Nachhaltig investieren: Ja – aber?!

Ein Beitrag von Prof. Dr. Gunnar Schwarting, Deutsche Universität für Ver­wal­tungs­wissen­schaften Speyer und Leiter des AWV-Arbeits­kreises 1.3 „Digitalisierung und Bürokratieabbau der öffent­lichen Ver­wal­tung“

In politischen Programmen und Debatten wird dem Postulat der Nachhaltigkeit viel Platz ein­ge­räumt. Auch zahlreiche Kommunen haben erklärt, sich an den „Sustainable Development Goals“ der UNO orien­tie­ren zu wollen. Aller­dings finden sich dane­ben auch andere ver­wandte Begriff­lich­keiten wie die Resilienz oder die Gene­ra­tionen­ge­rech­tig­keit; darüber hinaus wird von einer Trans­for­ma­tion gespro­chen, die auch Themen wie Digi­tali­sierung und Cyber-Sicher­heit umfasst. Nach­haltig­keits­politik bewegt sich insoweit auf kompli­zier­tem, von Unsicher­heiten geprägtem und mit möglichen Ziel­kon­flik­ten behaftetem Terrain.

Nachhaltigkeit im Recht

Das Recht gibt in Deutschland hierzu nur schmale Hilfe­stellun­gen. Das Grundgesetz (Art. 20a GG) benennt zwar den Schutz der natürlichen Lebens­grundlagen. Hinzu kommt auf Bundes­ebene die Einbindung in die Gesetzes­folgen­ab­schätzung: „Es ist darzustellen, ob die Wirkungen des Vorhabens einer nachhaltigen Entwicklung entsprechen, insbe­sondere welche lang­fristi­gen Wirkungen das Vorhaben hat.“ (§ 44 Abs. 1 Satz 4 Gemeinsame Geschäfts­ordnung der Bundes­ministerien GGO). Doch die Nachhaltigkeit bleibt ein unbestimmter Rechtsbegriff.(1) Immerhin hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW) eine konkrete kommunale Maß­nahme mit Rück­griff auf das Grund­gesetz für zulässig erklärt:

Exkurs – Anwohner­parken und Klimaschutz

In einem bemerkenswerten Beschluss hat der VGH BW am 24. Juni 2022 entschieden, dass die Erhöhung der Gebühren für das Anwohnerparken in Freiburg auf bis zu 480 Euro im Jahr rechtens ist. Ausdrücklich verweist das Gericht auf das Klimaschutzziel im Grundgesetz: „Der Gebühren­gesetz­geber darf bei der Bewohnerparkgebühr auch Lenkungsziele verfolgen. Ein zulässiger Lenkungszweck ist die Erreichung des staatlichen Klimaschutzziels des Art. 20a GG und der Schutz von Grundrechten vor den Gefahren des Klima­wandels durch eine Reduktion des Kfz-Verkehrs und der Verringerung des hierdurch bewirkten CO2-Ausstosses.“(2)

Auf kommunaler Ebene findet sich lediglich in der Geschäftsordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (GO NW) ein Hinweis auf die Nachhaltigkeit (§ 1 Abs. 1 Satz 2). Darin wird die Verant­wortung für künftige Generationen hervorgehoben. In allen anderen Kommunal­verfassungen wird nur das „Wohl der Einwohner“ als Leitlinie für kommunales Handeln erwähnt. Das ist insofern fatal, als sich die Formulierung auf die jetzige Generation und ihre Bedürf­nisse konzentriert. Deren Bereit­schaft auch die künftige Entwicklung und damit die Lebensbedingungen kommender Generationen in ihre Präferenzen zu integrieren, ist begrenzt („Status-Quo-Bias“(3)).

OB-Barometer des Deutschen Instituts für Urbanistik

Abb. 1
: Was sind aktuell die wichtigsten Aufgaben in der Stadt (TOP 10)? Im OB-Barometer veröffentlicht das Deutsche Institut für Urbanisitk (difu) die Ergebnisse einer jährlichen Befragung unter Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern deutscher Städte. 2020 sahen die OBs bei Mobilität und Wohnen den größten Handlungsbedarf, 2021 bei den Coronamaßnahmen, gefolgt vom Klimaschutz. 2022 wurde der Klimaschutz dann als wichtigste Aufgabe wahrgenommen, gefolgt von Coronamaßnahmen und Wohnen.


Das OB-Barometer des Deutschen Instituts für Urbanistik weist zwar den Klimaschutz als derzeit aktuellste Aufgabe der Städte aus; allerdings bedeutet das noch nicht die Umsetzung in konkrete Projekte und Vorhaben. Hinzu kommt, dass die Prioritäten sich von Jahr zu Jahr nicht unwesentlich verschieben.(4) Das Thema Klimaschutz hat zwar in allen drei Jahren einen hohen, aber erst 2022 den höchsten Stellen­wert (s. Abb. 1). Dabei ist Klima­schutz nur ein (wenn auch wichtiger) Aspekt der Nachhaltigkeit. So verweist das Thema „Wohnen“ auf den ebenfalls zur nachhaltigen Ent­wicklung gehörenden Aspekt des Sozialen Zusammenhalts. Es ist durchaus denkbar, dass im nächsten Barometer aus diesem Themen­feld die Gewähr­leistung einer sicheren und bezahl­baren Energie­versorgung in den Vordergrund rückt.


1 Vgl. U. Keilmann, M. Gnädinger, F. Volk: Grüne Ideen und schwarze Zahlen, in: Martin Junkernheinrich et al.: Jahrbuch für öffentliche Finan­zen, Berlin 2022, S. 331.
2 Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 24.6.2022, 2S809/22, Leitsatz 2, vgl. Zeitschrift für Kommunalfinanzen 9/2022, S. 207ff.
3 Vgl. D. Kahnemann: Schnelles Denken – langsames Denken, München 2015, S. 359: „Nachteile eines Wechsels fallen stärker ins Gewicht als seine Vorteile, was eine Verzerrung erzeugt, die den Status quo begünstigt [...] Daraus folgt (G.S.), dass Wahlen [...] eine allgemeine Tendenz zur Begünstigung kleiner statt großer Veränderungen zeigen.“
4 Vgl. C. Kühl, B. Hollbach-Grömig: OB-Barometer: Klimathematik wichtigste aktuelle Aufgabe der Städte, in: Difu-Berichte 2/2022, S. 4, online: https://difu.de/publikationen/2022/difu-berichte-2-2022 [21.03.2023].


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