Benötigt werden konkrete Impulse, Anregungen, Werkzeuge

Megatrends haben zwar lange Laufzeiten und erfassen alle Lebensbereiche, jedoch gibt es keinen gemeinsamen Startpunkt, keinen einheitlichen Verlauf und auch keinen gleichförmigen Fortschritt in der Umsetzung innovativer Technologien, Organisationsformen und Geschäftsmodelle. Dennoch: Bestehende Strukturen geraten in Bewegung. Jede Organisation muss sich am besten in einem Gegenstromverfahren damit auseinandersetzen, wenn um sie herum dynamische Entwicklungen erfolgen, die man nicht mitvollziehen kann. Das erzeugt Spannungen. Wenn Unternehmen agiler und flexibler werden müssen, um am Markt bestehen zu können, werden sie auch von Verwaltungen Agiltität und Flexibilität erwarten. Gleiches gilt für die Bürger, die auf smarte Verfahren eingerichtet sind. Ansonsten drohen Legitimitätsverluste. In diesem Sinne müssen sich auch Verwaltungen verstärkt als Dienstleister verstehen und sich dem Markt und seinen Dynamiken öffnen. Das hat Auswirkungen sowohl nach außen als auch nach innen: Man wird verstärkt Partner an Märkten und braucht dazu auch im Inneren verstärkt marktorientierte und weniger hierarchische Strukturen. Selbstorganisierte Projekt- oder Teamstrukturen, Empowerment der operativen Basis und transparente Kooperation über starre Zuständigkeits- und Silogrenzen können für eine solche Öffnung und eine verstärkte Dienstleistungsorientierung stehen.

Vor diesem Hintergrund erscheint es dringend geboten, über alle möglichen Kanäle, werbend und beschwörend, Impulse und Anregungen zu weiteren Anstrengungen im Bereich der Digitalisierung zu geben. Damit diese in der Praxis ankommen und fruchtbare Wirkung zeigen, müssen sie jedoch konkret und an spezifische Akteure gerichtet sein. Von daher hat die Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.V. ihren Arbeitskreis 1.7 „Personalmanagement im Zeitalter der Digitalisierung“ gebildet. Er befasst sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung speziell im Personalmanagement und zeigt Ansätze auf, wie in diesem Bereich erforderliche Anpassungen an die Digitalisierung und Prozessinnovationen erfolgreich bewältigt werden können. Es kommt angesichts vielfältiger Verzögerungen nun darauf an, den Einstieg zu finden. Mehr Handeln statt Reden ist angesagt.Die drei Projektgruppen des Arbeitskreises 1.7 erörtern praxisrelevante Themen der Personalführung, der Personalentwicklung und des Personaleinsatzes. Ergebnisse, Werkzeuge und Gestaltungsempfehlungen werden in drei Online-Publikationen im Juni 2018 veröffentlicht und ausführlich vorgestellt.

Schnittstellen zwischen digitalerInformationstechnologie und modernem Personalmanagement

Das Personal- oder Human Ressource-Management befasst sich mit verschiedensten Fragen rund um die personelle Ausstattung von Organisationen mit Blick auf die zentralen strategischen Ziele, die es durch abgestimmte Zusammenarbeit wirtschaftlich effizient und motivational zufriedenstellend zu erreichen gilt. Von zentraler Bedeutung sind Personalführung, Personalentwicklung und Personaleinsatz. Hinsichtlich dieser drei Bereiche gilt es aufzuzeigen und an Beispielen zu untermauern, wie sich die zunehmende Vernetzung infolge der Digitalisierung auswirkt, welche Chancen darin liegen und welche Anpassungsmaßnahmen sich bewährt haben und ergriffen werden können.

Als oberste Maxime eines betriebswirtschaftlich ausgerichteten Personalmanagements könnte gelten, dass Mitarbeiter in ausreichender Zahl und ausreichender Qualität zum erforderlichen Zeitpunkt an der ausgewiesenen Stelle sind (Scholz, 2014). Man möchte fast ergänzen: Und dann das tun, was ihnen befohlen wird. So einfach, wie es diese ironisch gemeinte Maxime zum Ausdruck bringt, ist es aber in der betrieblichen Realität nicht.

Eine solche rationale, logistiknahe Maxime vernachlässigt

  • zum ersten, dass die Humanressourcen in der Arbeitssituation nicht nur präsent und verfügbar sein müssen, sondern auch zum motivierten und engagierten Einsatz gebracht werden müssen. Präsenz reicht nicht, sondern Engagement ist gefordert. Gerade in diesem Feld sind Führungskräfte im Zeitalter der Digitalisierung herausgefordert, wenn es um die Gestaltung von Arbeitsbedingungen, die Bewältigung von Konflikten, die Würdigung von Leistungen oder die Anerkennung eines geänderten Hierarchieverständnisses geht. Die Projektgruppe 1.7.1 „Führung“ zeigt auf, welche Veränderungen sich bezüglich der Personalführung durch Digitalisierung ergeben und wie auf diese Veränderungen reagiert werden kann.

  • Zum zweiten bleibt oftmals unklar, wie ermittelt werden kann, welche Humanressourcen in welcher Qualität aktuell und zukünftig bereitgestellt werden müssen, zumal fortlaufende Veränderungen in der Arbeitsorganisation, beim Einsatz neuer Technologien und Materialien sowie bei der Produktentwicklung mit Veränderungen in den Qualifikationsanforderungen einhergehen. Gerade im Bereich digitaler Qualifikationen werden durchweg erhebliche Defizite sowohl seitens der Beschäftigten als auch seitens der Führungskräfte beklagt. Die Projektgruppe 1.7.2 „Kompetenzentwicklung“ zeigt auf, welche Veränderungen in den  Arbeitsprozessen und am Arbeitsmarkt durch Digitalisierung zu erwarten sind, wie sich die erforderlichen Kompetenzstrukturen verschieben und was getan werden kann, um dynamische Anpassungen der Kompetenzen zu erzielen.

  • Zum dritten haben sich gerade hinsichtlich der Arbeitszeit und des Arbeitsortes in den letzten 20 Jahren deutliche Veränderungen ergeben. Viele innovative Arbeitsformen wurden entwickelt, die es ermöglichen, Arbeitszeiten flexibel zu halten und selbst auf einen dauerhaften Präsenzarbeitsplatz im Unternehmen zu verzichten. Die Digitalisierung begünstigt eine weitere, auch im Team abgestimmte Flexibilisierung von Arbeitszeiten und eröffnet viele Möglichkeiten zur Gestaltung mobiler Arbeit an stets wechselnden Arbeitsplätzen oder gar als Freelancer im Internet. Mehr Mut zur Innovation statt starres Festhalten an traditionellen Formen ist gefragt. Die Projektgruppe 1.7.3  „Flexibles Arbeiten“ zeigt auf, welche Voraussetzungen in Organisationen geschaffen werden müssen, damit einerseits flexibles und mobiles Arbeiten möglich wird, andererseits aber auch die Einhaltung der vereinbarten Absprachen kontrolliert werden kann.

Absehbar ist schon heute, dass auch das Personalmanagement im Zuge der Digitalisierung ein neues Gesicht gewinnt, zumal es zentral auf Prozessen der Informationssammlung, -speicherung und -verarbeitung basiert. Es wird darauf ankommen, diese Prozesse zu optimieren und dabei aus der Rolle einer passiven, Kosten erzeugenden Datenverwaltung in die einer aktiven, Werte schaffenden Datenverarbeitung hineinzuwachsen. Die Arbeit mit Daten zu Diagnose-, aber auch zu Entwicklungsprozessen nimmt immer mehr Raum ein und lässt Informationen zum Personal zu einer zunehmend wichtigeren Quelle für strategische Entscheidungen des Spitzenmanagements werden.

Literatur
Frey, C. & Osborne, M.A. (2013) The future of employment: How susceptible are jobs to computerization. University of Oxford.
Keese, C. (2016)  Silicon Germany. Wie wir die digitale Transformation schaffen. München: Knaus.
Naisbitt, J. (1984) Megatrends. Zehn Perspektiven, die unser Leben verändern werden. Bayreuth: Hestia.
Osterwalder, A. & Pigneur, Y. (2011) Business Model Generation: Ein Handbuch für Visionäre, Spielveränderer und Herausforderer. Frankfurt: Campus.
Scholz, C. (2014) Personalmanagement: Informationsorientierte und verhaltenstheoretische Grundlagen. München: Vahlen.

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Text: Professor Dr. Manfred Bornewasser Universität Greifswald / Leiter AWV-AK 1.7