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Von der EfA-Lösung zum Plattform-Ökosystem: Die Evolution der Digitalen Baugenehmigung

vonChristoph Vollmer | Ministerium für Inneres und Bau Mecklenburg-Vorpommern

Adobe Stock / Joke Phatrapong

Eine der komplexesten Lebenslagen im OZG-Katalog ist das Themenfeld „Bauen und Wohnen“. Expertinnen und Experten in Mecklenburg-Vorpommerns Landesministerium für Inneres und Bau sahen die Herausforderung als Chance, und entwickelten eine digitale Baugenehmigung als zentral gehostete Plattform. Die Lösung war so erfolgreich, dass sie bundesweit ausgerollt wurde.

Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland erhielt durch das Onlinezugangsgesetz (OZG) einen entscheidenden Impuls. Für uns als Land Mecklenburg-Vorpommern war dies der Startschuss für eine umfassende Modernisierung. Bund und Länder verpflichteten sich, ihre Verwaltungsleistungen digital anzubieten. Angesichts von über 6.000 Einzelleistungen war diese Mammutaufgabe nur durch eine strukturierte, kooperative Herangehensweise zu bewältigen.

Zwei Prinzipien wurden dabei zentral: die Nutzerzentrierung, die den Bürger in den Mittelpunkt unserer Entwicklungen stellt und das „Einer-für-Alle“-Prinzip (EfA). Das EfA-Prinzip, bei dem ein Bundesland eine Leistung zentral entwickelt und anderen zur Mitnutzung bereitstellt, sahen wir als Chance, Redundanzen zu vermeiden und Standards zu etablieren.

Die Federführung Mecklenberg-Vorpommerns: Das Themenfeld „Bauen und Wohnen“

Eine der komplexesten Lebens-lagen im OZG-Katalog ist das Themenfeld „Bauen und Wohnen“. Wir übernahmen hier die Federführung für 57 OZG-Leistungen. Nach Abgaben an andere Länder verblieb die Umsetzungsverantwortung für 47 OZG-Leistungen in sieben Umsetzungsprojekten.

Unser Kern- und Leuchtturmprojekt in diesem Themenfeld wurde die digitale Baugenehmigung. Wir konzipierten sie als EfA-Dienst, um 54 LeiKa-Leistungen in 26 Onlinediensten gebündelt zur Verfügung zu stellen (Der Leistungskatalog, abgek. LeiKa, ist ein Verzeichnis der Verwaltungsleistungen des Bundes, der Länder und Kommunen).

Das Herzstück: Die technische Plattform und der Vorgangsraum

Die in Mecklenburg-Vorpommern entwickelte Lösung ist mehr als nur ein Antragsformular; sie ist eine zentral gehostete Plattform mit standardisierten Schnittstellen und Konformität zum XÖV-Standard. XÖV bezeichnet die fachlichen Standards für die elektronische Übertragung von Informationen zwischen Behörden in Deutschland. Die Plattform wird zentral in Mecklenburg-Vorpommern betrieben und aktuell 13 mitnutzenden Ländern bereitgestellt. Bislang wurden ca. 54.000 Anträge in 377 für Bürger erreichbaren unteren Bauaufsichtsbehörden bearbeitet (Stand: Oktober 2025).

Das Zentrum der Nutzererfahrung bildet unser Vorgangsraum, der in zwei Bereiche geteilt ist:

Vorgangsraumbereich: Antragsteller

Dieser Bereich ermöglicht es Bürgern und Unternehmen, Anträge kollaborativ zu erstellen und freizuzeichnen, Nachrichten sicher zu versenden, Unterlagen nachzureichen, den Status ihres Verfahrens einzusehen, Bescheide digital zu empfangen und Gebühren digital zu bezahlen.

Vorgangsraumbereich: Sachbearbeitung

Die Behördenseite kann Anträge empfangen, den Status setzen, Nachrichten versenden und Unterlagen nachfordern, Gebühren erheben und Bescheide zustellen. Ein entscheidender Faktor ist die Fähigkeit, digitale Beteiligungen mit internen und externen Stellen (z. B. Fachämtern) durchzuführen.

Dieser Vorgangsraum ist über Schnittstellen an die Peripheriesysteme der Verwaltung angebunden, wie den Portalverbund, Bund.ID/MUK für die Authentifizierung, Zahlungsverkehrsplattformen sowie die Fachverfahren (Xbau/XTA), Dokumentenmanagementsysteme (DMS) und Register der Behörden.

Erfolg und Herausforderung: Der bundesweite Rollout

Wir freuen uns, dass der Ansatz aus Mecklenburg-Vorpommern ein voller Erfolg war. Im OZG-Abschlussbericht wurde die digitale Baugenehmigung als Best Practice und richtungsweisendes Beispiel für erfolgreiche Verwaltungsmodernisierung gewürdigt. Landesbauminister Christian Pegel betonte: „Wir zeigen, dass föderale Zusammenarbeit und konsequente Standardisierung zu Lösungen führen, die bundesweit Maßstäbe setzen“.
Dieser Erfolg führte jedoch zur größten Herausforderung: dem bundesweiten Rollout. Das Problem: Baurecht ist Landesrecht. Ein EfA-Dienst muss daher zwingend auf die spezifischen Anforderungen und Prozesse des jeweiligen nachnutzenden Landes angepasst werden. Hinzu kommt eine heterogene Systemlandschaft bei den Fachverfahrensherstellern in den einzelnen Vollzugsbehörden.

Um diesen komplexen Rollout zu steuern, implementierten wir eine dedizierte Task Force, unterstützt durch BearingPoint. Diese Task Force nutzt standardisierte Templates und Prozesse, koordiniert die Kommunikation mit Fachverfahrensherstellern und unterstützt die Behörden bei der Einführung durch bestehende Vorlagen und Prozesse.

Der Umsetzungsstand zeigt die Dimension des Rollouts (Stand: 29. Oktober 2025): Von 863 unteren Bauaufsichtsbehörden (uBAB) in den teilnehmenden Ländern haben sich 621 zur Mitnutzung gemeldet. In 488 Behörden wurde der Referenz-Vorgangsraum eingerichtet, in 377 der Produktiv-Vorgangsraum. Über 53.400 Anträge wurden bereits über unsere Plattform eingereicht.

Die Evolution hat begonnen: Vom EfA-Dienst zum Plattform-Ökosystem

Als Geschäftsstelle der Digitalen Baugenehmigung treiben wir die Transformation von einer reinen OZG-Leistung hin zu einem modularen Plattform-Ökosystem voran, gestützt auf vier Kernbausteine:

  1. Digitale Assistenten (Wegweiser)

    Um Bürger bei komplexen Bauanträgen zu unterstützen und Behörden von Schlichtfragen (ca. 1.150 Std./Jahr) zu entlasten, entwickeln wir digitale Wegweiser. Diese assistieren bei der Antragstellung und sollen künftig als „digitaler Sachbearbeiter“ Workflows steuern, was ca. 144 Personentage einsparen könnte.
     

  2. Prozessautomatisierung (Law-as-Code)

    Wir automatisieren auch nachgelagerte Prüfprozesse, gestützt auf das Verwaltungsverfahrensgesetz (§ 35a VwVfG). Mittels Rulemapping und Legal-Tech erproben wir die (Teil-)Automatisierung von Genehmigungen, wobei wir bereits mit Thüringen kooperieren.
     

  3. Building Information Modeling (BIM)

    Zur Reduzierung manueller Prüfungen integrieren wir 3D-Modelle (BIM). Unser Stufenmodell reicht vom reinen Upload (IFC-Dateien) bis zur automatisierten Datenextraktion und Berechnung von Prüfgrößen. Hierbei kooperieren wir mit Partnern wie Baden-Württemberg und dem Projekt BRISE aus Wien.
     

  4. Die Ende-zu-Ende Plattform (H2-Plattform)

    Unsere Rollout-Erfahrungen fließen in ein größeres Vorhaben ein. Pilotprojekt ist die H2-Plattform für die Genehmigungsverfahren des nationalen Wasserstoff-Kernnetzes. Die Vision ist ein Mikroservice-Ökosystem, das verschiedene Plattformkomponenten kombiniert, um den gesamten Prozess von der Planung bis zur Genehmigung abzubilden.

Ausblick: Die Zukunft des Ökosystems

Die digitale Baugenehmigung ist somit der Nukleus für eine weitreichende Plattformökonomie in der Verwaltung. Unsere strategische Ausrichtung geht weit über die reine Antragsstellung hinaus und zielt auf ein integriertes digitales Ökosystem. Künstliche Intelligenz wird künftig eine Schlüsselrolle einnehmen, um sowohl die Sachbearbeitung durch KI-gestützte Agenten zu beschleunigen als auch Bürgern durch virtuelle Assistenten einen 24/7-Support zu bieten. Parallel dazu treiben wir die Vision einer datengetriebenen Verwaltung voran, in der Genehmigungsverfahren durch Legal-Tech-Lösungen und den Aufbau digitaler Repositorien für Rechtsnormen (Law-as-Code) weiter automatisiert werden.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die vollständige Integration von Building Information Modeling (BIM), die über die reine Visualisierung hinausgeht und eine automatisierte Fachprüfung von Modellen ermöglichen soll. Diese Entwicklung ist eng verknüpft mit der Schaffung von Digital Twins für Smart Cities, bei denen 3D-Stadtmodelle und Augmented-Reality-Anwendungen die Planungs- und Entscheidungsprozesse unterstützen. Gleichzeitig wird die Plattform zu einem zentralen Daten-Hub ausgebaut, beispielsweise durch die Bereitstellung neuer Datendienste wie der novellierten Hochbaustatistik.

Fazit

Als Land Mecklenburg-Vorpommern haben wir mit der Digitalen Baugenehmigung nicht nur eine OZG-Pflichtaufgabe als „Best Practice“ erfüllt. Wir haben eine skalierbare, föderale Plattform geschaffen, die sich nun zu einem echten Ökosystem für die Verwaltungsdigitalisierung weiterentwickelt. Unser Weg von einer Einzelleistung hin zu einer modularen Ende-zu-Ende-Plattform, die KI, BIM und Prozessautomatisierung integriert, zeigt eindrucksvoll, wie föderale Zusammenarbeit die Verwaltungsmodernisierung in Deutschland maßgeblich vorantreiben kann.

Der Autor hat das Thema im Rahmen der Veranstaltung „Zwei Jahre Beschleunigungspakt im Realitätscheck. Wo stehen Industrie, Bau und Infrastruktur?” am 04.11.2025 sowie im Rahmen einer Sitzung des AWV-Arbeitskreises 1.5 „Digitalisierung und Beschleunigung raumbezogener Genehmigungsverfahren” vorgestellt. 

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