Kommunale Praktiker äußerten Befürchtungen, dass die Digitalisierung der kommunalen Verwaltungsleistungen zu großen finanziellen und personellen Belastungen führt, zumal analoge Kanäle weiter bereitgehalten werden müssten. Erst wenn das Back-End, sprich die internen Prozesse der kommunalen Verwaltung, ebenfalls digitalisiert würde, sei eine Entlastung möglich.

Im weiteren Verlauf der Workshops sollten die Teilnehmer aus der Verwaltung nun komplett ihre Perspektive wechseln und die Gründersicht einnehmen. Dazu erstellten sie in mehreren Gruppen Personas fiktiver Gründer, legten deren Aufgaben fest und bestimmten jeweils eine „Route durch die Verwaltung“. Die fiktiven Gründungen umfassten einen Hausmeisterservice, ein Nagelstudio, ein Restaurant und eine nebenberufliche Reitschule. Es zeigte sich, dass für die Gründungen eine Vielzahl an Verwaltungsleistungen diverser Behörden benötigt werden. Selbst die Experten aus der Verwaltung waren sich nicht immer sicher, welche Anmeldungen, Genehmigungen und Nachweise ihr jeweiliger Gründer braucht. Ihnen wurde klar, welche komplexen rechtlichen Fragen Gründer in ihrer Startphase klären müssen. So muss der Gründer eines Hausmeisterservices herausfinden, welche Tätigkeiten er überhaupt ausführen darf, ohne dass zulassungspflichtige Handwerke betroffen sind. Der künftige Gaststättenbetreiber braucht (zumindest in NRW) eine Betriebserlaubnis, die wiederum baurechtliche und lebensmittelrechtliche Nachweise sowie Belege zur persönlichen Zuverlässigkeit erfordert. Mit dem Betriebsstart kommen gegebenenfalls Anmeldungen bei der GEMA, die Einstellung von Personal oder eine Sondernutzungserlaubnis hinzu. Bei allen Gründungsvorhaben stellte sich die Finanzierungsfrage, wobei der Zugang zu öffentlicher Förderung aus Sicht der Teilnehmer erheblichen bürokratischen Aufwand bedeutet.

Die Teilnehmer identifizierten so „Schmerzpunkte“ und sollten darauf aufbauend Lösungsvorschläge entwickeln. Schwer nachvollziehbare Zuständigkeiten, hohe Zeitaufwände zur Erfüllung bürokratischer Anforderungen und fehlende digitale Verwaltungsleistungen waren aus ihrer Sicht die größten Hürden für Gründer. Um diese Probleme zu lösen, bekamen sie nun die Aufgabe, mit Hilfe des Planungsmodells „Business Model Canvas“ eigene Ansätze zu entwickeln. Digitale und analoge Lösungen zur gründerfreundlichen Bündelung von Informationen zur Gründung und zu gründungsrelevanten Verwaltungsleistungen waren das Ergebnis. Mehrere Gruppen sprachen sich für Portallösungen als Webseite bzw. als App aus, die aber auch eine individuelle Beratung, z. B. via Videochat, umfassen sollten. Hinzu kam der Vorschlag eines persönlichen Gründerscouts, der ähnlich des Einheitlichen Ansprechpartners als Wegweiser zwischen den Behörden agieren sollte. Ihre eigenen Lösungen mussten die Teilnehmer schließlich der gesamten Gruppe erläutern und darstellen, warum dafür finanzielle und personelle Ressourcen eingesetzt werden sollten.

Zum Abschluss der Workshops wurde deutlich, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist und immer mit dem Wunsch verbunden sein sollte, es den Gründern einfacher zu machen. In der Feedbackrunde zogen die Teilnehmer eine positive Bilanz, bei der die genutzten Methoden und deren Anwendung auf das Thema „Digitalisierung von gründungsbezogenen Verwaltungsleistungen“ gelobt wurden. Die Teilnehmer vereinbarten, das Thema weiterzuverfolgen, um die Gründer im Kreis Siegen-Wittgenstein auch bei der Abwicklung von Verwaltungsverfahren optimal zu unterstützen.

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