Das Vorgehen

Hospitanzen in Wien und Paris
Nach Einarbeitung in das Fachrecht und die internen Verfahrensanweisungen hospitierten die Projektverantwortlichen jeweils mehrtägig in den Rechts- und Konsular-Bereichen (RK-Bereichen) der AV in Wien und Paris. Die Hospitierenden begleiteten die Beschäftigten vor Ort und hatten die Möglichkeit, ihnen bei Tätigkeiten im Rahmen der Leistungserbringung über die Schulter zu schauen. Außerhalb der Sprechzeiten stand das Personal den Projektverantwortlichen für Fragen zu ihren Arbeiten zur Verfügung. So konnten die meisten Gebührentatbestände unmittelbar im Verwaltungsalltag beobachtet und miterlebt werden.

Da ein kleiner Teil der gebührenfähigen Leistungen der AV lediglich im außereuropäischen Ausland zum Tragen kommt und die Schilderungen eindeutig belegten, dass der Beratungsbedarf außerhalb der EU merklich höher ist, waren zusätzliche Besuche außerhalb der EU geplant. Diese entfielen jedoch durch die Covid-19-Pandemie. Die Wissens- und Erfahrungslücken wurden mit Hilfe von umfangreichen explorativen Telefonaten mit zahlreichen außereuropäischen RK-Bereichen geschlossen. Trotz der pandemiebedingten starken Beanspruchung des Auswärtigen Diensts, haben sich über 100 AV schriftlich oder telefonisch an den Befragungen beteiligt.

Die Struktur des Projektes
Die Arbeitsprozesse und die zeitlichen Aufwände wurde in zwei getrennten Projektphasen erhoben. Auf Grundlage aller gesammelten Informationen wurden zunächst gemeinsam mit den AV und der Zentrale für die verschiedenen Verwaltungsverfahren Prozessbeschreibungen entwickelt und abgestimmt. Da die Gebührenrechtsreform die Zuständigkeitsbereiche oder die Verfahrensabläufe der AV in keiner Weise beeinflusst, war aus den Erfahrungen und den Schilderungen verlässlich abzuleiten, für welche gebührenfähige Leistungen Festgebühren möglich sind. Für die Gebührentatbestände, die gemäß der Praxis-erfahrung zeitlich stark variieren, wurde unmittelbar die Zeitgebühr als Gebührenart bestimmt und auf eine Erhebung der Bearbeitungszeiten verzichtet.

Zur Gewährleistung einer vollständigen prozessorientierten Darstellung der internen Verfahrensabläufe, wurde im Zuge der Aufbereitung der Arbeitsschritte darauf geachtet, dass diese eindeutig abgegrenzt, ausreichend differenziert und der gebührenfähigen Leistung zurechenbar sind. Gleiche Prozesselemente in verschiedenen Verfahren wurden dabei auch gleich formuliert und strukturiert. Ergänzend wurde für jeden Gebührentatbestand geprüft, ob anfallende Sachmittel und Auslagen zu berücksichtigen sind. Die Prozessdarstellungen untergliedern sich in Prozessbausteine und Arbeitsschritte. Durch die zweistufige Struktur wurde eine größere Übersicht des Verwaltungsvorgangs erreicht. Prozessbausteine stellen dabei zu den Arbeitsschritten eine übergeordnete Gliederungsebene dar. In einem Prozessbaustein werden all jene Arbeitsschritte zusammengefasst, die inhaltlich klar einem Teilprozesselement zuzuordnen sind. Sie dienen damit sowohl der inhaltlichen Beschreibung als auch der sachlichen Gliederung.

Erhebung der Daten
Auf der Grundlage der Prozessdarstellungen wurden dann Erhebungsmatrizen erstellt. Die Beschäftigten hatten damit die Möglichkeit, laufbahnspezifische Zeitangaben zu machen. Waren Lokalkräfte in die Prozessabläufe eingebunden, konnten auch diese ihre Zeitansätze den Arbeitsschritten zuordnen. Insgesamt wurden für ca. 20 Gebührentatbestände Erhebungsmatrizen erstellt und über Berlin an alle AV und das BVA elektronisch versandt. Innerhalb der auf acht Wochen befristeten Erhebungsphase erfassten alle Beteiligten die bei der Bearbeitung der jeweiligen gebührenfähigen Leistung anfallenden zeitlichen Aufwände. Dabei waren Zeitaufschreibungen parallel zur Bearbeitung aktueller Fälle oder Aufschreibung auf der Basis erworbener Erfahrungen methodisch gleichermaßen zulässig. Darüber hinaus war es möglich, zusätzlich zu den Zeitangaben weitere Erläuterungen zu den einzelnen Arbeitsschritten anzugeben. Insgesamt wurden damit ca. 750 Messpunkte auf allen bewohnten Kontinenten erhoben. Diese Datenbasis wurde durch zusätzliche telefonische Expertengesprächen mit ca. 70 Honorarkonsuln erweitert. Die Anzahl der Aufschreibungen sollte eine ausreichende Datenqualität und dadurch eine valide Berechnung der Gebührensätze sicherstellen.

Die Prüfung der gesammelten Daten
Die Zeitaufschreibungen wurden elektronisch übermittelt und direkt erfasst. Danach erfolgte eine qualitative und quantitative Plausibilitätsprüfung. Dabei wurden offensichtliche Fehler der notierten Zeitwerte korrigiert, bspw. die fehlerhafte Berücksichtigung von Liege- oder Wartezeiten. Anschließend wurden doppelte Meldungen identischer Vorgänge gelöscht sowie unvollständige Meldungen identifiziert. Um widersprüchliche und unvollständige Vorgänge zu korrigieren bzw. zu ergänzen, wurden diese soweit möglich mit dem jeweils beteiligten Personal rückgekoppelt. War eine Klärung nicht möglich, blieben diese Meldungen unberücksichtigt. Danach erfolgte eine quantitative Plausibilitätsprüfung mittels dem Interquartilsabstand mit dem Ziel Ausreißer zu eliminieren. Nach der Datenplausibilisierung erfolgte die Prüfung hinsichtlich ihrer Eignung zur Festgebühr. Nach der Begründung zur AGebV ist die Bestimmung einer Festgebühr nur dann möglich, wenn für die gebührenfähige Leistung eine durchschnittliche mittlere Bearbeitungszeit ohne erhebliche Abweichungen vom Normalfall festgestellt werden kann.(2) Eine definierte maximal zulässige Streuung der Daten darf nicht überschritten werden. Als statistische Kenngröße wurde hierfür der Varia­tionskoeffizient verwendet. Dieses von den absoluten Bearbeitungszeiten unabhängige Streuungsmaß ist über sämtliche Gebührentatbestände trotz unterschiedlicher Prozessstrukturen einheitlich anwendbar. Ergab sich ein Variationskoeffizient von größer als 0,5, war dies ein Kennzeichen einer zu hohen Streuung. Die Abweichung im Sinne der AGebV war demnach erheblich, was im Ergebnis bedeutet, dass sich der Gebührentatbestand gemäß der Datenbasis als Zeitgebühr, nicht aber als Festgebühr, eignet.

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2 Bundesministerium des Innern, Bekanntmachung der Begründung zur Allgemeinen Gebührenverordnung (AGebV) vom 5. Februar 2015, S. 12, online: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/gesetzestexte/begruendung-allgemeine-gebuehrenverordnung.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (PDF-Datei, 1,15 MB; abgerufen am 17.09.2021).