Zwischen Steve Jobs und Jobcenter: Barcamp der AWV zu Chancen und bürokratischen Hemmnissen für Unternehmensgründungen von Geflüchteten

„Wie können Unternehmensgründungen für Neuangekommene in Deutschland ein Weg zur Integration und zur Schaffung einer nachhaltigen Existenzgrundlage werden?“ – dieser Frage widmete sich die Projektgruppe 1.6.2 der AWV im Juni in Berlin. Nach mittlerweile sechs erfolgreichen Veranstaltungen zum Thema „Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten“ wurde mit dem Barcamp ein innovatives Veranstaltungsformat gewählt. Hierzu konnte mit der ReDI School of Digital Integration, die Geflüchteten IT-Kompetenzen und Jobchancen vermittelt, ein passender Partner gefunden werden, der auch die Räumlichkeiten für die Veranstaltung zur Verfügung stellte.

Frau Kjær Riechert, Co-Gründerin und Geschäftsführerin der ReDI School (siehe Interview), führte gleich zu Veranstaltungsbeginn pointiert aus, dass die Teilnehmer ihrer Kurse Geschäftsideen wie Steve Jobs entwickeln wollen, sich im Alltag aber mit den Anforderungen von Jobcentern auseinandersetzen müssten.

In seinem Eingangsstatement betonte Professor Gartzke wiederum die Relevanz von Existenzgründungen für die Innovationskraft einer Volkswirtschaft.

Trotz mittlerweile hervorragender Unterstützungsstrukturen sowie den Geschäftspotentialen durch die Digitalisierung sinke das Interesse an einer selbstständigen Tätigkeit in Deutschland. Nach einer Studie der DIHK liegt dies auch an der aktuell günstigen Arbeitsmarktlage (DIHK 2017). Demgegenüber sei eine deutlich steigende Gründungsaktivität unter Migranten hinreichend belegt. Forschungen zur Migrantenökonomie deuten die Chancen an, die sich sowohl für die Geflüchteten als auch für die Aufnahmegesellschaft ergeben (Leicht et al. 2017, Metzger 2016). Daher bot es sich an zu überlegen, wie die bislang kaum genutzten Gründungspotentiale unter den Geflüchteten bestmöglich gefördert und bürokratische Hürden reduziert werden können. Zwar werden bürokratische Hemmnisse nicht immer als solche benannt, aber eine Reihe von Hürden für gründungsinteressierte Geflüchtete hängen damit unmittelbar zusammen ­­(u. a. Finanzierungsfragen, mangelnde Informationen, steuerliche Fragen, Anerkennung von Qualifikationen, siehe ­Abbildung 1).

Abb. 1: Hindernisse für Unternehmensgründungen von Geflüchteten (Quelle: IHK Berlin 2016, Umfrage unter Teilnehmern der Start-up-Class für Geflüchtete)

Mit über dreißig Teilnehmern aus unterschiedlichen Bereichen (u. a. aus Jobcentern, Ministerien, Beratungsstellen, freien Träger aus dem Bereich der Qualifizierung, Hochschulen und Vertreter der Wirtschaft) bot das Barcamp der AWV ideale Rahmenbedingungen für diese Überlegungen und passte zum Ansatz der AWV-Projektgruppe, die Experten aus öffentlicher Verwaltung, Drittem Sektor und Wirtschaft sowie Ehrenamtliche zusammenbringen soll. In das Barcamp brachten sich zudem mehrere Geflüchtete ein, die bereits gegründet haben oder gründungsinteressiert sind. Sie konnten aus erster Hand berichten, vor welchen bürokratischen Hürden und weiteren Herausforderungen sie stehen.

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Text: Philipp Stolzenberg AWV-Fachreferent, Eschborn | Prof. ­Dr. Ulrich Gartzke Co-Leiter der AWV-Projektgruppe 1.6.2 „Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten und Asylsuchenden“, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt

Foto: Fotolia, Markus Mainka