Rahmenbedingungen gelingender Digitalisierung

Wir leben heute in einer Wissens- und Informationsgesellschaft, die Wissen als gesellschaftliche Ressource versteht und in den Mittelpunkt stellt. Die Entwicklung ist nicht neu und wurde bereits in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschrieben.(4) Der Betrachtungspunkt ist gerade für Verwaltungen relevant. Er ermöglicht eine Art kulturelle Rückbesinnung auf eine grundlegende Aufgabe, die Administrationen erledigen: datengestützte Wissensarbeit. Das Medium verändert sich, nicht aber der Kern der eigentlichen Arbeit. Vielmehr ermöglichen es die Digitalisierung und insbesondere die Automatisierung, Arbeitsprozesse zu erleichtern.

Um Digitalisierung in der Verwaltung zu ermöglichen, gilt es die nachfolgenden fünf Dimensionen zu betrachten. Dabei bezieht sich der Beitrag auch auf Erfahrungen der Digitalisierung der Sozialplanung im Kreis Pinneberg. Denn gerade die Nutzung von Daten aus den Sozialbereichen gilt häufig als kritisch. Dementsprechend kann dieses Beispiel auch als Blaupause für andere Verwaltungsbereiche dienen.(5)
 
Anti-Silos

Verwaltungen zeichnen sich regelhaft durch ein starkes Silodenken aus. Das bedeutet, dass Informationen und Daten, selbst wenn diese anonymisiert sind, häufig nicht zwischen internen Einheiten ausgetauscht werden. Interessanterweise ist die Ausprägung, wie eine Verwaltung strukturiert ist, nicht einheitlich festgelegt, sondern folgt regionalen oder binnenorganisatorischen Anforderungen (Größe, Themenschwerpunkte, Kooperationsverträge etc.). Dies zeigt sich allein schon an den unterschiedlichen Aufbaustrukturen der Kreise in Deutschland. Hier handelt es sich also eher um verwaltungskulturelle Ideen, die interne selbsterzeugte Grenzen nach sich ziehen. Im Bereich der Sozialplanung gibt es Beispiele, die diese organisatorische Ausprägung zeigen. So werden zumeist die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen der Gesundheitsämter nicht regelhaft dem Jugendbereich zur Verfügung gestellt, obwohl die entsprechenden Informationen höchst relevant für die Arbeit von Jugendämtern und Präventionsteams sind. Selbiges gilt für Umweltdaten, die für die Gesundheitsplanung relevant sein können.

Folgt man hier einem anderen Ansatz, nämlich, dass alle Daten – natürlich unter Berücksichtigung des Datenschutzes – als digitales Kapital betrachtet werden und dem Gemeinwohl dienen, gibt es keine sachliche Argumentation, Daten nicht übergreifend auszutauschen. Letztlich sind alle Daten, über die Verwaltungen verfügen, steuerfinanziert und so auch gemeinwohlorientiertes Kapital. Wir brauchen also ein Anti-Silodenken, um die Datenpotentiale von kommunalen Verwaltungen zu nutzen. Selbiges lässt sich auf die Länder und den Bund übertragen. Auch die neue Landesregierung von Schleswig-Holstein hat die Bedeutung des Themas erkannt und startet derzeit eine Datenbereitstellungs- und Nutzungsoffensive, die die Veröffentlichung von Daten zur Regel, die Nichtbereitstellung zur Ausnahme machen will. Kern der Offensive ist eine Landesdatenstrategie, deren Eckpunkte bereits im Oktober vorgelegt werden sollen.

Datenschutz als Begrenzung?

Datenschutz wird im Zusammenhang mit Big Data und Algorithmen häufig als Vorbehalt gegen deren Nutzung angeführt. Es gibt allerdings Möglichkeiten, sowohl dem Datenschutz zu genügen als auch große Datenmengen für Entscheidungsprozesse nutzbar zu machen. Hier bietet es sich an, mit anonymisierten Daten und Raumbezügen zu arbeiten, zumal kommunale Verwaltungen Entscheidungen in der Regel für Bevölkerungsgruppen in definierten Gebieten – wie Sozial­räumen oder Quartiere – treffen. Wichtig ist hier, dass Daten keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen ermöglichen, und die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nach Artikel 5 und des Bundesstatistikgesetzes (BstatG) beachtet werden.

Business Intelligence Systeme (BI) und automatisierte Schnittstellen zu Fachprogrammen erleichtern hier die Arbeit, da die Anonymisie­rung der Datensätze technisch abgesichert wird. BI-Systeme sind so in der Lage, neue Datensätze völlig ohne Personenbezug zu generieren. Die Fachkräfte, die anschließend mit diesem Datensatz arbeiten, haben somit keinen Zugriff auf einen Personenbezug bzw. die Rohdaten. Hinzu kommt, dass bestehende Datenquellen in den Fachprogrammen bereits zwingend der DSGVO entsprechen müssen. Durch diese technische Herangehensweise handelt es sich anschließend nicht mehr um personenbezogene Daten bzw. im Bereich der Sozialplanung um Sozialdaten. Denn Sozialdaten sind „personenbezogene Daten, d. h. alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (‚betroffene Person‘) beziehen“(6). Eine Weiterverwendung ist also möglich. Im Kern ist diese Art Datenverarbeitung nicht neu, da beispielsweise jede Statistik zum Arbeitsmarkt in Deutschland ebenfalls auf Individualdaten in Fachprogrammen basiert.

Technologisches Verständnis – das Mindset muss sich ändern!

Denkt man an neue Technologien entsteht bei Führungskräften und Mitarbeitenden schnell die Idee, dass die entsprechenden Systeme, wie BI- oder KI-Systeme, Data Mining oder generell algorithmische Verarbeitung in ihrer Anwendung in Gänze verstanden werden müssen. Diese Annahme kann schnell zu einer gefühlten Überforderung und anschließenden Ablehnung im Arbeitsalltag führen. Sicher gibt es auch Anwendungsfälle, in denen entsprechend vertiefte Kenntnisse die Arbeit mit diesen Verfahren erleichtern. Aber, generalisiert betrachtet, geht es eher darum, die technologischen Möglichkeitsräume zu verstehen, Verknüpfungen zu erkennen und ihre Anwendung in die bestehenden Arbeitsprozesse zu implementieren. Erst das Verständnis über die Möglichkeiten in unterschiedlichen Technologiefeldern führt dazu, dass praktische Anwendungen in der Verwaltung möglich werden.

Exemplarisch kann hier anhand von Vergabe- und Beschaffungsprozessen in Verwaltungen dargestellt werden, wo die Probleme liegen. Will man beispielsweise ein BI-System einführen, ist es zwingend notwendig die technischen Möglichkeiten und Begriffe rund um das Thema BI zu verstehen, damit diese als Anforderungen im Vergabeprozess ausgewiesen werden können. Gelingt dies nicht, zielt die Vergabe ggf. bereits in die falsche Richtung. Für die Mitarbeiter*innen  stellt es allerdings den ersten Schritt dar, sich entsprechendes Wissen auf einer übergeordneten Ebene anzueignen. Vertiefte technologische Kenntnisse sind gleichwohl nicht erforderlich.

Genau hier setzen die Themen Kultur und Mindset an. Führungskräfte und Mitarbeiter*innen  müssen selbst eine gewisse Neugier auf Technologie und die Anwendungsmöglichkeiten entwickeln. Themen offen zu begegnen, den Lernprozess zu ermöglichen, ein iteratives Vorgehen zu implementieren und eine Kultur von Möglichkeitsräumen zu schaffen, ist wesentlich, damit die Digitalisierung in Verwaltungen gelingen kann.


4 Vgl. Peter F. Drucker: Die Zukunft bewältigen, Düsseldorf / Wien 1969, S. 455 ff.; vgl. auch Daniel Bell: Die nachindustrielle Gesellschaft, Frankfurt am Main / New York 1976, S. 13 ff.
5 Vgl. Christoph Kennerknecht, Robert Schwerin: Digitalisierung von Sozialplanungsprozessen – Herausforderungen und Chancen, in: Jörg Fischer, Theresa Hilse-Carstensen, Stefan Huber (Hg.): Handbuch kommunale Planung und Steuerung, Weinheim 2022 (in Veröffentlichung), S. 344 ff.

6 Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (Hg.): Sozialdatenschutz. Die Bürger und ihre Daten im Netz der sozialen Sicher­heit, 2020, S. 13, online: https://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/INFO3.pdf?__blob=publicationFile&v=9 [09.09.2022].

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