Operatives Verrechnungspreismanagement: Ein Praxiseinblick mit Perspektiven für die Zukunft

Ein Beitrag von David Schallenberg (Bayer AG), Leiter des AWV-Arbeitskreises 3.5.1 „Operational Transfer Pricing“, und Frank Schöneborn (EXA AG), Mitglied des Arbeitskreises 3.5.1

Seit langem ringen Steuerexperten in Unternehmen mit der Datengewinnung für die Verrechnungspreisdokumentation. Während die Beschreibung des Verrechnungspreissystems in Master und Local Files hinsichtlich Funktionen und Risiken sowie hinsichtlich der Auswahl der Verrechnungspreismethoden oft recht rasch gelingt, entscheidet sich in Prüfungen letztlich doch vieles am Zahlenwerk. Bei dessen Zusammenstellung gibt es vermeintlich oft Probleme, denn die zentral im Rechnungswesen oder Controlling verfügbaren Finanzdaten passen hinsichtlich Struktur und Granularität nicht zum steuerlich ausgerichteten Verrechnungspreissystem. Schnell werden dann von den Verantwortlichen Unzulänglichkeiten des vorhandenen IT-Systems bzw. der IT-Landschaft als Ursache beklagt. Die Situation scheint sich auch nach Jahren nicht zu bessern. Aufgrund der oft unzureichenden Datenverfügbarkeit werden auch Prozessverbesserungen etwa mit Blick auf die unterjährige Überwachung der Ergebnisse und eine laufende, proaktive Preissetzung schwierig bis unmöglich. Personelle Engpässe und der Mangel an Experten verschärfen die Probleme oft noch.

Um eine Standortbestimmung für Unternehmen, Berater und Verwaltung zu ermöglichen, wurde eine Umfrage zum aktuellen Stand der Praxis in diesem Bereich, der auch als Operational Transfer Pricing („OTP“) bezeichnet wird, unter den Teilnehmenden der 6. AWV-Fachtagung „Verrechnungspreise in disruptiven Zeiten” und Mitgliedern der AWV-Facharbeit durchgeführt. Die Teilnehmer waren dabei entweder direkt mit dem Thema betraut oder haben zumindest gelegentlich Berührungspunkte damit.

Die Umfrageergebnisse zeigen, dass sich die aktuelle Praxis von OTP in Unternehmen sehr unterschiedlich darstellt. Hinsichtlich Technologieunterstützung reichen die verwendeten Tools von Excel über Inhouse-entwickelte Lösungen bis hin zur professionellen OTP-Standard-Software. Prozessual ist das Bild ebenfalls uneinheitlich. So scheinen die meisten Unternehmen eine Kombination aus unterjähriger Aussteuerung und Jahresendanpassungen zur Sicherstellung der fremdüblichen Gewinnverteilung zu nutzen. Darüber hinaus wird in den Aussagen der Teilnehmer auch deutlich, dass insbesondere der Reifegrad der Prozesse und Systeme stark von den spezifischen Datenanforderungen und verfügbaren Ressourcen des jeweiligen Unternehmens abhängt.

Global agierende Unternehmen sehen sich gegenwärtig zahlreichen Herausforderungen im Zusammenhang mit OTP gegenüber. Die am häufigsten genannten Herausforderungen sind nach Auffassung der Umfrageteilnehmer „fehlendes Budget“, „fehlende personelle Ressourcen für OTP-Aufgaben“ und „mangelnde Priorisierung von OTP allgemein“. Kaum weniger genannt werden auch „fehlende homogene (Stamm-)Daten“ und „unzureichende IT-Kenntnisse/Affinität unter den Mitarbeitenden“.

Trotz dieser vielschichtigen Herausforderungen gibt es auch Chancen zur dauerhaften Verbesserung der Situation. Die konzernweite Einführung von standardisierten Prozessen in Verbindung mit der Implementierung von auf Verrechnungspreisanforderungen spezifisch ausgerichtete Softwarelösungen kann die laufende Überwachung und auch die Prozesseffizienz und Genauigkeit der Kalkulation von Verrechnungspreisen im Tagesgeschäft verbessern. Weiterer Nutzen zeigt sich innerhalb von Unternehmen durch die Vermeidung von steuerlichen Risiken sowie Streitigkeiten und vor allem monetär durch die Reduktion von Doppelbesteuerung.

Aus den Umfrageergebnissen lassen sich zusammenfassend folgende allgemeine Handlungsempfehlungen für Unternehmen und die mit operativem Verrechnungspreismanagement befassten Bereiche ableiten:

  • Priorisierung im Management: Die Einführung von standardisierten Prozessen und die Bereitstellung ausreichender personeller und finanzieller Ressourcen können konzernweit die Effektivität verbessern. So ist eine entsprechende Priorisierung des Themas auf Managementebene unabdingbar, um konzernweit funktionsübergreifende Zusammenarbeit zu ermöglichen.
  • Optimierung der IT-Systeme: Die Nutzung einer geeigneten Software - sei es als kommerzielle Lösung oder ggfs. als Eigenentwicklung - kann ebenfalls die Effizienz und vor allem die Datentransparenz und Verfügbarkeit deutlich verbessern. Unternehmen sollten zeitnah in die Implementierung geeigneter Systeme investieren, ein Projekt amortisiert sich meist binnen kürzester Zeit.
  • Kommunikation und Weiterbildung: Ein besseres Verständnis für Verrechnungspreise, die damit verbundenen Risiken, aber auch mögliche Chancen kann intern Widerstände z.B. auf Seiten der IT oder im Controlling sowie in anderen finanznahen Bereichen abbauen. Die Klärung funktionaler Anforderungen und die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses über alle Abteilungen hinweg sind essenziell für eine schnelle und erfolgreiche Implementierung einer OTP-Software.

Operational Transfer Pricing ist für international agierende Unternehmen ein komplexes und dynamisches Aufgabengebiet mit vielen Herausforderungen, das zudem eine kontinuierliche Weiterentwicklung und Optimierung erfordert. Die unternehmensindividuelle Zukunft wird deshalb maßgeblich von dem Willen zur Digitalisierung und der Einführung innovativer Technologieslösungen geprägt sein. Unternehmen, die frühzeitig in die Optimierung ihrer Prozesse investieren und die Chancen der Digitalisierung nutzen, werden langfristig erfolgreich sein. Der erste Schritt ist der Wichtigste und fortwährendes Zögern und Aufschieben ist mit Blick auf die stetig wachsenden Herausforderungen wenig ratsam. Es muss nicht erst Schaden eintreten, um Handlungsbedarf zu erkennen.

Die Umfrageergebnisse können unter folgendem Link eingesehen werden:

→ zu den Umfrageergebnissen (PDF-Datei)


Operational Transfer Pricing in der AWV

Im Zuge der Digitalisierung von Unternehmensprozessen und auch im Rahmen der Anforderungen an Tax Compliance Management Systeme rückt das Thema „Operational Transfer Pricing“ (OTP) immer stärker in den Fokus von Unternehmen und Finanzverwaltung. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, haben Mitglieder des seit langer Zeit bestehenden und in der Steuerfachwelt renommierten AWV-Arbeitskreises 3.5 „Verrechnungspreise“ die Gründung eines neuen Arbeitsgremiums initiiert. In Abgrenzung zum Arbeitskreis „Verrechnungspreise”, der sich stärker auch steuerpolitischen und übergreifenden rechtlichen Fragestellungen widmet, liegt der Fokus des neuen Arbeitsgremiums auf umsetzungsbezogenen Fragestellungen rund um die Operationalisierung von Verrechnungspreisen, deren Überwachung, Aussteuerung und damit verbundene IT-Systemnutzung. Der Unter-Arbeitskreises 3.5.1 „Operational Transfer Pricing“ konstituierte sich im November 2022 in den Geschäftsräumen der AWV. David Schallenberg (Bayer AG) wurde zum Vorsitzenden und Javier Reche (Robert Bosch GmbH) zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.

Lesen Sie zum Thema OTP auch ein AWV-Interview mit den beiden AK-Leitern sowie ein Kurzinterview mit Christian Danner, dem stellvertretenden Leiter des AWV-Arbeitskreises „Verrechnungspreise”.


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