strategisch in ein Gesamtkonzept für die Organisationen und Initiativen zu überführen. Eine gute Verbindung zwischen den realen und digitalen "Welten" ist extrem wichtig.

Der Arbeitskreis diskutiert aktuell das Thema der elektronischen Zuwendungsbestätigung (Spendenbescheinigung). Bereits seit 2017 können Spender ihre Zuwendungsempfänger bevollmächtigen, dass diese ihre Zuwendungsdaten unmittelbar an die Finanzverwaltung übermitteln. Warum wurde das Verfahren bislang kaum angenommen? Was ist aus Ihrer Sicht zu beachten, damit dieses Digitalisierungsvorhaben den Dritten Sektor ent- und nicht belastet?
Das Thema und der damit verbundene Prozess sind noch immer sehr unbekannt, und der Teufel sitzt im Detail. Bei der Umsetzung der elektronischen Zuwendungsbestätigung können wir viel von unseren Nachbarn aus Österreich lernen. Hier gab es bei der verpflichtenden Einführung des Verfahrens enorme Schwierigkeiten, und die Hauptlast lag bei den spendensammelnden Organisationen. Es ist zunächst ein sehr großer Kommunikationsaufwand mit den Spender*innen, die (nach aktuellem Stand des Verfahrens) – zusätzlich zu den bisherigen Daten ihre Steuer-ID und ihr Geburtsdatum an die Organisationen übermitteln müssen. Das ist natürlich eine große Hürde, denn die Steuer-ID haben die wenigsten Menschen griffbereit, wenn sie direkt spenden möchten. Es stellen sich weiterhin diverse Fragen bei der Abwicklung und auch bezüglich des Datenschutzes.

Damit Zuwendungsbestätigungen von den Akteur*innen des Dritten Sektors und den Spender*innen gut genutzt werden können, sollte das Verfahren intensiv getestet und überarbeitet werden. Weiterhin muss die Implementierung des Verfahrens in den Organisationen umfangreich finanziell unterstützt werden. Denn besonders bei gemeinnützigen Organisationen, die Spenden sammeln, werden all die Investitionen in Personal, Prozesse, Software und Technik, die für die Realisierung benötigt werden, in der Öffentlichkeit und auch beispielweise von Förderstiftungen sowie dem Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen als sogenannte "Verwaltungskosten" abgewertet. Es ist also besonders schwierig, eine langfristige Finanzierung für diese Investitionen zu erhalten. Hier muss es ganz konkrete Unterstützung geben. Weiterhin sollte in die Aufklärung und das Image der digitalen Zuwendungsbestätigung investiert werden. Eine von der Zivilgesellschaft inhaltlich getragene und staatlich geförderte Kampagne für das Spenden an sich und für den Service des digitalen Verfahrens wäre ein denkbarer Baustein zum Gelingen des Digitalisierungsschrittes.

Sie sind Geschäftsführerin des Deutschen Fundraising Verbandes e. V. in Berlin. Welches sind aus Ihrer beruflichen Sicht die wichtigsten bürokratischen Hemmnisse, und wie könnte der Dritte Sektor entlastet werden?
Die Mission des Deutschen Fundraising Verbands ist die Stärkung der Kultur des Gebens. Wir vereinen dafür als gemeinnütziger Fachverband haupt- und ehrenamtliche Fundraiser*innen, Spendenorganisationen, Fundraising-Dienstleister*innen, Vertreter*innen aus Wissenschaft und Forschung und alle Personen, die sich in Deutschland für eine Kultur des Gebens einsetzen. Wir haben als Verband eine heterogene Mitgliederstruktur aus gemeinnützigen Organisationen und unternehmerisch geprägten Agenturen sowie IT-Unternehmen. Wir bekommen entsprechend bereits viele Hemmnisse aus den unterschiedlichen Bereichen direkt durch unsere Mitglieder gespiegelt.

Die "Digitalisierung" ist ein riesiges abstraktes Wort. Jede Person und jede Community hat einen ganz anderen Blick darauf. Es gibt vor allem viele ungeklärte Fragen rund um das Thema Datenschutz. Dies betrifft eigentlich alle. Auf nationaler und internationaler Ebene gibt es bisher wenig Lösungen. Mit dem Druck zur digitalen Kommunikation durch die Pandemie hat sich das nochmals verdeutlicht. Es sollte bald rechtliche Klarheit geschaffen werden. Für die Phase der komplexen rechtlichen Klärung sollte es verlässliche Handlungsempfehlungen geben. Davon sollten praktische Beratungs- und Unterstützungsangebote abgeleitet werden, die auch für einen kleinen Verein mit ehrenamtlichen Strukturen nutzbar sind.

Wo sehen Sie die Stärken des Arbeitskreises, und welche Themen möchten Sie besonders vorantreiben?
Die Atmosphäre des Arbeitskreises mit dem wundervollen Namen "Bürokratieentlastung und Digitalisierung des Dritten Sektors und des bürgerschaftlichen Engagements" habe ich als sehr vertrauensvoll und lösungsorientiert kennengelernt. Die Arbeit lebt von den sehr engagierten Mitgliedern aus den unterschiedlichen Bereichen, die ich zumeist als "Schnittstellen-Menschen" empfunden habe. Es sind Personen, denen daran gelegen ist, dass sich die unterschiedlichen Fachbereiche, Verantwortlichkeiten und Sektoren sinnvoll ergänzen und die Barrieren des Zusammenwirkens abgebaut werden können. Es existieren ein großer Wissensschatz und ein breites Netzwerk in dem Arbeitskreis. In sogenannten "Werkstattgesprächen" lässt man gegenseitig Einblicke in laufende Projekte und Vorhaben zu, im Vertrauen darauf, dass gemeinsam am Gelingen gearbeitet wird. Die Entwicklungen im  Gemeinnützigkeitsrecht, Datenschutz und e-Privacy und die diversen Digitalisierungsvorhaben werden uns weiterhin beschäftigen. Es ist mir ein Anliegen, die Schwerpunkte mit den anderen Mitgliedern des Arbeitskreises zu besprechen und zu erarbeiten. Die Ergebnisse sollten dann möglichst vielen Akteuren zur Verfügung gestellt werden. Darauf freue ich mich.


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