Wenn ein vor kurzem anerkannter Asylbewerber Sie im Aufzug treffen und Sie um drei schnelle Tipps bitten würde, wie er zu einem guten Job in Deutschland kommen kann, was antworten Sie ihm?
Eine schöne Frage. Ich würde immer raten „Wenden Sie sich ans Jobcenter in der Nähe, nutzen Sie Ihr Netzwerk, planen Sie Ihr mittelfristiges Ziel in Deutschland und bedenken Sie die Schritte, die Sie dafür gehen müssen.“ Dabei ist wichtig zu wissen, dass Sprachkenntnisse und Qualifikationen verloren gehen, wenn man sie nicht anwendet und trainiert. Mein Rat wäre deshalb auch, die Zeit der Arbeitslosigkeit möglichst kurz zu halten. Eine lange Dauer der Arbeitslosigkeit ist das größte Hemmnis bei der Arbeitsaufnahme. Steigen Sie deshalb, wenn es sinnvoll ist, auch unter Ihrer eigentlichen Qualifikation ein, lassen Sie das Anerkennungsverfahren parallel laufen und qualifizieren Sie sich dann während der Beschäftigung weiter.
(Foto: Bundesagentur für Arbeit) |
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Daniel Terzenbach, geboren 1980 in Freiensteinau, ist seit März 2019 Vorstand Regionen der Bundesagentur für Arbeit. Er studierte Social Management an der Fachhochschule Dortmund und war dort wissenschaftlicher Mitarbeiter, bevor er ab 2006 im Jobcenter Märkischer Kreis arbeitete. 2009 wechselte er in die Zentrale der BA in Nürnberg und war dort unter anderem als Beauftragter des Vorstandes für die Arbeitsmarktintegration geflüchteter Menschen sowie als Geschäftsführer Qualität, Umsetzung, Beratung (QUB) tätig. Am 18. Oktober 2023 wurde er als „Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten“ durch den Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, vorgeschlagen und für den Zeitraum von Oktober 2023 bis Juli 2024 von der Bundesregierung in diese Funktion berufen. |
Wenn Sie nun im Aufzug eine mittelständische Unternehmerin treffen, die händeringend auf der Suche nach Fachkräften ist und Sie fragt, wie sie diese findet, wie lautet Ihre Antwort?
„Geben Sie auch Bewerberinnen und Bewerbern eine Chance, die noch nicht perfekte Deutschkenntnisse mitbringen, denn geflüchtete Menschen bringen viele Qualifikationen mit. Lernen Sie Menschen mit Fluchtgeschichte kennen, zum Beispiel bei einer unserer Messen, und machen Sie sich selbst ein Bild von den jeweiligen Talenten und Fähigkeiten. Ob jemand zu Ihnen und Ihrem Betrieb passt, können Sie auch durch Praktika und Probearbeiten feststellen, die wir fördern können. Nutzen Sie unsere Beratungs- und Förderangebote, wenden Sie sich an den Arbeitgeberservice.“
Das gilt aber auch und besonders für die öffentliche Verwaltung. Der demografische Wandel wird eine spürbare Fachkräftelücke in den öffentlichen Dienst reißen, weil die Beschäftigtenstruktur im Schnitt älter ist. Durch Digitalisierung allein werden wir das nicht ausgleichen können. Mein Rat wäre deshalb, früh mit der Talentgewinnung zu beginnen und geflüchtete Menschen in der Beschäftigung weiter zu qualifizieren.
Werfen wir abschließend einen Blick über den Tellerrand: Wie schätzen Sie Deutschland im internationalen Vergleich ein? Welche guten Ansätze könnte Deutschland von anderen Ländern übernehmen?
Wir haben gezielt in unsere europäischen Nachbarländer geschaut, um Integrationserfolge zu vergleichen, aber auch um Optimierungsansätze adaptieren zu können. So waren wir u. a. in den Niederlanden, Dänemark, Norwegen, Schweden und Österreich. Die Erfahrungswerte aus dem Ausland sowie die Erkenntnisse aus der Fluchtbewegung in den Jahren 2015/2016 haben wir beim Job-Turbo berücksichtigt und einbezogen.
Diskutiert werden oft die auf den ersten Blick scheinbar besseren Erwerbsquoten in Nachbarländern, wie zum Beispiel den Niederlanden. Hier muss man aber auch wissen, dass in den Niederlanden sogenannte On-Call-Jobs, bei denen die Arbeitskräfte stundenweise abgerufen werden können, in der Statistik trotzdem als Beschäftigung gezählt werden.
Wenn wir die langfristige Perspektive betrachten, dann läuft die Arbeitsmarktintegration Geflüchteter in Deutschland sogar überdurchschnittlich. Aktuelle Auswertungen unseres Forschungsinstitutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigen, dass die sogenannte Erwerbstätigenquote der 2015 nach Deutschland zugezogenen Geflüchteten inzwischen bei 64 Prozent liegt und sich damit dem Bevölkerungsdurchschnitt von 77 Prozent annähert.
Wenn man dabei nur die Männer anschaut, arbeiten sogar drei Viertel. Zum Vergleich: Die Quote der männlichen Bevölkerung liegt da auf gleichem Niveau. Zutreffend ist allerdings auch, dass es bisher weit weniger gut gelingt, geflüchtete Frauen aus den Asylherkunftsländern in Arbeit zu bringen. Hier arbeitet knapp ein Drittel der 2015 zugezogenen Frauen.
Auch im internationalen Vergleich zeigt sich, dass sich die Investition in Sprache lohnt, denn die Integrationen in den Arbeitsmarkt sind dann nachhaltiger. Direkte Integration in Arbeit ohne Sprachkenntnisse hat, wissenschaftlich belegt, eher eine negative Auswirkung auf die Nachhaltigkeit der Beschäftigungsverhältnisse.
Wir danken Ihnen herzlich für das Interview!
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