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Bestanden? Beschleunigungspakt im Realitätscheck

Nachbericht über die Veranstaltung von AWV, BDI und DIHK in Berlin

Adobe Stock / Iartestudio

Um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu sichern, die Digitalisierung voranzutreiben und eine leistungsfähige Infrastruktur zu gewährleisten, sind schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren auf allen Verwaltungsebenen wichtig. Am 6. November 2023 beschlossen der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz und die Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer deshalb den „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“, den sogenannten Bund-Länder-Beschleunigungspakt.

Zwei Jahre nach dessen Inkrafttreten organisierten die AWV, der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) und die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) am 4. November 2025 gemeinsam die Veranstaltung „Zwei Jahre Beschleunigungspakt im Realitätscheck“ im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin. Ziel des „Realitätschecks“ war es, eine kritische Zwischenbilanz zu ziehen, Fortschritte aufzuzeigen und neue Impulse für die weitere Umsetzung zu setzen. Rund 90 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung folgten der Einladung – darunter auch hochrangige Gäste aus Bund und Ländern.

Erwartungen und Realität: Wirtschaft zieht Zwischenbilanz

DIHK-Vizehauptgeschäftsführer Dr. Achim Dercks eröffnete die Veranstaltung mit einer klaren Botschaft: Nach dem Start des Pakts vor zwei Jahren seien die Erwartungen an spürbare Fortschritte groß gewesen – doch das bisherige Umsetzungstempo reiche nicht aus, um die ambitionierten Ziele zu erreichen. Zwar seien Erkenntnisse vorhanden, es fehle jedoch an Konsequenz in der Umsetzung. Besonders betonte Dercks die Bedeutung eines systematischen Monitorings, wie etwa durch den DIHK-Beschleunigungsmonitor. Darüber hinaus forderte er einen kulturellen Wandel in der Verwaltungspraxis: Es brauche eine „Ermöglichungskultur“, die gesetzliche Rahmenbedingungen als Werkzeuge zur Beschleunigung versteht – nicht als Hürden.

Politische Impulse aus Bund und Ländern

Staatssekretär Dr. Jörg Semmler (Bundeskanzleramt) erinnerte in seiner Keynote daran, dass der Pakt noch unter der vorherigen Bundesregierung beschlossen wurde, heute aber ein zentraler Bestandteil der Reformagenda sei. Mit dem Sofortprogramm „Investitions-Booster“ seien wichtige Weichen gestellt worden. Die föderale Modernisierungsagenda werde am 4. Dezember bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz weiter konkretisiert. Semmler stellte die Bundesagenda zur Staatsmodernisierung vor. Dazu gehören 80 Einzelmaßnahmen wie die 24-Stunden-Gründung, die internetbasierte Fahrzeugzulassung und das geplante Infrastrukturzukunftsgesetz. Das neu geschaffene Bundesministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung (BMDS) koordiniere die Maßnahmen ressortübergreifend, betonte Semmler. Die Initiative „Handlungsfähiger Staat“, die von der Medienmanagerin und Aufsichtsrätin Julia Jäkel, den früheren Bundesministern Peer Steinbrück und Thomas de Maizière sowie dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle gegründet wurde, bilde dabei die strategische Klammer.

Staatssekretär Paul Frederik Höller (NRW) brachte eine Perspektive der Bundesländer ein. Er unterstrich die zentrale Rolle der Länder bei der Umsetzung des Pakts und betonte, dass Bürokratieabbau vor allem bedeute, Prioritäten zu setzen. Als konkrete Beispiele aus NRW nannte er die Task Force Mobilfunk, die sämtliche Maßnahmen des Pakts umgesetzt habe, sowie vereinfachte Verfahren beim Windenergieausbau. Besonders hob er das „Board für Entlastung und Beschleunigung“ hervor, aus  dem 764 Vorschläge aus 111 Verwaltungen eingegangen seien – ein starkes Signal aus der Praxis. Für Anfang 2026 kündigte Höller eine medienbruchfreie Kollaborationsplattform für Planungs- und Genehmigungsverfahren an, die gemeinsam mit Bundesministerium des Innern (BMI) und BMDS entwickelt werde. Ziel sei es, den Staat nicht nur wirtschaftlich, sondern gesamtgesellschaftlich wettbewerbsfähig zu machen.

 

Nach Impulsen von Staatssekretär Dr. Jörg Semmler (Bundeskanzleramt, oben) und Staatssekretär Paul Frederik Höller (NRW, unten) moderierte Uta Maria Pfeiffer (BDI, unten sitzend ganz links) die Paneldiskussion. Die Teilnehmenden unterzogen den Bund-Länder-Pakt einem Realitätscheck aus der Perspektive von Wirtschaft, Verwaltung und Politik. Fotos: Jens Schicke

 

Paneldiskussion: Bund-Länder-Pakt auf dem Prüfstand

Uta Maria Pfeiffer (BDI) moderierte die anschließende Paneldiskussion. Durch den offenen Austausch über Ziele, Herausforderungen und Umsetzungsperspektiven des Bund-Länder-Paktes wurde deutlich: Der Pakt ist mehr als ein Maßnahmenkatalog – er ist ein Prüfstein für die Handlungsfähigkeit des Staates. Ulrike Janssen (LEG-Immobilien-Gruppe) bezeichnete das „Bauturbo“-Gesetz als erstes greifbares Ergebnis, verwies aber zugleich auf die noch ausbaufähige Umsetzung in den Kommunen. Es brauche mehr Mut und Entschlossenheit auf lokaler Ebene, um die Potenziale des Pakts voll auszuschöpfen. Daniel Kölbl (MdB, CDU) betonte die Komplexität der Gesetzgebung und die Notwendigkeit ressortübergreifenden Denkens. Kein Ressort dürfe sich als Insel begreifen – Teamarbeit sei entscheidend. Daniel Rinkert (MdB, SPD) verwies auf die Monitoring-Ergebnisse, wonach über die Hälfte der Maßnahmen bereits angestoßen seien. Er sprach sich für eine zentrale Steuerung im Bundeskanzleramt aus, um politische Rückendeckung und Koordination zu sichern. Andrea Wicklein (Nationaler Normenkontrollrat) unterstrich die Bedeutung von Praxischecks und Reallaboren und warnte vor der Überforderung durch Regelungsdichte. Sie plädierte für eine kritische Überprüfung bestehender Vorschriften und mehr Mut zur Vereinfachung. Mario Meinecke (TenneT) ergänzte die Perspektive der Wirtschaft und forderte eine konsequente Ausrichtung der Gesetzgebung an EU-Richtlinien. Entwürfe müssten „europakompatibel“ und praxisnah gestaltet sein.

Die Panelisten waren sich einig: Es braucht mehr Vertrauen, Risikobereitschaft und Ehrlichkeit im politischen Prozess, um den Pakt mit Leben zu füllen. Bürgerbeteiligung müsse ernst genommen und transparent gestaltet werden – insbesondere bei der Kommunikation von Kosten, Zielkonflikten und notwendigen Kompromissen.

Vertiefungsworkshops: Industrie, Bau und Infrastruktur im Fokus

Drei themenspezifische Workshops boten am Nachmittag vertiefende Einblicke in die Umsetzung des Pakts:

Industrie

Moderiert von Catrin Schiffer (BDI) und Dr. Christine Brockmann (AWV), diskutierten Thomas Meyer (Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg), Christian Moser (MdB, CSU), Renée Röske (Evonik Industries AG), Matthias Sauer (Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit) und Julia Szincsak (Follmann Chemie GmbH) über die Herausforderungen überkomplexer Regelungen. Gefordert wurden mehr Praxischecks, eine stärkere Ausrichtung auf Umsetzbarkeit und ein Kulturwandel in Behörden. Besonders hervorgehoben wurde das Projekt AGuZ+ des Bundesumweltministeriums zur Harmonisierung digitaler Verfahren. Die Industrie brauche nicht nur regulatorische Entlastung, sondern auch Vertrauen und Entscheidungsfreude. Es gelte, Spielräume zu nutzen und Fehler als Teil des Fortschritts zu akzeptieren.

Bau

In dem Workshop unter der Leitung von Karoline Preuß (DIHK) und Hauke Dierks (DIHK) wurde deutlich, wie sehr lange Verfahren Investitionsprojekte gefährden. Der Beschleunigungsmonitor Baurecht zeigt: Alle Bundesländer arbeiten aktiv an der Optimierung ihrer Bauordnungen. Robert Klaus (Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, Hamburg) präsentierte ein gelungenes Beispiel für Stakeholder-Kooperation. Christoph Vollmer (Ministerium für Inneres und Bau Mecklenburg-Vorpommern) betonte die Potenziale digitaler Bauanträge als zentralen Hebel zur Beschleunigung. Medienbruchfreie und standardisierte Prozesse seien das Ziel. Die Diskussion zeigte, dass die Baubeschleunigung nicht nur technische, sondern auch kulturelle Veränderungen erfordert – etwa in der Zusammenarbeit zwischen Bauämtern, Projektträgern und politischen Entscheidungsträgern.

Infrastruktur

Der Fokus des von Dr. Katrin Sobania (DIHK) und Dr. Marco Brunzel (AWV) moderierten Workshops lag auf digitalen Lösungen zur Beschleunigung von Verfahren im Straßenraum und bei Netzinfrastrukturen. Diskutiert wurde mit Jürgen Besler (infreSt GmbH), Volker Buck (WEMAConnect GmbH), Philipp Grün (BMDS), Alexander Pohl (Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung Rheinland-Pfalz), Simon Sauerbier (ekom21), Sonja Strube Martins (WIK) und Martina Westhues (Deutsche Telekom AG) u. a. das OZG-Breitbandportal, Kooperationen mit Telekommunikationsanbietern, internationale Perspektiven (Belgien, Frankreich, Dänemark) sowie die Idee der GovTech-Plattform. Ein digitaler Folgeworkshop wurde angeregt, um den Austausch zu vertiefen. Die Teilnehmenden betonten, dass digitale Infrastruktur nicht nur technische Basis, sondern strategisches Rückgrat für die Verwaltungsmodernisierung sei.

Ausblick: Gemeinsamer Auftakt für die Umsetzung

Abschließend fasste AWV-Vorständin Dr. Christine Brockmann die Ergebnisse der Veranstaltung für das Plenum zusammen und gab einen Ausblick auf die nächsten Schritte. Die Ergebnisse der Workshops werden systematisch ausgewertet und dem Bundeskanzleramt sowie weiteren Ressorts zur Verfügung gestellt. Ziel ist es, den begonnenen Dialog zu vertiefen und konkrete Umsetzungsschritte zu begleiten.

Dr. Christine Brockmann, die Mitglied im AWV-Vorstand ist und gemeinsam mit AWV-Vorstandsmitglied Dr. Marco Brunzel den AWV-Arbeitskreis „Digitalisierung und Beschleunigung raumbezogener Genehmigungsverfahren“ leitet, moderierte die Veranstaltung. Foto: Jens Schicke

AWV, BDI und DIHK verstehen die Veranstaltung nicht als Abschluss, sondern als Auftakt, um den Beschleunigungspakt wieder ins Rampenlicht zu rücken und gemeinsam mit Bund und Ländern an einer modernen, leistungsfähigen Verwaltung zu arbeiten.

Dr. Brockmann dankte abschließend allen Mitwirkenden für die engagierte Beteiligung und die konstruktive Zusammenarbeit. Der Bund-Länder-Beschleunigungspakt bleibe ein zentrales Instrument, um die Transformation des Staatswesens aktiv zu gestalten – mit Mut, Pragmatismus und gemeinsamer Verantwortung.

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