Nutzerfreundlichkeit erfordert Öffnung und Zusammenarbeit

Das Potenzial für die Wirtschaft ist also hoch. Bleibt angesichts der schleppenden OZG-Umsetzung die Frage: Wie können antragslose Verwaltungsleistungen, insbesondere für die Wirtschaft, zeitnah umgesetzt werden? Ein vielversprechender Ansatz dafür sind digitale Plattformen. Digitale Plattformen als Phänomen haben die Wirtschaft und Gesellschaft in den letzten Jahren grundlegend verändert und innoviert. Plattformen sind Vermittler, die eine Vielzahl von komplementären Diensten mit begrenztem Integrations- und Koordinationsaufwand unterstützen. Wie im Beispiel des SBR sind dabei oft eine gemeinsame technische Basis und standardisierte Schnittstellen wichtige Elemente. Sie ermöglichen durch ihren modularen Aufbau eine hohe Skalierbarkeit und enorme Flexibilität sowohl bei der Umsetzung von innovativen Vorhaben als auch der Wertschöpfung. Die Plattform bildet dabei das Herzstück eines Ökosystems, das aus einer Vielzahl von heterogenen und voneinander abhängigen Interessengruppen besteht, die in einer komplementären und symbiotischen Beziehung zu ihr stehen. Die Plattform bringt diese verschiedenen Stakeholder zusammen und ermöglicht Transaktionen und Kooperation. Sie enthält alle notwendigen Vorschriften, Richtlinien, Dienste (z. B. Zahlung, Identifizierung und Sicherheit) und Infrastrukturen, um generative Ökosysteme zu unterstützen, in denen sowohl Behörden als auch externe Akteure öffentliche Dienste mitgestalten können. Die Schaffung ausgeprägter Ökosysteme ermöglicht auch eine bessere Governance und eine bessere Ressourcenallokation für eine effizientere Schaffung von öffentlichem Wert. So diente beispielsweise das iPhone-Betriebssystem von Apple als Plattform für Tausende von Anwendungen, die spezialisierte Funktionalitäten bereitstellen.

Government as a Platform als Ansatz für ein OZG 2.0

Im öffentlichen Sektor sind Plattformansätze bekannt unter dem Begriff "Government as a Platform" (GaaP), die auf einen der Internetpioniere, Tim O'Reilly, zurückgehen. Bereits vor über zehn Jahren beschrieb O’Reilly die Transformation der nationalen und lokalen öffentlichen Einheiten, aus denen sich die öffentliche Verwaltung zusammensetzt, von geschlossenen, zentralisierten und formalisierten hierarchischen Beziehungen zu offenen, flachen und dezentralen Beziehungen. Die gemeinsame Nutzung von Software, Daten und Diensten ermöglicht die Koordination zwischen öffentlichen Institutionen und öffnet die Produktionsprozesse von öffentlichen Dienstleistungen für Akteure, die traditionell außerhalb der öffentlichen Verwaltung stehen. GaaP erleichtert die Schaffung von öffentlichem Wert, indem es die Fähigkeit von Organisationen des öffentlichen Sektors erhöht, auf vielfältige und sich ändernde Erwartungen und Bedürfnisse zu reagieren. Der Einsatz von Plattformkonfigurationen öffnet den Prozess der Dienstleistungserstellung für externe Akteure, um bessere Dienstleistungen und innovative Lösungen anzubieten, die den Erwartungen der Nutzer/-innen entsprechen. Beispielsweise ermöglicht der offene Zugang zu anonymisierten medizinischen Daten Dritten, etwa Universitäten, Pharmaunternehmen und Start-ups, viele verschiedene Arten von Behandlungen und digitalen Anwendungen zu erstellen, die öffentlichen Einrichtungen dabei helfen können, den Nutzer/-innen bessere und mehr Behandlungsoptionen anzubieten. Entscheidende Vorteile von GaaP-Transformationsprojekten in der Praxis sind die Effizienzgewinne bei der Schaffung und Bereitstellung von öffentlichem Nutzen und die Innovationen, die Plattformökosysteme ermöglichen. Indem Regierungen eine "breite Plattform für öffentliche Wertschöpfung" bereitstellen, könnten Silos innerhalb der Regierung abgebaut und die interne Koordination, der Datenaustausch und die öffentliche Wertschöpfung verbessert werden. Dass auch in Deutschland das Potenzial des Plattformansatzes wahrgenommen wird, zeigt das Modul "Digitale Plattformen als Motor der Digitalisierung in der Verwaltung", das aktuell im Rahmen des eGov-Campus entsteht und maßgeblich von der TU München gestaltet wird (7). Und schließlich verfolgt auch die FITKO auf Basis eines Beschlusses des IT-Planungsrates seit Ende 2020 diesen Ansatz im föderalen IT-Architekturmanagement (8).

Doch was bedeutet dieser Ansatz konkret für die Umsetzung des OZG? Die Digitalisierung der deutschen Verwaltung könnte ebenfalls von Plattformökosystemen profitieren und damit unter anderem die OZG-Umsetzung unterstützen. Denkbar ist eine von der FITKO organisierte Plattform, die Informationen sowie Werkzeuge und Austauschmöglichkeiten zu Architektur, Komponenten und Schnittstellen der OZG-Umsetzung zur Verfügung stellt. Die Plattform könnte damit der zentrale Ort für die gemeinsame Gestaltung und Weiterentwicklung dieser Artefakte sein. Sie würde einen transparenten Rahmen schaffen und klare Rollen der beteiligten Akteure ermöglichen. Mögliche Plattformnutzer/-innen wären neben Bund, Ländern und IT-Dienstleistern auch Wirtschaft und Zivilgesellschaft sowie Start-ups. Eine solche Öffnung könnte durch Offenheit und Ko-Kreation nicht nur die föderale IT-Architektur weiterentwickeln, sondern auch ein weiterer Schritt hin zur Einbindung von Nutzer/-innen bei der Entwicklung von digitalen Verwaltungsleistungen sein. Eine aktuelle Studie, die fortiss für die FITKO erstellt hat, formuliert dazu konkrete Handlungsempfehlungen (9). Eine der Handlungsempfehlungen lautet: "Einfach beginnen und dann entwickeln" – vielleicht kommen dann die proaktiven und interaktionslosen Verwaltungsleistungen für die Wirtschaft sogar schneller als gedacht.


7    Vgl. eGov-Campus: "Kursankündigung: Digitale Plattformen als Motor der Digitalisierung in der Verwaltung" (zuletzt abgerufen am 18.05.2021).
8    Vgl. fortiss GmbH, Landesforschungsinstitut des Freistaats Bayern für softwareintensive Systeme: "Nutzerzentrierte Verwaltung durch proaktive und interaktionslose Leistungen" (ohne Veröffentlichungsdatum, zuletzt abgerufen am 18.05.2021).
9    Vgl. fortiss GmbH, Landesforschungsinstitut des Freistaats Bayern für softwareintensive Systeme (Hg.), i.A. FITKO (Föderale IT-Kooperation): "Verwaltung. Digitalisierung. Plattform. Kurzstudie zur Koordination und Gestaltung der deutschen Verwaltungsdigitalisierung mit Plattformökosystemen, Februar 2021" (PDF-Datei, 1,0 MB; zuletzt abgerufen am 18.05.2021).

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