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„Verrechnungspreise im Wandel“ – Ein Rückblick mit Werner Thumbs

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Werner Thumbs, Leiter des AWV-Arbeitskreises „Verrechnungspreise“, hat im Mai 2025 zum siebten und seiner Entscheidung nach letzten Mal die Moderation der AWV-Fachtagung Verrechnungspreise übernommen. Auf seine Initiative hin hatte der Arbeitskreis die Veranstaltungsreihe unter seiner Leitung konzipiert und organisiert. Nun verabschiedet er sich aus dieser Funktion. Grund genug, gemeinsam zurückzublicken.
AWV: Herr Thumbs, Sie haben kürzlich Ihren letzten Bericht über die AWV-Fachtagung Verrechnungspreise verfasst. Wie blicken Sie persönlich auf diese Veranstaltungsreihe zurück?
Werner Thumbs: Für mich war das tatsächlich ein sehr emotionaler Moment. Es war wirklich mein letzter Tagungsbericht über unsere Verrechnungspreistagungen – ein guter Anlass, die Geschichte Revue passieren zu lassen. Ich habe dafür auch noch einmal in alten Unterlagen geschmökert – das war wirklich spannend und ein Genuß. In sieben Veranstaltungen hat sich viel verändert: thematisch, in der Herangehensweise und beim Teilnehmerkreis. Ich hoffe, dass mein Rückblick, den die AWV freundlicherweise in den gedruckten AWV-Informationen veröffentlicht, nicht nur nostalgisch wirkt, sondern auch die Entwicklung plastisch macht.
Wann und wie begann eigentlich die Geschichte dieser Veranstaltungen?
Genau genommen begann alles schon 2003 mit einer kleineren Podiumsveranstaltung, die bereits unter dem „Label” AWV stattfand. Damals traten erste Vorschriften zu Verrechnungspreisen in Kraft, und ich durfte einfach mal erzählen, was ich zur Preisermittlung für sinnvoll hielt und in meinem damaligen Unternehmen auch schon umgesetzt hatte – im Vergleich zu dem, was heute gefordert wird, sehr freundlich mit rudimentär zu beschreiben. Es war eine Zeit, in der man mit wohlwollender Aufmerksamkeit rechnen konnte – auch seitens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), aber tatsächlich auch seitens der Betriebsprüfung. Die erste offizielle Verrechnungspreistagung fand dann im Oktober 2009 statt – mit bereits 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmern!
Welche Themen dominierten damals – und was ist geblieben?
2009 sprachen wir schon über Funktionsverlagerung, Bewertungsfragen, Zölle, konzerninterne Finanzierungen, immaterielle Wirtschaftsgüter – Themen, die uns bis heute begleiten. Auch APA und MAP wurden früh behandelt. Klar wurde uns schon damals: Es gibt nicht den einen richtigen Transferpreis.
Gab es ein festes Veranstaltungskonzept?
Ja, ab 2012 etablierten sich zwei große Podiumsdiskussionen, meist mit Fallbeispielen, und zwei Workshop-Blöcke – ein Konzept, das sich bis heute bewährt hat und das wir deshalb so beibehalten haben. Die Themen wandelten sich, doch es gab kaum Themen, die jemals komplett von der Agenda verschwanden. Ein Meilenstein war, als uns die UN als alternativer Player zur OECD auffiel – mit eigenen Interessen und Konflikten. Das hat offensichtlich auch die OECD in einen gewissen Wettbewerbsdruck versetzt. Schon 2012 sprachen wir über den Authorized OECD Approach (AOA) – und über das Projekt der OECD zur Bekämpfung von „Base Erosion und Profit Shifting“ (BEPS). Bei allem Verständnis für die Beweggründe: Unsere Angst vor wachsender Bürokratie hat sich leider bestätigt.
Wie hat sich das Thema BEPS auf Ihre Veranstaltungen ausgewirkt?
BEPS wurde immer präsenter – 2014 war es sogar titelgebend. Themen wie die Operationalisierung von Verrechnungspreisen und Joint Audits gewannen an Bedeutung. Besonders spannend waren Praxisberichte, und auch die Teilnehmerdiskussionen wurden zunehmend fachkundiger. Ein echter Qualitätsgewinn. Wenn man so möchte, dann geht viel von dieser „Professionalisierung der Verrechnungspreise“ auf BEPS zurück. Und: die Aufmerksamkeit für dieses Projekt hat auch dafür gesorgt, dass die notwendigen Abteilungen ausgebaut werden konnten. Das ist eben nicht nur die Funktion Steuern, sondern auch das Controlling – womit wir wieder bei der Operationalisierung sind.
2018 war eine Rekordveranstaltung, richtig?
Richtig. Unter dem Titel „Quo Vadis, Fremdvergleich?“ hatten wir fast 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – damals ein logistisches Limit. Themen waren unter anderem die US-Steuerreform, DEMPE-Regeln und die Digitalisierung der Besteuerung. Auch hier zeigte sich: Der Arbeitsplatz von TP-Fachleuten ist sicher – nicht zuletzt wegen der steigenden Komplexität und den Dokumentationspflichten.
2020 war eine Zäsur. Wie ging es danach weiter?
Die Fachtagung 2020 war – wenn ich mich richtig erinnere – schon komplett durchgeplant – dann kam Corona. Erst 2023 konnten wir im Kongresszentrum Ingelheim neu starten. Es fühlte sich wie ein großes Klassentreffen an – nach fünf Jahren Pause. Wir hielten am Grundmodell fest, testeten aber auch interaktivere Workshopformate. OTP und der Einsatz von KI prägten das Programm stark. Damals dachte ich schon, einen Blick in die Zukunft geworfen zu haben – 2025 wurde ich da aber eines Besseren belehrt.
Was hat die jüngste Tagung 2025 aus Ihrer Sicht besonders gemacht?
Das waren drei Dinge: Unter dem Titel „Verrechnungspreise im Wandel. Rechtliche und technologische Perspektiven“ zeigte sich, wie sich Protektionismus und abnehmender Kompromisswille der Staaten auf das Verfahrensrecht auswirken. Besonders beeindruckt hat mich aber der technologische Fortschritt. Zwar ersetzt eine KI-generierte Dokumentation keine heutige, aber was technisch möglich ist, hat mich sehr fasziniert. Der dritte Punkt ist wahrscheinlich offensichtlich: Es wussten ja alle, dass es meine letzte Tagungsleitung sein würde, auch wenn es natürlich nur für mich persönlich von großer Relevanz ist.
Den letzten Punkt sehen wir als AWV vielleicht anders. Aber was nehmen Sie persönlich aus all den Jahren mit?
Kleine Ursache, große Wirkung: Ich weiß noch, dass ich einfach mal so in den Raum geworfen hatte, ob wir nicht einmal(!) eine Tagung mit einem Teilnehmerkreis ohne Beschränkung auf unseren AK durchführen sollten. Dass daraus so eine renommierte und erfolgreiche Serie von Veranstaltungen werden könnte, daran habe zumindest ich überhaupt nicht gedacht. Es war mir eine große Ehre, die Reihe mitgestalten zu dürfen. Es sagte auch einmal jemand: „Das haben wir im Arbeitskreis von Herrn Thumbs besprochen.“ Diese Verbindung von AK und Tagung zu mir ehrt mich schon sehr. Es hat viel Arbeit gemacht – vor allem den Kolleginnen und Kollegen der AWV –, aber es hat sich gelohnt. Dass hochqualifizierte Teilnehmer mir sagten: „Hier kommen wir selbst zur Fortbildung, zu den klassischen kommerziellen Anbietern schicken wir unsere Mitarbeiter zur Ausbildung“, ist wirklich mal so gesagt worden und war ein riesiges Kompliment. Ich bin sicher: Die Veranstaltung wird sich weiterentwickeln. Vielleicht mit anderem Gesicht – aber sicher nicht weniger erfolgreich. Und sicher noch für sehr viele Jahre, denn uns geht die Arbeit wirklich nicht aus.
Herr Thumbs, herzlichen Dank für das Gespräch – und für Ihren langjährigen Beitrag zum Austausch in der Verrechnungspreisfachwelt.
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