Qualität von Recht – 17 Merkmale

Normenkontrollrat Baden-Württemberg veröffentlicht Übersicht mit Qualitätsmerkmalen von Recht

Wer Gesetze, Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften entwirft, muss in vielerlei Hinsicht Vorgaben beachten. Der Normenkontrollrat Baden-Württemberg (NKR BW) hat eine Übersicht mit 17 Qualitätsmerkmalen von Recht erstellt, um die Ministerien schon beim Entwerfen von neuem Landesrecht zu unterstützen, auf die Einhaltung der zahlreichen Qualitätsanforderungen zu achten.

Mit Blick auf demokratiepolitische Gesichtspunkte sollte das Regelungsziel einer Vorschrift explizit und verständlich dargestellt sein. Das konkrete Ziel einer Vorschrift ist u. a. für dessen Auslegung wichtig und kann bei ihrer Evaluierung herangezogen werden. Auch die Regelung selbst soll kurz und verständlich sein.

Zudem ist stets zu prüfen, ob eine Regelung überhaupt notwendig ist. Regelungen sind notwendig, wenn sie einem wichtigen öffentlichen Interesse dienen oder zur Wahrung der Rechte des Einzelnen unentbehrlich sind. Die Notwendigkeit einer Vorschrift umfasst drei Dimensionen: das Regelungsvorhaben an sich, die Regelungsdichte und die Regelungstiefe.

Ferner ist darauf zu achten, die Norm innerhalb der Hierarchie von Gesetz, Verordnung, Verwaltungsvorschrift und innerdienstliche Anordnung auf einer möglichst niedrigen Regelungsstufe zu erlassen. Ein weiteres Qualitätsmerkmal stellt die Angemessenheit einer Norm dar, d. h. die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Anhand einer faktenbasierten Prüfung ist die Regelung mit dem bezweckten Ziel in ein angemessenes Verhältnis zu setzen.

Regelungen sind im Sinne des Rechtsstaatsprinzips systemverträglich zu gestalten. Dies meint, dass an die gleichen Sachverhalte einheitliche Rechtsfolgen geknüpft werden sollten. Gleichermaßen ist die Systemgerechtigkeit zu gewährleisten, indem Sachverhalte so geregelt werden, dass das Regelungsziel nicht konterkariert wird. Die Widerspruchsfreiheit einer Regelung zu anderen Regelungen ist ebenso als Qualitätsanforderung auszuweisen.

Weiterhin spielt die Wirksamkeit einer Regelung eine wichtige Rolle. Diese Anforderung umfasst zum einen die Zweckmäßigkeit einer Rechtsnorm, d.h., ob sie sich dazu eignet, den Regelungszweck zu erreichen. Zum anderen ist die Praktikabilität einer Rechtsnorm davon erfasst. Sie sollte die Adressaten nicht mit unnötigen Dokumentations- und Nachweispflichten belasten. Die Praktikabilität kann mittels eines Testverfahrens festgestellt werden. Eine weitere Möglichkeit zur Sicherstellung der Wirksamkeit einer Vorschrift ist die Einführung einer Experimentierklausel. Dadurch kann erprobt werden, ob das Regelungsziel wie vorgesehen erreicht wird.

Von der Experimentierklausel zu unterscheiden ist die Evaluierungsklausel, welche ebenfalls ein Bestandteil guter Regelungen ist. Mit einer Evaluierungsklausel wird schon beim Erlass einer Regelung ein konkreter Zeitpunkt festgelegt, zu welchem überprüft werden soll, ob die Norm noch erforderlich ist oder ob sie vereinfacht, aktualisiert oder mit anderen Regelungen zusammengefasst werden kann.

Von wachsender Bedeutung für die Qualität von Rechtsnormen ist die digitale Abwicklung von Verwaltungsverfahren. Regeln Vorschriften ein Verwaltungsverfahren, ist darauf zu achten, einen möglichst hohen Digitalisierungsgrad zu erreichen. Im Idealfall bedeutet dies, ein medienbruchfreies Verfahren vom Antrag bis zur Bewilligung zu ermöglichen. Ferner ist zu prüfen, ob sog. „Once Only-Lösungen“ aufgenommen werden könnten. Once Only bedeutet, dass Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen ihre Daten nur einmal bei einer Behörde angeben müssen und mit ihrer Einwilligung Behörden bei allen anderen Verfahren diese Daten abrufen können. Dadurch können die Verfahren wesentlich vereinfacht und beschleunigt werden. Bei schriftformgebundenen Anträgen und Verfahren ist auch die elektronische Form zu ermöglichen. Alternativ kann die Textform gem. § 126b BGB vorgesehen werden, sodass auch eine Einreichung per E-Mail möglich ist.

Verwaltungsverfahren sollten einfach, zügig, wirtschaftlich und möglichst aufwandsschonend gestaltet sein. Präsenzpflichten und Zustimmungsvorbehalte sollten vermieden werden. Zudem sollten Nachweise vereinfacht und Zuständigkeiten konzentriert werden. Weiterhin müssen die Normadressaten ausreichend Zeit zur Vorbereitung auf die neue Regelung haben; dies ist für den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung zu bedenken.

Als weitere Qualitätsanforderungen sind die Regelungsfolgenabschätzung und die Nachhaltigkeit einer Regelung anzusehen. Beim Entwurf von Vorschriften sind vorab die fachbezogenen und fachübergreifenden Wirkungen und Nebenwirkungen einer Regelung zu antizipieren und festzustellen. Hier muss insbesondere der Blick auf die Folgen für Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung gelegt werden. Anhand des Leitfadens Nachhaltigkeitscheck des Umweltministeriums Baden-Württemberg können die Ressorts die Nachhaltigkeit einer Vorschrift einschätzen.

Alle Qualitätsmerkmale können der Broschüre des NKR BW „Qualität von Recht – 17 Merkmale“ entnommen werden, welche auf der Website des Normenkontrollrates abgerufen werden kann.

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