Welche Prozesse wurden vergleichend untersucht?

Es wurden verschiedene Prozesse vergleichend betrachtet – beispielsweise der Grundstückskauf, die Anmeldung eines Gewerbebetriebs oder die Ummeldung nach einem Umzug. Der Prozess der Ummeldung soll hier näher betrachtet werden. Die nachfolgende Abbildung stellt (in für diesen Beitrag gekürzter Form) dar, wie dieser Prozess in den beiden Ländern aktuell abläuft (s. Grafik). Dabei ist links der norwegische und rechts der hessische Prozess abgebildet.

Der Verwaltungsprozess des Ummeldens nach einem Umzug in Norgwegen (links) und Hessen (rechts) im Vergleich
Vergleich des Ummeldeprozesses: Norwegen hat ungefähr so viele Einwohner wie Hessen. Das Ummelden nach einem Umzug ist in Hessen aber deutlich komplizierter. (Grafik: Hessischer Rechnungshof Darmstadt)

In Norwegen erfolgt die Ummeldung sehr unkompliziert in Altinn. Der Bürger loggt sich im Portal ein und wählt den Antrag aus. Dieser wird, dank Once-Only-Prinzip, weitestgehend automatisch ausgefüllt. Nach Absenden erfolgt eine automatische Aktualisierung des Wohnorts und eine zeitgleiche An- bzw. Abmeldung in der jeweiligen Kommune. Der Bürger bzw. die Bürgerin kann sich also binnen weniger Minuten, ohne die Vorlage von Papierdokumenten und ohne ein Amt besuchen zu müssen, ummelden. Alle Behörden, für deren Verwaltungsleistung der Wohnsitz eine Rolle spielt, erhalten automatisch ein Update (machine-to-machine).

Im Gegensatz dazu ist der Prozess in Hessen aufwändiger und länger: Zunächst wird eine Einzugsbestätigung des Wohnungsgebers benötigt. Hier tritt in der Regel bereits der erste Medienbruch auf, da diese meist in Papierform vorgelegt wird. Danach müssen sich die Antragstellenden mit Antrag und Bestätigung in das Einwohnermeldeamt begeben, um diese Dokumente einzureichen. Der Antrag wird dann dort geprüft. Sofern er positiv beschieden wird, werden die Daten im System der Kommune erfasst. Daraufhin druckt das Einwohnermeldeamt eine Meldebescheinigung aus (Medienbruch) und legt diese in der – meist noch in Papier geführten – Akte ab, obwohl die Daten sich schon im System befinden. Darüber hinaus muss noch ein Aufkleber für den Personalausweis des Antragsstellers erstellt werden. Schließlich muss auch noch die Information an die vorherige Kommune weitergegeben werden.

Der Vergleich zeigt, dass der hessische Prozess länger und mit deutlich mehr Aufwand für Bürgerinnen und Bürger als auch Verwaltung verbunden ist als die norwegische Variante. Dieses Bild zeigte sich auch in anderen verglichenen Prozessen. Die Lösung kann jedoch nicht darin bestehen, „einfach“ die norwegischen Prozesse auf Hessen zu übertragen. Hierbei gilt es unter anderem, die Unterschiede in der Verwaltungskultur, die verschiedenen rechtlichen Rahmenbedingungen und die besonderen Erwartungen der Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen zu beachten.

Was können wir von Norwegen lernen?

Und deshalb sollen an dieser Stelle sechs Erfolgsfaktoren für das Vorantreiben der Digitalisierung im Land Hessen, die sich aus der Analyse norwegischer Prozesse ergeben haben, vorgestellt werden. Im Kern der Erfolgsfaktoren steht die zugrundeliegende Philosophie. Hierzu zählt die Nutzerzentrierung und konsequente Einhaltung des Once-Only-Prinzips. Bei der strategischen und operativen Steuerung braucht es eine klare Kompetenzen- und Rollenverteilung. Vor allem „Insellösungen“ sind zu vermeiden. Der Planungshorizont muss über die Umsetzung des OZGs hinausgehen und auch die internen Verwaltungsprozesse berücksichtigen.

Als nächstes sind die richtigen rechtlichen Rahmenbedingungen ein bedeutender Erfolgsfaktor. Hierbei sind besonders die Schriftformerfordernisse zu hinterfragen. Generell kann ein „Digitalisierungsgesetz“, das alle vorhandenen und neuen Rechtsnormen im Sinne der Verwaltungsdigitalisierung auslegt, hilfreich sein. Im Rahmen der technischen Rahmenbedingungen ist insbesondere auf das Nutzerkonto und das Setzen von Standards zu achten. Bezüglich des Nutzerkontos sehen wir in den im Rahmen des OZG anvisierten Funktionen weder das technisch noch organisatorisch Mögliche vollständig realisiert.

Eine effektive Digitalisierung benötigt auch das richtige Know-how in Form von qualifiziertem Personal. Mitunter soll dies über die Qualifizierung von bestehendem Personal erreicht werden. Daneben sollten aber auch weitere Maßnahmen in der Rekrutierungsstrategie getroffen werden. Insofern begrüßen wir auch die federführende Beteiligung Hessens am Projekt „eGov-Campus“ des IT-Planungsrats, in dem eine digitale Bildungsplattform mit qualitätsgesicherten Lehr- und Lerninhalten zum Thema E-Government entwickelt wurde.

Letztlich spielt die Finanzierung eine große Rolle. Vor allem vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine, den aktuellen Herausforderungen wie Klimaschutz und Corona-Pandemie muss das „digitale Rad“ nicht in jeder Kommune oder in jedem Bundesland neu erfunden werden. Durch Kooperationen und „Lernen von Anderen“ können Standards gesetzt und langfristig Kosten gespart werden.

Wie geht es weiter?

Basierend auf den bisher gewonnenen wertvollen Erkenntnissen soll der Austausch auch künftig fortgesetzt werden. Ein nächster Workshop zum Thema Innovation durch Teilen und Nachnutzen von Daten ist für den September dieses Jahres in Hessen geplant.

 

Austausch zwischen Norwegen und Hessen

Zur Unterstützung und Beratung der Digitalisierung des Landes Hessen initiierte der Präsident des Hessischen Rechnungshofs in seiner Funktion als Landesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung gemeinsam mit der königlichen norwegischen Botschaft in Deutschland 2019 ein Austauschprojekt mit dem Land Norwegen. Im Januar 2019 begann das Projekt vor Ort in Norwegen mit einem Austausch mit den dortigen Expertinnen und Experten. Seitdem fanden weitere Workshops und Experteninterviews, sowohl in Hessen als auch in Norwegen statt. Ziel war es dabei, vom Land Norwegen als einem der Vorreiter der Digitalisierung in Europa zu lernen. Zur Bewertung der Ausgangslage und zum Identifizieren von Verbesserungspotenzialen wurden dabei die Abläufe diverser Verwaltungsprozesse in Norwegen und Hessen miteinander verglichen, beispielsweise der Umzug in eine neue Kommune, ein Grundstückskauf, eine Gewerbeanmeldung oder die Auszahlung von Corona-Hilfen. Die Erkenntnisse aus dem Austausch mit Norwegen sind unter anderem auch in die Strategie „Digitale Verwaltung Hessen 4.0“ eingeflossen (weitere Informationen dazu auf der Seite der Hessischen Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung).



Zurück zu Seite 1 | Seite 2