Ein Arbeitskreis der AWV widmet sich dem Thema elektronische Rechnungsstellung, deshalb die Frage: Welche intelligenten Lösungen sehen Sie aktuell und künftig für die vielfältigen Geschäftsprozesse rund um die elektronische Rechnung?
Vielen öffentlichen Institutionen fehlen noch technische und organisatorische Voraussetzungen für den Empfang und die Verarbeitung von elektronischen Rechnungen. Gerade das Thema XRechnung wird zur Zeit viel diskutiert, wobei oft nicht klar ist, was das genau ist und mit welchen Herausforderungen beteiligte Mitarbeiter und Lieferanten damit im täglichen Gebrauch konfrontiert sein werden. Erst wenn man genauer hinsieht wird klar, dass mit einer rein technischen Lösung zum Import von XRechnungen in das vorhandene HKR- oder Buchhaltungssystem lediglich eine technische Grundvoraussetzung geschaffen wird, doch ist der Weg zum Ziel noch ein ganzes Stück weiter.

Wichtig dabei ist auch, die eigenen Lieferanten bei der Umsetzung des E-Rechnungsgesetzes nicht außer Acht zu lassen und deren eigene Herausforderungen zu kennen. Nur wenn sichergestellt ist, dass Waren und Dienstleistungen auch XRechnung-konform abgerechnet werden können, kann die jeweilige Kunden-Lieferantenbeziehung ohne Unterbrechungen weitergeführt werden. Statt jeweils die eigenen Systeme mit beträchtlichem finanziellem Aufwand bereit für den Empfang von XRechnungen zu machen, kann es zielführender sein, auf die Erfahrung und Leistungsfähigkeit eines E-Invoicing Providers zu setzen. Solche Provider können, neben vielen weiteren Dokumenten- und Datenformaten, auch XRechnungen empfangen. KI-Software synchronisiert die übertragenen bzw. extrahierten Metadaten mit den Unternehmensprozessen und bedient vorhandene HKR- und Buchhaltungssysteme der Auftraggeber. Sämtliche Absprachen und Unklarheiten zwischen Sendern und Empfängern klärt dieser Dienstleister. Und gleichzeitig sind öffentliche Auftraggeber über diesen Dienstleister schnell und zuverlässig in der Lage, das Format XRechnung zu empfangen und zu verarbeiten. Solche Verfahren lassen sich auch mit KI-Systemen zur automatischen Erkennung von fehlerhaften und dolosen Buchungen kombinieren, indem ein tiefes neuronales Netz verdächtige Anomalien in den Buchungssätzen identifiziert.

Sie vertreten den Standpunkt, dass KI unsere Gesellschaft zum Besseren verändern kann. Wie könnte unsere Gesellschaft dank KI in zehn Jahren aussehen?
Die KI hat beeindruckende Technologien hervorgebracht, die Industrie, Behörden und Gesellschaft immensen Nutzen bringen. KI-Systeme können jetzt in mehrere Sprachen übersetzen, Objekte in Bildern und Videos identifizieren, Fertigungsprozesse rationalisieren sowie Flugzeuge, Erntemaschinen und Fahrzeuge steuern. Während wir uns längst an Maschinen gewöhnt haben, die stärker, schneller, oder ausdauernder physische Arbeit verrichten, übernehmen smarte Maschinen zunehmend auch Aufgaben, für die „Verstehen“ und „Denken“ nötig sind! Dabei geht die Tendenz durchaus von kooperativen Assistenzsystemen über wechselseitig abhängige Mensch-Maschine-Szenarien hin zu Tätigkeiten, wo Mensch und digitale Agenten auch bei kognitiven Aufgaben im Wettbewerb miteinander stehen.

Der Einsatz von KI-Systemen hat eine Milliarden-Euro-Industrie geschaffen, die sich in den nächsten Jahren voraussichtlich vervielfachen wird. Die sukzessive Zunahme solcher zunehmend miteinander vernetzten Systeme und die damit verbundene Komplexität sollte uns aber auch vor Augen führen, dass wir die KI-Systeme der Zukunft fair, erklärbar, vertrauenswürdig und sicher machen müssen. Je weiter wir diese Entwicklung denken, umso mehr müsste gewährleistet sein, dass die eingesetzten Systeme die Konsequenz ihres Handelns beurteilen können, komplexe Aufgaben und Verantwortlichkeiten effektiv und ethisch behandeln, eine sinnvolle Kommunikation betreiben und ihre Kompetenz durch Erfahrung verbessern. In einzelnen Bereichen scheint dies durchaus möglich, aber ich persönlich bin davon überzeugt, dass wir das Potenzial dieser Technologie nur dann voll ausschöpfen können, wenn wir sie primär als kognitiven Leistungsverstärker betrachten, also im Sinne eines digitalen Partners, der unseren Verstand anregt, ergänzt und erweitert.

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