KI in der öffentlichen Verwaltung: Organisatorische Herausforderungen transformativer Technologien

Künstliche Intelligenz (KI) in der öffentlichen Verwaltung? Während das vor Kurzem noch klang wie ein Zukunftsszenario, ist heute klar, dass KI bereits in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland eingesetzt wird und dass die Zahl der Anwendungen steigt und weiter steigen wird. Risikomanagementsysteme sagen voraus, bei welchen Steuererklärungen sich eine Prüfung der Belege lohnt. Intelligente Verkehrsbeeinflussungsanlagen verarbeiten viele Daten, treffen Maßnahmen zur Verkehrssicherung und ordnen auch Geschwindigkeitsbegrenzungen und Überholverbote an. Im Bereich der vorausschauenden Polizeiarbeit (predictive policing) wird die Wahrscheinlichkeit von Einbruchsdiebstählen berechnet und auf speziellen Karten, sogenannten Heat Maps, vermerkt. Streifenpolizisten ziehen diese zur Planung ihrer Routen heran.

KI-Anwendungen werden auch immer besser darin, Gesichter und soziale Situationen auf Kamerabildern zu erkennen. So können etwa in der Verkehrsüberwachung Unfälle von Kraftfahrzeugen durch Kameras erkannt werden, sodass Unfälle automatisiert an Rettungsleitstellen gemeldet werden können. In Mannheim versucht man mit intelligenten Kameras Straßenkriminalität zu erkennen und automatisiert zu melden. Verwaltungen experimentieren auch zunehmend mit autonomen Agenten in der Öffentlichkeit. In Potsdam wird gerade eine selbstfahrende Straßenbahn getestet, im bayerischen Bad Birnbach pendelt ein selbstfahrender Kleinbus zwischen Bahnhof und Therme. Das Bürgeramt Ludwigsburg und die Stadtbibliothek Köln experimentieren mit Auskunftsrobotern.

In der KI-Strategie, die die Bundesregierung im Dezember 2018 veröffentlicht hat, hat sie die öffentliche Verwaltung als eigenes Handlungsfeld der Entwicklung von künstlicher Intelligenz in Deutschland definiert. Die Strategie zeigt allerdings auch, dass die Bedeutung der öffentlichen Verwaltung noch viel größer ist. Die neue Agentur für Sprunginnovationen soll Innovationen in die Anwendung bringen. In anderen Fällen muss die Verwaltung Entwicklungen beaufsichtigen, wie etwa beim Einsatz von KI im Finanzbereich.

KI = Systeme, die selbstständig komplexe Probleme lösen können
Doch was bedeutet künstliche Intelligenz eigentlich? Technologien der künstlichen Intelligenz haben unterschiedliche Mütter und Väter. Der Begriff wurde erstmals in einem Drittmittelantrag von vier Wissenschaftlern an die Rockefeller-Stiftung im Jahr 1955 verwendet. Sie schrieben: „Wir schlagen vor, dass im Sommer 1956 am Dartmouth College in Hannover, New Hampshire, eine zweimonatige, 10-köpfige Studie über künstliche Intelligenz durchgeführt wird. Die Studie soll auf der Grundlage der Vermutung durchgeführt werden, dass jeder Aspekt des Lernens oder jedes andere Merkmal der Intelligenz prinzipiell so genau beschrieben werden kann, dass eine Maschine zur Simulation hergestellt werden kann. Es wird versucht herauszufinden, wie man Maschinen dazu bringen kann, Sprache zu benutzen, Abstraktionen und Konzepte zu bilden, Arten von Problemen zu lösen, die heute dem Menschen vorbehalten sind, und sich selbst zu verbessern.“ Die hier formulierten Probleme und Forschungsfragen sind auch nach dem heutigen Stand der Technik noch aktuell.

Definiert man KI ganz abstrakt, kann man sagen, dass es dabei um ein Forschungsfeld geht, welches nach Systemen fragt, die komplexe Probleme selbstständig lösen können. Der Begriff bezieht sich also nicht nur auf eine bestimmte, sondern auf viele Technologien. Dazu zählt etwa maschinelles Lernen durch neuronale Netze. Dies hat in den letzten Jahren für viele neue Anwendungsmöglichkeiten gesorgt. Zuvor hatte man im Bereich der Verwaltung oft regelbasierte Expertensysteme eingesetzt. Der Begriff künstliche Intelligenz schließt dabei weder bestimmte Technologien aus, noch werden bestimmte Zwecke vorausgesetzt. Aus Eisen kann man Schwerter und Pflugscharen machen, KI ermöglicht gleichermaßen automatische Waffensysteme und auch Assistenzroboter für Pflegebedürftige. Deswegen wird KI als Basis- und Querschnittstechnologie bezeichnet. Sie lässt sich mit vielen anderen Technologien kombinieren, gleichzeitig können damit unterschiedlichste Zwecke verfolgt werden.

Wichtig ist dabei, dass KI nicht nur zur Automation eingesetzt werden kann, also um den Menschen zu ersetzen. Die Augmentation, also die Steigerung menschlicher Fähig­keiten, kann ebenfalls ihr Zweck sein. Dabei geht es um Mensch-Maschine-Interaktionen, die die Fähigkeiten des Menschen erweitern. Manche KI-Technologien trainieren sich selbst, andere basieren auf der Auswertung von Millionen von Datensätzen, etwa künstliche neuronale Netze, die solange auf bestimmte Aufgaben trainiert werden, bis sie selbst ein Modell zu deren Lösung finden. Diese können z.B. bestimmte Objekte auf Bildern erkennen, Sprache oder Handschrift maschinenlesbar machen und vieles mehr. Schon heute zeichnet sich das Potenzial von Technologien künstlicher Intelligenz ab, Gesellschaft und Leben zu verändern, auch im Bezug auf die öffentliche Verwaltung. Wie aber geht dieser Wandel vonstatten?

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Text: Dr. Christian Djeffal, Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft, Berlin
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