Das Statistische Bundesamt hat sich verpflichtet, die für Deutschland erhobenen Daten beim Statistikamt der Europäischen Union (EU), Eurostat, einzubringen. Umgekehrt etwa basiert die vom Statistischen Bundesamt entwickelte Zufriedenheitsbefragung auf Grundlage eines Lebenslagen-Modells auf internationalen Erfahrungen im Bereich der Verwaltungsmodernisierung und Bürgerzufriedenheit. Wie funktioniert die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene und wie werden hier statistische Angaben zu Bürokratiekosten ermittelt?

Die Bürokratiekostenmessung ist nicht Teil des Europäischen Statistischen Systems. Es gibt kein verbindliches einheitliches Vorgehen zwischen den Mitgliedstaaten und Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Union. Die Europäische Kommission selbst ist ebenfalls seit vielen Jahren im Bereich Bürokratieabbau aktiv. Mit Beginn der Legislaturperiode der Juncker-Kommission wurde die Verbesserung der Rechtsetzung in den Mittelpunkt der Bemühungen gestellt. Alle Regelungsentwürfe der Kommission sollen nun den erwarteten Erfüllungsaufwand beschreiben. Die Bundesregierung hat darüber hinaus beschlossen, bei Kommissionsentwürfen mit einer hohen erwarteten Belastung eine eigene Ex-ante-Schätzung für Deutschland vorzunehmen. Wir unterstützen die Ministerien bei dieser Aufgabe. Die Informationen können für Beratungen in den EU-Ratsarbeitsgruppen genutzt werden. Daneben nimmt das Statistische Bundesamt zusammen mit Bundeskanzleramt sowie Bundesministerium für Wirtschaft und Energie an Sitzungen des „Better Regulation Network“ teil. Hier tauschen die teilnehmenden Länder ihrer Erfahrungen im Bereich des Bürokratieabbaus, der besseren Rechtsetzung und der Aufwandsmessung aus. Aus diesem Kreis und aus dem bilateralen Austausch mit Frankreich kam auch die Anregung zur Zufriedenheitsbefragung. Frankreich hat schon sehr früh auf qualitative Erhebungen gesetzt.

Neben Gremien auf EU-Ebene sind Sie auch in Gremien der OECD und der Vereinten Nationen vertreten: Ist dort Bürokratiemessung ein Thema?

Für die erste Datenlieferung zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, die „Sustainable Development Goals“, konnten wir auf Daten aus der Lebenslagenbefragung zurückgreifen. Dabei ging es um Korruption in und Diskriminierung durch Behörden. Bürokratiekostenmessung und bessere Rechtsetzung ist ein Thema im „Regulatory Policy Committee“ und „Public Governance Committee“ der OECD, in denen das Bundeskanzleramt und das Bundesministerium des Innern Deutschland vertreten. Wir unterstützen die Kolleginnen und Kollegen mit speziellen Auswertungen zu den Bürokratiekosten oder aus den Lebenslagenbefragungen. Die OECD hat 2015 die nationalen Instrumente für eine bessere Rechtsetzung der 34 Mitgliedsländer miteinander verglichen. Deutschland schneidet dabei in der methodischen Bewertung deutlich überdurchschnittlich ab, was Gesetzesfolgenabschätzung und Ex-post-Evaluierung betrifft.

Das Statistische Bundesamt stellt notwendige statistische Informationen für die Willensbildung und die Entscheidungsprozesse in einer demokratischen Gesellschaft zur Verfügung. Dem Selbstverständnis Ihrer Behörde zufolge sind damit Neutralität, Objektivität und wissenschaftliche Unabhängigkeit sowie die vertrauliche Behandlung der überlassenen Einzeldaten verbunden. Waren oder sind Big Data für Sie ein Thema bei der Erhebung statistischer Informationen? Inwiefern können amtliche Statistiken durch den Einsatz von Big Data profitieren?

Big Data sind derzeit weltweit in allen Statistischen Ämtern ein Thema. Daher arbeiten wir in diesen Fragen auch eng mit unseren Kolleginnen und Kollegen in der Statistikabteilung der Vereinten Nationen sowie im Europäischen Statistischen System zusammen. Bei allen Herausforderungen, die damit verbunden sind, könnten es diese neuen digitalen Daten in der Zukunft erlauben, amtliche Statistiken wesentlich schneller, präziser und kostengünstiger zu erstellen, dies alles bei einer deutlichen Entlastung der Auskunftgebenden. Bis dahin sind aber, wie bereits erwähnt, noch vielfältige Herausforderungen zu bewältigen. Dies sind insbesondere Fragen des Datenschutzes. Wir müssen Verfahren entwickeln, die es erlauben, das Informationspotenzial dieser neuen digitalen Datenquellen zu erschließen und gleichzeitig die informationelle Selbstbestimmung zu wahren. Die neue Europäische Datenschutzgrundverordnung ist ein Schritt in diese Richtung. Unter anderem ist darin das Konzept des „Privacy by Design“ enthalten, was bedeutet, eventuelle Datenschutzprobleme bereits zu berücksichtigen, wenn neue Technologien entwickelt werden, anstatt diese nachträglich mit viel Aufwand zu beheben. Eine weitere große Herausforderung ist die Qualität der neu verfügbaren Daten. Mit dem „Code of Practice“ haben wir auf europäischer Ebene einen Qualitätsmaßstab zur Erstellung von amtlichen Statistiken entwickelt. Diese Güteanforderungen gelten natürlich auch bei der Nutzung neuer digitaler Daten, sodass wir uns auch methodisch weiterentwickeln müssen. Big Data werden in der Zukunft in den seltensten Fällen die bisherige Datenproduktion vollständig ersetzen. Vielmehr werden wir künftig viel häufiger auf der Grundlage integrierter Datenbestände, also durch die simultane Nutzung von Befragungen, administrativen Daten und Big Data, amtliche Statistiken produzieren.

Es gibt aber viel zu lernen für die amtliche Statistik in Deutschland wie weltweit. Wir haben daher mit unseren nationalen wie internationalen Partnern begonnen, diesen Lernprozess in ersten Machbarkeitsstudien umzusetzen. Derzeit schauen wir uns Satellitendaten sowie Daten aus dem Internet genauer an, hier gibt es schon erste vielversprechende Projektanwendungen. Auch sind wir mit Mobilfunkunternehmen im Gespräch, ob Daten dieser Anbieter gegebenenfalls amtliche Statistiken datenschutzkonform ergänzen könnten. Bei all dem ist aber zu beachten, dass wir derzeit wirklich noch am Beginn eines Entwicklungsprozesses stehen und bis zu einem breiten Einsatz dieser neuen digitalen Daten noch viele Aufgaben zu bewältigen sind. Dabei ist die nächste absehbare Datenwelle mit dem „Internet der Dinge“ noch überhaupt nicht berücksichtigt.

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