Einen begrenzten Beitrag zur Gründungsfinanzierung bieten die Gründungszuschüsse der Jobcenter. Dabei handelt es sich um „Ermessensleistungen“ der Jobcenter, mit denen die Teilnehmer insgesamt ambivalente Erfahrungen gemacht hatten. Ein Geflüchteter beschrieb, dass sein Berater seine Gründungsidee gar nicht erst anhören wollte. Die Jobcenter sind angehalten, dass Arbeitssuchende möglichst schnell unabhängig von Unterstützungsleistungen werden, erklärte dazu eine Teilnehmerin. Diese Vorgehensweise begründet sich auf ­§  4 SGB III, der einen Vorrang der Vermittlung in Ausbildung und Arbeit vor den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung festlegt. Bei Gründungen sind mittelfristig zumeist weitere Unterstützungsleistungen notwendig. Hierzu wurde von den Teilnehmern eine Anpassung der Regelung zugunsten von Gründungen mit nachhaltig erscheinenden Konzepten angeregt. Geflüchtete müssten allerdings weiterhin einen Businessplan sowie ihre persönliche und fachliche Eignung nachweisen. Die Fristsetzungen der Jobcenter zur Einreichung dieser Nachweise seien für die Zielgruppe der Geflüchteten oftmals zu knapp, wie von Teilnehmern hervorgehoben wurde. Bemängelt wurde, dass den Jobcentern eine einheitliche Linie im Umgang mit gründungsinteressierten Geflüchteten fehle. Die Kompetenz der Jobcenter zum Thema Selbstständigkeit variiere erheblich, hieß es von den Teilnehmern. Grundsätzlich stellte sich heraus, dass Geflüchtete bei der Gründungsvorbereitung umfassende Hilfen von Mentoren oder Lotsen benötigen. Diese müssten nicht nur beim Businessplan, sondern auch beim Ausfüllen der Dokumente der Jobcenter helfen. Hervorgehoben wurde, dass die Geflüchteten sich schon bei der Vorbereitung einer Gründung Kompetenzen aneignen. So hieß es von einem Teilnehmer, dass „jede Vorbereitung zur Gründung mehr Qualifizierung als viele Arbeitsfördermaßnahmen erreiche“.

Ohnehin war die Anerkennung von Qualifikationen ein wichtiger Diskussionspunkt. So schließt die Meisterbriefpflicht die Gründung und Übernahme von Handwerksbetrieben durch Geflüchtete zumeist aus. Zwar unterliegen einfachere handwerkliche Tätigkeiten nicht dem Meisterzwang, aber einige Teilnehmer hinterfragten die Nachhaltigkeit von Gründungen in diesem Bereich. So gebe es unter den Geflüchteten auch Menschen, die in der Selbstständigkeit die Chance sehen, schnell Geld zu verdienen anstatt eine mehrjährige Ausbildung zu absolvieren. Nachhaltige Gründungen bräuchten jedoch eine lange Vorbereitungsphase mit einer entsprechenden Qualifizierung, war der Tenor der Teilnehmer des Barcamps. Um eine tragfähige Geschäftsidee einschließlich eines Businessplans zu erarbeiten, bräuchten Geflüchtete oftmals Aufbaukurse, berichteten Teilnehmer aus der Beratungspraxis. Neben der fachlichen müsse auch die persönliche Eignung von gründungswilligen Geflüchteten Gegenstand einer Kompetenzanalyse sein. Wie bei den einheimischen Gründern endet der Beratungsbedarf auch bei Geflüchteten nicht mit der Unternehmensgründung, wie einige Teilnehmer feststellten. Sie regten deshalb eine stärkere Vernetzung zwischen regionalen Angeboten zur Nachgründungsberatung und Angeboten des Bundes an ­(z. B. dem Förderprogramm des BAFA zur Nachgründungsberatung). Davon könnten Gründer mit und ohne Flucht- oder Migrationshintergrund profitieren.

Neben originären Gründungen kam die Sprache auch auf die Möglichkeit von Unternehmensnachfolgen durch Geflüchtete. Auch Unter-nehmensnachfolgen brauchen eine lange Vorlaufzeit, wurde im Laufe der Diskussionen klar. Eine längerfristige Vorbeschäftigung im Unternehmen sei anzuraten ­(u. a. um einen möglicherweise notwendigen Meisterabschluss zu machen). Vorgeschlagen wurde, dass bereits kurzfristig Geflüchtete mit Interesse an einer Selbstständigkeit mit Unternehmen zusammengebracht werden sollten, die langfristig eine Unternehmensnachfolge suchen.

Ein Beispiel für ein umfangreiches Qualifizierungsprogramm mit dem Ziel der Selbständigkeit beschrieb Christoph Zeckra, Generali Zukunftsfonds, anhand des Programms des „Human Safety Net für Start-ups von Flüchtlingen“. Bei einer Befragung unter den Mitarbeitern von Generali zum gesellschaftlichen Engagement des Unternehmens wurde die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten als wichtiges Thema identifiziert. Deshalb habe man ein Programm initiiert, das gründungsinteressierte Geflüchtete mithilfe von Coaches, Mentoren und Unternehmenshospitationen gezielt auf die Selbstständigkeit vorbereite. Gelernt habe man, dass die persönlichen Probleme der Geflüchteten nicht unterschätzt werden dürften. Innerhalb eines solchen Projektes müsse man sich Zeit lassen für Themen jenseits der fachlichen Arbeit. Deutlich machte Herr Zeckra, dass man auf öffentliche Förderung des Projekts verzichtet, da dies ein bürokratischer Hemmschuh sei. Man brauche aber die Schnittstellen zur öffentlichen Verwaltung und wolle lokale Netzwerke in den Städten aufbauen, in denen das Projekt umgesetzt werde. Im Vergleich zu anderen Ländern, in denen das Projekt laufe ­(z. B. der Türkei und Frankreich), seien die bürokratischen Hürden für Gründungen in Deutschland hoch. Auch andere Teilnehmer berichteten, dass die Registrierung von Unternehmen etwa in Großbritannien und in Estland wesentlich schneller als in Deutschland und zudem online möglich sei.

Insgesamt zeigte sich, dass Unternehmensgründungen (und -nachfolgen) durch Geflüchtete einer zeit- und beratungsintensiven Vorbereitung und Begleitung bedürfen. Dies gilt jedoch auch für andere Wege zu einer nachhaltigen Arbeitsmarktintegration. Dies sollten auch die Jobcenter im Umgang mit gründungsinteressierten Geflüchteten berücksichtigen. Eine Vernetzung verschiedener Beratungsangebote von der Gründungs- bis in die Nachgründungsphase ist anzuraten. Die Finanzierung von Gründungen stellte sich für Geflüchtete als besonders große Hürde heraus. Klar wurde, dass potentielle Förderer und Finanziers beim Aufbau zielgruppenadäquater Programme vor interkulturellen und rechtlichen Herausforderungen stehen. Erste Ansätze, um die Gründungspotentiale von Geflüchteten besser auszuschöpfen, konnten im Barcamp entwickelt werden. Die AWV-Projektgruppe „Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten und Asylsuchenden“ wird das Thema der Unternehmensgründungen als einen Weg zur Arbeitsmarktintegration weiter verfolgen.

Quellen und weiterführende  Literatur

Brücker, Herbert et al. (2016): Flucht, Ankunft in Deutschland und erste Schritte der Integration. DIW Wochenbericht, ­­Nr.  46/2016.

BMWi (2016): Existenzgründungen durch Migrantinnen und Migranten. GründerZeiten ­­Nr. 10.

BMWi (2016): Gut ankommen in Deutschland: Flüchtlinge – zukünftige Azubis, Arbeit-nehmer und Unternehmer. Erfolghoch 2 eMagazin für Gründung und Wachstum, ­Februar 2016.

DIHK (2017): Talfahrt mit Lichtblicken. DIHK-Gründerreport 2017.

IHK Berlin (2016): Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt durch Existenzgründung. Kurzstudie.

IQ-Fachstelle Migrantenökonomie, http://www.wir-gruenden-in-deutschland.de/. Letzter Aufruf: ­13.07.2018.

Leicht, René et al. (2017): Gründungspotenziale von Menschen mit ausländischen Wurzeln: Entwicklungen, Erfolgsfaktoren, Hemmnisse. Studie im Auftrag des BMWi.

Metzger, Georg (2016): Migranten überdurchschnittlich gründungsaktiv – Arbeitsmarkt spielt eine Rolle. KfW Research, Fokus Volkswirtschaft, ­Nr. 115.    

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