Wie zukunftsorientierte Digitalisierung in der Verwaltung gelingen kann – Vielfältiges Vortragsprogramm beim Fachkongress „Digitaler Staat” in Berlin

Ein Stimmungsbild von Nadja Riedel, Leiterin des AWV-Arbeitskreises 2.5 „Digitale Transformation im Personalwesen“

Der Schwerpunkt des Fachkongresses „Digitaler Staat“, der am 12. und 13. März 2024 in Berlin stattfand, lag in diesem Jahr auf den Themenbereichen KI und Digitalkompetenzen. In der ansprechenden neuen Location im Vienna House Andels Berlin gab es neben einer auf drei Etagen verteilten, großen Fachausstellung wieder ein weitgefächertes Vortragsprogramm rund um die aktuellen Aspekte der Verwaltungsdigitalisierung. Hier spielten, wie schon in den Vorjahren, die Digitalkompetenzen und die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene eine große Rolle. In diesem Jahr war Dänemark als Partnerland vertreten.

Adam Lebech vom dänischen Digitalministerium stellte die digitale Reise vor, die Dänemark in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich absolviert hat. Mit einer klaren Strategie, die schon früh die notwendigen Grundlagen geschaffen hat, und dem Fokus auf einer einfachen Usability wurde in Dänemark eine Nutzungsquote des elektronischen Identitätsnachweises eID von 94 % mit einem mobilen Endgerät erreicht. 100% der Dänen nutzen die Weblösung, nicht zuletzt durch eine Nutzungsverpflichtung, die ggf. mit OptOut übersteuert werden kann. Auch digitale Kompetenzen sind in Dänemark inzwischen selbstverständlich. Dabei liegt die Zufriedenheit mit den digitalen Lösungen bei hohen 70 bis 80 %.

Dass wir uns hierzulande an vielen Stellen noch mit den notwendigen Grundlagen beschäftigen, zeigt nicht nur das Plädoyer von Staatssekretär Dr. Markus Richter (BMI) für eine gemeinsame IT-Infrastruktur, mehr Zentralisierung und Konsolidierung, wie etwa eine stärkere Ausweitung des Einer-für-Alle-(EfA-)Prinzips. Auch Dr. André Göbel, Präsident der Förderalen IT-Kooperation (FITKO), wünscht sich mehr Geschwindigkeit und bessere Strukturen und kündigt mehr Unterstützung durch die FITKO in Form einer neutralen Steuerung sowie Reorganisationen an. So sollen Gremien reduziert, Kooperationen professionalisiert und Nachnutzung vereinfacht werden.

Neben der Notwendigkeit digitaler Souveränität und möglichst hoher Automatisierbarkeit wird auf dem Podium aber auch der Umgang mit bestehenden Infrastrukturen – etwa die fehlende Freigabe der eID mit dem Onlineausweis auf dem Smartphone – und bereits erreichten Errungenschaften angesprochen.

Während digitale Lösungen wie beispielsweise die MitID, das digitale System für sichere Online-Identifikation in Dänemark, eine der grundlegendsten Voraussetzungen für Dänemark sind, um Nutzung und breite Akzeptanz der Angebote in der Bevölkerung sicherzustellen, haben wir hierzulande noch immer keine geeignete Lösung im Portfolio, während an anderen Stellen mehrfach Dinge auf Basis von 1:1-Verbindungen neu erfunden werden.

Auch die gesetzlichen Fristen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) gehen von längerfristigen Lösungen aus. Im Vergleich dazu kommt die Registermodernisierung mit den aktuell noch fünf federführenden Institutionen eher sportlich daher. Im Rahmen der geplanten Erprobungsprojekte soll schon im Jahr 2025 eine mögliche Infrastruktur feststehen, ein nationales Once-Only-Technical-System (NOOTS) soll eingeführt und ein erster Prototyp an ein Register angeschlossen werden können. Nach und nach soll das System dann für weitere Anwendungen geöffnet werden. Bis dahin müssen viele Fragen erst noch geklärt werden – von rechtlichen Aspekten über Fragen zu den Daten selbst, Dezentralität in der Datenhaltung, Realisierung der Reifegrade bis hin zur Architektur. Dennoch sind diese Fragen die Richtigen, um zukunftsorientierte Grundlagen schaffen zu können. Hoffen wir, dass genügend Zeit bleibt, alle relevanten Stakeholder ausreichend einzubeziehen. Organisatorisch war es leider schwierig, sich im Rahmen des diesjährigen Fachkongresses hierzu breiter zu informieren, da die Veranstaltungen zu diesen Themen zeitgleich stattfanden.

Relevante Themen der Wirtschaft waren dagegen auf dem diesjährigen Digitalen Staat eher schwach repräsentiert. Mit einem Forum zum Organisationskonto wurden mehr Fragen gesammelt als konkrete Lösungen gefunden und auch sonst war die Wirtschaft eher ein Randthema. Im Kontext der Registermodernisierung kam sie z.B. beim technischen Durchstich der Gewerbeanmeldung im EU-Kontext vor, dann lange nicht mehr. Dabei stellen sich Wirtschaft und Verwaltung nicht nur im Rahmen des Datenaustauschs bei Verwaltungsprozessen einer gemeinsamen Herausforderung - wo es dringend Machine-to-Machine-Lösungen bräuchte, um Ressourcen auf beiden Seiten einzusparen. Sondern auch Themen wie Digitalkompetenzen, Fachkräftemangel, Innovation und KI sind drängende Probleme in allen Sektoren. Und so wie die Bürgerinnen und Bürger gar nicht so technikscheu und KI-ängstlich sind, wie vermutet, so sind viele Wirtschaftsbetriebe schon weit fortgeschritten in der Lösung der Probleme, wie z.B. der praktischen Anwendung von KI. Dort ist neben digitalen Assistenten und ChatBots auch im Bereich intelligentes Führen durch Kundenprozesse sowie verbesserte Such- und Hilfealgorithmen einiges im Praxiseinsatz, was es auch für die Verwaltung zu erforschen gäbe. Aber auch über die Erfahrung mit digitalen Prozessen, über die benötigten und vorhandenen Daten sowie über mögliche Schnittstellen lohnt ein näherer Austausch. Für diesen Austausch zwischen Wirtschaft und Verwaltung setzen zum Beispiel wir in der AWV uns ein.

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