Als Professor für Informatik an der Universität Kaiserslautern ist die wissenschaftliche Nachwuchsförderung wichtiger Bestandteil Ihres Berufsalltags. Im internationalen Vergleich besitzt Deutschland bisher nicht die höchste Anziehungskraft für KI-Experten. Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um Nachwuchsforscher in Deutschland zu halten bzw. Deutschland als attraktiven Standort für KI-Experten aus dem Ausland zu etablieren?
So ganz stimmt das nicht, unser Ausländeranteil im Masterstudium Informatik an der TU Kaiserlautern liegt bereits bei etwa zwei Drittel, mit zunehmender Nachfrage. Im DFKI ist das ähnlich: Unsere Wissenschaftler kommen derzeit aus 63 Ländern. Das verdeutlicht ein Stück weit, was ein attraktiver Arbeitgeber in der Forschung bewirken kann. Die KI-Spitzenforschung in Deutschland ist jedoch noch viel zu wenig ausgebildet. Es gibt einige Leuchtturminstitutionen, die jedoch an zwei Händen abgezählt werden können. Neben der Bundesinitiative gibt es in vielen deutschen Bundesländern eigene KI-Strategien mit dem Ziel, sich im Wettbewerb um die Talente zu positionieren, oft leider mit mäßigem Erfolg.

Deutschland hat als Forschungsstandort noch immer einen guten Ruf, aber die Marktregeln beim Ringen um die besten Köpfe definieren andere. Unser tradiertes Besoldungssystem ist der aktuellen Entwicklung nicht gewachsen. Bedenkenträger stellen das Besserstellungsverbot über die strategische Weiterentwicklung des KI-Standorts Deutschland. Eine solche Grundhaltung macht es sehr schwer, mit den Big Playern wie den USA oder China mitzuhalten. Daher ist es wichtig, kreative Modelle zu entwickeln, die Forschung außerhalb des öffentlich-rechtlichen Hoheitsgebiets ermöglicht, auch für Professoren. Auch im DFKI versuchen wir hier neue Wege zu gehen, um Forschungstransfer weiter zu professionalisieren und uns von behördlicher Einflussnahme – zumindest ein Stück weit – frei zu machen, aber dazu in einigen Monaten mehr...

Um KI erfolgreich anwenden zu können, fehlt in Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen oftmals die notwendige Expertise. Wie könnten wissenschaftliche Erkenntnisse auf dem Gebiet der KI besser in die Praxis von Unternehmen und Verwaltungen eingebunden werden?
Um dieser Problematik zu begegnen, haben wir am DFKI ein Erfolgsmodell von sogenannten Transferlabs entwickelt, die von Industriepartnern finanziert werden. Unter Berücksichtigung des jeweiligen Firmenprofils und der individuellen Wünsche werden gemeinsam in einem gemischten Team aus Mitarbeitern des DFKI und des Kunden innovative Lösungen im KI-Bereich erarbeitet. Solche Teams können zusätzlich auch z. B. von Stipendiaten ergänzt werden, die im Rahmen einer Graduiertenschule an für den Kunden relevanten Grundlagenthemen forschen. Die Vorteile für Unternehmen liegen somit im Austausch mit dem DFKI, dem Wissensgewinn durch die Zusammenarbeit mit unseren Forscherinnen und Forschern vor Ort und dem Zugang zu Fachkräften sowie der Möglichkeit diese zu rekrutieren. Verschiedene Partner können sich über unsere Graduiertenschule sogar miteinander vernetzen, um gemeinsame Forschungsinteressen zu bündeln.

Im Gegenzug profitiert das DFKI bei der Zusammenarbeit von der Bearbeitung konkreter Probleme, dem Technologietransfer durch gezielte Entwicklungen und somit auch von der Erweiterung des eigenen Leistungsportfolios. Den Promovenden vor Ort kann durch solche Kooperationen außerdem die Möglichkeit geboten werden, an echten Firmendaten zu forschen.

Viele der Lösungen, die am DFKI im Rahmen von Industrieaufträgen entwickelt werden, haben das Potenzial, nicht nur in den Umgebungen der Auftraggeber eingesetzt zu werden, sondern könnten vielen anderen Unternehmen gleichermaßen helfen. Identifizieren wir solche Fälle, versuchen wir gemeinsam mit dem Auftraggeber und den beteiligten Mitarbeitern, Strategien zu entwickeln, resultierende Modelle, Verfahren und Systeme in ein Start-up-Unternehmen zu überführen. Dabei bieten wir dem beauftragenden Unternehmen auch an, sich an dem Spin-off zu beteiligen oder aber über die Umsätze die getätigte Investition zurückzuerhalten. Der Vorteil einer solchen Lösung ist auch, dass die Technologie auch für den Auftraggeber kontinuierlich weiterentwickelt wird. Das DFKI kann bereits auf rund 90 erfolgreiche Ausgründungen verweisen.

Start-ups scheinen offener für die Entwicklung und den Einsatz von KI zu sein. Was können kleine und mittlere Unternehmen, was können öffentliche Verwaltungen von Start-ups in diesem Punkt lernen?
Ich denke, dass Gründer in der KI-Szene grundsätzlich problemorientiert arbeiten. Oft haben sie im Rahmen ihrer Abschlussarbeit oder ihrer Projektarbeit Lösungen entwickelt, für die es am Markt noch keine vergleichbaren Produkte oder Systeme gibt. An selbstbestimmten Themen zu arbeiten, die großes Multiplikationspotenzial bieten, schafft natürlich auch ein Gefühl von Freiheit. Diese subjektive Wahrnehmung, agil und unabhängig von vorgegebenen Prozessen, Berichts- und Entscheidungshierarchien am eigenen Projekt zu arbeiten, macht einen Großteil der Motivation aus. Diese ist natürlich auch mit der Erwartung bzw. Hoffnung verbunden, im Falle des Erfolges davon zu profitieren.

In öffentlichen Verwaltungen, wie auch in vielen durchaus etablierten Unternehmen, sind solche Modelle undenkbar bis schwer zu realisieren, denn konservatives Denken, verkrustete Strukturen, fehlende Risikobereitschaft und Besitzstandsdenken hemmen eine entsprechende Entwicklung.

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