Kommentierung zur Entgeltbescheinigungsverordnung

AWV veröffentlicht aktualisierte Handreichung für Arbeitgeber und Softwarehäuser

Am 16. Dezember 1976 teilte der gerade als Bundeskanzler bestätigte Helmut Schmidt in seiner Regierungserklärung dem Deutschen Bundestag mit, dass er sich zuweilen undurchsichtigen Formularen ausgeliefert fühle:

„Ich verstehe auch meine eigene Gehaltsabrechnung nicht. Es gibt wahrscheinlich Millionen von Menschen, die ihre eigene Lohnabrechnung nicht nachvollziehen können. Das hat nichts mit allgemeinem Kulturpessimismus zu tun, sondern das hat damit zu tun, dass es in den Büros, die das machen, Leute gibt, die sich nicht in die Lage ihrer Konsumenten versetzen.“(1)

Viel Zeit ist seit diesem – auch durch einen Spot von Loriot(2) recht bekannten – Eingangszitat vergangen, was die Frage aufwirft, ob die Lohn- und Gehaltsabrechnungen heutzutage verständlicher sind. Dies mag jeder mit einem Blick auf seine eigene Abrechnung für sich selbst beantworten und ist bestimmt nicht immer der Fall. Aber man muss an dieser Stelle eine Lanze für die vom Altkanzler gescholtenen „Leute in den Büros, die das machen”, brechen. Denn die haben es mit der komplexen Materie nicht leicht. Wie so häufig steckt der Teufel im Detail. Dabei liest sich die gesetzliche Grundlage noch verhältnismäßig einfach:

„Dem Arbeitnehmer ist bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Die Abrechnung muss mindestens Angaben über Abrechnungszeitraum und Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthalten. Hinsichtlich der Zusammensetzung sind insbesondere Angaben über Art und Höhe der Zuschläge, Zulagen, sonstige Vergütungen, Art und Höhe der Abzüge, Abschlagszahlungen sowie Vorschüsse erforderlich.“(3)

So weit, so gut, aber auch unkonkret. Standardisierung tut Not. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2008 der § 108 GewO um einen neuen Absatz 3 erweitert, wonach das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ermächtigt wurde, das Nähere zum Inhalt der Entgeltbescheinigung durch Rechtsverordnung zu bestimmen.

Auf Basis dieser Ermächtigung erblickte zum 1. Januar 2013 die Entgeltbescheinigungsverordnung (EBV) das Licht der Welt und löste die für einen Übergangszeitraum maßgebliche, aber unverbindliche Entgeltbescheinigungsrichtlinie ab. Neben der Information der Beschäftigten – im Schmidtschen Eingangszitat als „Konsumenten“ bezeichnet – verfolgt die EBV das Ziel, den Sozialleistungsträgern/Familiengerichten mit einer normierten Entgeltbescheinigung bundesweit einheitliche Angaben zur Verfügung zu stellen. Dabei zwingt die EBV zu Transparenz: Es sind sämtliche Be- und Abzüge und deren Auswirkungen auf das definierte Gesamtbruttoentgelt, den steuerpflichtigen Arbeitslohn und das Sozialversicherungsbruttoentgelt darzustellen. Mit Vorlage der EBV-konformen Bescheinigungen sind die Beschäftigten selbst in der Lage, ihren Verdienst im Bedarfsfall nachzuweisen. Dies wurde bspw. für den Bereich des Elterngeldes durch entsprechende gesetzliche Regelungen umgesetzt.

Zeitgleich mit dem Inkrafttreten der EBV zum 1. Januar 2013 hatte die Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung (AWV) auf Bitten und unter Mitwirkung des verordnungserlassenden BMAS eine praxisbezogene Umsetzungs- und Anwendungshilfe zur Entgeltbescheinigungsverordnung erstellt. Mit dieser Kommentierung und der zugehörigen Anlage (Fallbeispiele) wurden und werden Softwarehäuser und Arbeitgeber bei der Einrichtung unterstützt und konkrete Fragen geklärt. Weitere Zielgruppe sind die empfangenden Behörden, die in der Lage sein müssen, die relevanten Informationen in der Abrechnung zu erkennen. Denn trotz der Normierung durch die EBV bleiben gewisse Spielräume bei der Gestaltung der Entgeltbescheinigung, so dass diese nie ganz gleich aussehen.

Die EBV hat zwischenzeitlich mehrere Änderungen erfahren. So wurde insbesondere mit dem 8. SGB IV-Änderungsgesetz vom 20. Dezember 2022 die Angabe von pauschal besteuerten Bezügen nach Einkommensteuergesetz normiert. Und auch die sog. „Gleitzone“ heißt inzwischen „Übergangsbereich“. Aus diesem Grund war eine Überarbeitung der von der AWV bereitgestellten Kommentierung geboten. Dies erfolgte in einer Vielzahl von intensiven Abstimmungsrunden der wiederbelebten AWV-Projektgruppe „EBV Kommentierung“ des AWV-Arbeitskreises 2.18 „Vereinheitlichung der Bescheinigung in der Lohn- und Gehaltsabrechnung“. Als Ergebnis intensiver Arbeit stehen nun die überarbeitete Kommentierung zur EBV und die dazugehörige Anlage „Fallbeispiele“ seit dem 1. November 2023 in der Version 1.1 zum Download (PDF-Datei; 0,9 und 0,6 MB) bereit:

→ zum Download der Kommentierung der EBV und der dazugehörigen  Anlage „Fallbeispiele“, Version 1.1

Wir bedanken uns herzlich bei allen aus dem AWV-Arbeitskreis 2.18, die bei der umfangreichen Aktualisierung mitgewirkt haben und freuen uns auf Feedback aus der Praxis, denn die Kommentierung ist ein lebendes Dokument, welches fortgeschrieben wird. Offenbleiben muss an dieser Stelle die Frage, ob Kanzler Schmidt nach einem Blick in die Kommentierung seine Gehaltsabrechnung besser verstanden hätte – wir hoffen es jedenfalls.


1 Helmut Schmidt: Regierungserklärung vor Dem Deutschen Bundestag 16. Dezember 1976. Bonn: Presse- u. Informationsamt d. Bundesregierung; 1976.
2 Loriots Clip mit Helmut Schmidt finden Sie auf der Website von Zeit Online.
3 § 108 Abs. 1 GewO


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