Return on Invest (RoI) als (mögliche) Lösung?

Daher werden Investitionen in die Nachhaltigkeit wohl (auch) über Kredite finanziert werden müssen. Doch in finanzschwachen Kommunen mit defizitären Haushalten dürfte dies nicht möglich sein; denn der Klimaschutz als ein zentrales Element der Nachhaltigkeitspolitik gilt (noch immer) als freiwillige Aufgabe. Auflagen der Auf­sichts­be­hör­den im Geneh­mi­gungs­ver­fahren betreffen gerade diesen Bereich.

Vielleicht bietet sich aber ein Rückgriff auf ein altes Konzept der Kameralistik an: Die rentierliche Investition, d. h. ein Vorhaben, das sich durch künftige Erträge refinanziert. Das typische Beispiel waren kostendeckende Gebüh­ren­haus­halte. Diese Betrach­tungs­weise gab es in der alten Kamera­lis­tik vor 1974/75. Mit dem Ge­samt­deckungs­prin­zip der erwei­terten Kameralistik war eine solche Klassi­fizierung hingegen nicht möglich. Um zu vermeiden, dass Investi­tionen in die Abwasser­besei­tigung auf Grund fehlender Finanz­kraft unter­blieben, hatte Nordrhein-West­falen 1989 verfügt, dass die Kredit­aufnahme – soweit sie sich Abwasser­beseitigungs­anlagen zurechnen ließ – nicht nach den üblichen Maßstäben der dauerhaften Leistungsfähigkeit zu beurteilen sei.(10)

Der „Klassiker“ des RoI ist das Energiesparcontracting. Hierbei erfolgt zwar in der Regel keine direkte, im Haushalt sichtbare Investition. Aber haus­halts­rechtlich handelt es sich um ein kreditähn­liches Rechtsgeschäft (§ 86 Abs. 4 GO NW). Denn die Finanzierung der Investition – die z. B. ein kommunales Energie­versorgungs­unternehmen tätigt – erfolgt aus den Kosten­einspa­rungen beim Energie­verbrauch der Kommune.

Im Gefolge des Verkaufs der städtischen Wohnungen in Dresden wurde die Frage aufgeworfen, ob über den rein fiskalischen Effekt hinaus kommunale Wohnungs­unternehmen eine Stadt- oder Sozial­rendite erwirtschaften.(11) Das führt zu der Frage, ob nicht Investitionen in die Nachhaltigkeit auch eine „Rendite“ erbringen, die u. a. an der Schadensvermeidung anknüpfen könnte.(12) So einfach wie beim Energiesparcontracting wird das nicht möglich sein. Allerdings könnte auf ein vergleichbares Verfahren der gesetzlichen Unfallversicherung Bezug genommen werden. Dabei wird betrachtet, ob sich die Kosten für Präventionsmaßnahmen „lohnen“ („return on prevention“).(13) Kürzlich legte auch der Verband der kommunalen IT-Dienstleister eine Berechnung zu den positiven Effekten von Investitionen in die Digitalisierung vor („Effizienzgewinne“).(14) Wenn und soweit auch Investitionen in die Nachhaltigkeit eine positive Rendite erwarten lassen, wäre – wie im Fall der Ab­wasser­be­sei­tigung – eine weniger restriktive Handhabung der Kreditgenehmigung durchaus denkbar.

Nachhaltigkeit als Vision verstehen

Die Investitionen der Kommune müssen sich an einem definierten Nach­haltig­keits­ziel orien­tieren und als gemein­same Mission aller Akteure ver­standen werden. Mit plakativen Aktionen wie der Ausrufung des Klima­not­stands ist es nicht getan. Die örtliche Gemeinschaft muss überzeugt sein, dass die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung Nach­haltigkeit auch wollen und diese Zielsetzung auch befürworten. Ein gutes Beispiel liefert wiederum die gesetzliche Unfallversicherung. Seit mehr als zehn Jahren verfolgt sie die „Mission Zero“: „Die Vision Zero ist die Vision einer Welt ohne Arbeits­unfälle und arbeits­bedingte Erkran­kungen. Höchste Priorität hat dabei die Vermeidung tödlicher und schwerer Arbeitsunfälle und Berufs­krankheiten. Eine umfassende Präventionskultur hat die Vision Zero zum Ziel. […] Damit die Vision Zero aber eines Tages Wirklichkeit wird, muss die Präventions­arbeit immer wieder neu auf dieses Ziel ausgerichtet werden. Dieser breite und vernetzte Ansatz verlangt die Mitwirkung aller gesell­schaftli­chen Akteure.“(15)

Allerdings stellt sich die Frage, ob die Bevölkerung bereit ist, den Weg einer Nachhaltigkeits-Vision mitzugehen. In einem Experiment wurde rund 2.000 Personen die Frage gestellt, ob und wenn ja in welchem Umfang sie einen zusätzlich zur Verfügung gestellten Betrag von 198 Euro für den Klimaschutz einsetzen würden. Zwar lehnten nur 11% der Befragten es ab, das Geld für den Klimaschutz zu verwenden; umgekehrt waren aber auch nur 16% bereit, den vollen Betrag zu geben (Abb. 4).(16) Ob die Zahlungsbereitschaft angesichts der steigenden Energiekosten noch realistisch ist, sei dahingestellt. Der Anteil jener, die gar nicht oder wenig für den Klimaschutz hergeben würden, dürfte jedoch höher ausfallen.

Klimaschutz und Willingness to pay

Abb. 4: Klimaschutz und Willingness to pay: Wieviel Prozent der Befragten wären bereit, einen ihnen zusätzlich zur Verfügung gestellten Beitrag für den Klimaschutz einzusetzen?


Ein kurzes Fazit

Wer ein Umsteuern kommunaler Aktivitäten hin zur Nachhaltigkeit erreichen will, kommt – nach Ausschöpfung anderer Möglichkeiten – nicht umhin, auch die Kreditfinanzierung der Kommunen in Betracht zu ziehen. Dazu bedarf es zum einen einer Nutzen-Kosten-Analyse von Investitionen (und anderen Maßnahmen) in die Nachhaltigkeit. Gleichzeitig müssen Aufsichtsbehörden ihre streng fiskalisch orientierte Genehmigungspraxis überdenken.

Der Text ist eine überarbeitete Version eines Vortrages, den der Autor während einer Sitzung des AWV-Arbeitskreises 1.1 „Öffentliche Finanzen und Nachhaltigkeit“ gehalten hat.


10 Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht durch die Gemeinden und hierfür zulässige Organisationsformen, Gemeinsamer RdErl des Innenministers und des Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft vom 3.1.1989, vgl. MinBl. NW vom 8.2.1989  S. 83, Ziff 1.3.
11 Vgl. u. v. a. T. Lenk et al.: Stadtrendite von Wohnungsgenossenschaften 2009–2012, Leipzig 2013, online: https://bit.ly/402aAJJ [21.03.2023].
12 Vgl. hierzu das Projekt „Nachhaltigkeitshaushalt und Nachhaltigkeitsrendite“ des Deutschen Instituts für Urbanistik: online: https://difu.de/projekte/nachhaltigkeitshaushalt-und-nachhaltigkeitsrendite [21.03.2023].
13 Vgl. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (Hg.): Berechnung des internationalen „Return on Prevention“ für Unternehmen: Kosten und Nutzen von Investitionen in den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz, in: DGUV Report 1/2013, online: https://bit.ly/3TyeMhG [21.03.2023].
14 Vgl. IWConsult: Die Bedeutung der Vitako-Mitgliedsunternehmen: Enabler für digitale Verwaltungsleistungen, Berlin 2022,  S. 15, online: https://vitako.berlin/wp-content/uploads/2022/05/2022-05-13_IWImpactstudieVitako.pdf [21.03.2023].
15 Internetseite der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung zu Vision Zero: https://www.dguv.de/de/praevention/visionzero/index.jsp.
16U. J. Heuser: Bereitschaft zum Klimaschutz: Wir sind besser, als wir glauben!, in: Die Zeit, 01.09.2022, S. 27 (basiert auf: briq policy monitor #3: https://www.briq-institute.org/media/briq_policy_monitor_03.pdf Methodisch ist zur Befragung anzumerken, dass es für die Probanden um zusätzliches Geld ging; ob die Bereitschaft zum Ressourceneinsatz ebenso ausgefallen wäre, wenn der Betrag aus dem vorhandenen Einkommen hätte genommen werden müssen, muss dahingestellt bleiben).

Grafik: Gunnar Schwarting

Zurück zu Seite 1 | zurück zu Seite 2 | Seite 3