Daten und sichere digitale Identitäten sind die Topthemen der nächsten Jahre
Daten sind weder das neue Öl noch das neue Uran, sondern ein zen­traler Rohstoff sowie eine universelle Ressource in einer zunehmend datengetriebenen Wirtschaft und  Gesellschaft. Daher gilt es, Daten in Bezug auf deren Erschließung, Aufbereitung, Bereitstellung und Bewirtschaftung in Zukunft auch ähnlich zu behandeln wie Strom, Gas oder Wasser. Begriffe wie digitale Stadtwerke oder regionale Datenwerke lassen schon heute entsprechende Entwicklungen erkennen. Jedoch bilden die digitalen Daten selbst nur eine der Voraussetzungen für den Aufbau datenbasierter Wertschöpfungsketten oder Ökosysteme. Denn die Erschließung der vielfältigen Effizienz- und Gestaltungspotenziale digitaler Daten setzt eine flächendeckende Verfügbarkeit, umfassende Bekanntheit und breite Nutzung sicherer digitaler Identitäten voraus. Ein zentrales Element einer solchen vertrauenswürdigen Infra­struktur zur dezentralen Implementierung digitaler Identitäten werden sichere digitale Brieftaschen (Wallets) sein. Darin können auf der Basis offener Standards und Schnittstellen sämtliche vertrauenswürdige Zertifikate unterschiedlicher Identitäts-Provider abgelegt und später in verschiedenen Anwendungsszenarien eingesetzt werden, z. B. behördliche Bescheide, berufliche Zertifikate oder digitale Zugänge zu Veranstaltungen.(7)

Software und Fachverfahren als Festnetztelefone
Mit zunehmender Vernetzung und fortschreitender Konvergenz der aktuell noch überwiegend nebeneinander laufenden Entwicklungstrends im Bereich der Wirtschafts- und Verwaltungsinformatik wird klassischen Software-Lösungen und IT-Fachverfahren wohl die Perspektive von Festnetztelefonen zukommen. Anwendungen wandern nicht nur per se in die Cloud, sondern branchen- oder fachbezogene Plattformen übernehmen unter Einsatz von KI immer mehr Funktionen – und zwar gleichzeitig für immer mehr Verwaltungsprozesse und Verwaltungen. Da es den wenigsten Softwareherstellern gelingen dürfte, selbst ein Plattformunternehmen zu werden, wird deren Entwicklungsperspektive zunehmend in Richtung der Programmierung von Apps und Algorithmen für Datenanalyse, Simulation, Datenvisualisierung oder maschinelles Lernen führen.

Wertigkeit von OZG und EfA
In Bezug auf die Digitalisierung der Schnittstellen zwischen Wirtschaft und Verwaltung geht das vom BMI und dem IT-Planungsrat vorangetriebene „EfA“-Prinzip also genau in die richtige Richtung, auch wenn die konkrete Ausgestaltung dieses Prinzips von der IT-Wirtschaft (vor allem aus wettbewerbsrechtlichen Gründen) aktuell teils scharf kritisiert wird. Die OZG-Umsetzung ist in der jetzigen Phase jedoch als ein wichtiger Innovationsprozess anzusehen, der insbesondere auch in Bezug auf die neue Qualität der ressort-, ebenen- und länderübergreifenden Zusammenarbeit sehr wertvoll ist. Sobald die ersten OZG-Leistungsbündel auf Basis der ersten Welle staatlich geförderter EfA-Lösungen abgeschlossen sind, wäre es sicher denkbar und gesamtgesellschaftlich wünschenswert, auch alternative marktgetriebene Entwicklungen im Bereich plattformbasierter IT-Infrastrukturen im Bereich der öffentlichen Verwaltung voran­zubringen. Dies könnte sowohl öffentlich betriebene, App-basierte Infrastrukturen betreffen, als auch gänzlich alternative Platt­formen auf der Basis standardisierter Schnittstellen zur öffentlichen Verwaltung.

Rolle und Stellung der Kommunen
Hinsichtlich einer möglichen grundlegenden Reform des föderalen Mehrebensystems auf der Basis einer neuen Generation vernetzter (und vermutlich zunehmend plattformbasierter) IT-Infrastrukturen kommt der kommunalen Ebene eine Schlüsselrolle zu. Inzwischen existieren erste interkommunale Initiativen, die Kommunen im Bereich bundes- und landesweit einheitlicher Verwaltungsprozesse auch und gerade durch den Aufbau entsprechender technischer sowie organisatorischer Plattformlösungen stärker zu entlasten, um dafür mehr Ressourcen in Zukunftsaufgaben wie Daseinsvorsorge, Gemeinwohl und Klimaschutz zu investieren (vgl. u. a. „Dresdner Forderungen“). Gleichzeitig wünschen sich zahlreiche Kommunen aktuell eine größere Handlungs- und Gestaltungssouveränität in Bezug auf eine auch länderübergreifende interkommunale Kooperation – beispielweise hinsichtlich der Entwicklung und Nutzung digitaler Technologien. Denn als „Teil der Länder“ sind die Kommunen im föderalen Mehrebenensystem trotz der grundsätzlichen Selbstverwaltungsgarantie gemäß Art. 28 GG aktuell „verfassungsrechtlich unterrepräsentiert“, wie es Ralph Brinkhaus, der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ende Mai in einer Veranstaltung „Zur Modernisierung unseres Staatswesens“ formulierte. Konkret zeigt sich das z. B. auch in der fehlenden eigenständigen Beteiligung in IT-Planungsrat und den Gremien der föderalen IT-Kooperation (FITKO).

Zielbild 2030 und Ausblick
Erste Trends, ein föderales Neudenken, zu dem auch eine Revision der staatlichen Aufga­ben­zuordnung gehört, mit Daten­infrastrukturen und Plattformtechnologien stärker in Einklang zu bringen, lassen sich bereits heute erkennen. In den kom­men­den Jahren wird es darauf ankommen, sowohl normative als auch technologische Herangehensweisen noch stärker zu verzahnen. In diesem Prozess kann insbesondere den länder­übergreifenden Metropolregionen (z. B. der Metropolregion Rhein-Neckar) mit ihren etablierten Strukturen der länder- und ebenenübergreifenden Zusammenarbeit in Zukunft eine noch wichtiger werdende Katalysatorfunktion zukommen. Diese begründet sich u. a. dadurch, dass solche Institutionen strukturell i. d. R. weniger an landespolitischen Zielsetzungen ausgerichtet sind. Gleichzeitig stehen die strategischen regionalen Entwicklungsziele (z. B. Standort- und Lebensqualität, Inno­vationskraft etc.) oft im Einklang mit nationalen oder europäi­schen Entwicklungszielen.

Denkt man den durch die OZG-Umsetzung deutlich forcierten Transformationsprozess im Bereich der öffentlichen Verwaltung weiter, dürfte es schon bald eine Initiative à la „Deutschland Digital 2030“ geben, welche dann hoffentlich die heute noch zu stark getrennten Handlungsfelder E-Government, Smart City, digitale Identitäten und KI intelligent verbinden wird. Hier kommt auf uns alle noch viel interessante Arbeit zu, zu der auch die AWV im 96. Jahr ihres Bestehens sicher einiges beitragen kann.


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7 Vgl. Marco Brunzel: Sichere digitale Identitäten als Fundament digitaler Souveränität, in: AWV-Informationen 3/2021, S. 18–20.