Lösen Geflüchtete den Fach­kräftemangel?

Die Frage: „Beheben Geflüchtete den Fachkräftemangel?“ ist mit Nein zu beantworten. Gleichwohl lassen sich mit Hilfe der derzeit in Deutschland lebenden Schutzsuchenden der Fachkräfte- und der Arbeitskräftemangel lindern. Nicht alle Geflüchteten, die bei uns sind, sind ausbildungs- oder qualifizierungswillig und fähig, sich in den qualifizierten Arbeitsmarkt einzubringen. Aber wir sollten mit den Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, denjenigen eine Chance geben, die Fachkraft werden wollen und können. Wir sollten die Potenziale besser ausschöpfen, um zumindest ein Stück aus der Arbeitskräftemangelwirtschaft herauszukommen. Die dafür notwendigen Anstrengungen entlasten nicht nur die Sozialsysteme, sondern sind auch eine Verbesserung für die Integration und den Zusammenhalt der Gesellschaft.
Mit ihrer Fachkräftestrategie vom Februar 2024 setzt die Bundesregierung ganz stark auf inländische Potenziale. Die Bundesregierung möchte die Erwerbsbeteiligung von Frauen erhöhen und die Aus- und Weiterbildung stärken. Zusätzlich braucht Deutschland aber auch qualifizierte Einwanderung.  

Mit dem „Job-Turbo“ ist eine gute Voraussetzung für die Umsetzung der Fachkräftestrategie geschaffen worden.

Wie kann der „Job-Turbo“ seine Kraft entwickeln?

Damit die Effektivität, die der „Job-Turbo“ verspricht, auch erreicht wird, müssen „Baustellen“ optimiert und Hemmnisse abgebaut werden. Da sich die Probleme insbesondere in den letzten Jahren aufgebaut haben, wird es nicht leicht sein, diese schnell abzubauen.

Die aufgezeigten Probleme beim zügigen Spracherwerb mit dem Niveau B1 sind sicherlich die größten Hemmnisse auf dem Weg zur Effektivität.

Der deutlichen Verminderung von B1 Zertifikaten, die als Mindestvoraussetzung für Ausbildung und Qualifizierung notwendig sind, muss entgegengewirkt werden. Wegen mangelnder Sprachkenntnisse dürfen nicht zu viele Personen auf dem Weg in die Ausbildung und in den qualifizierten Arbeitsmarkt verloren gehen. Der „Job-Turbo“ sieht in seiner Ausprägung die Möglichkeit vor, dass nach den ersten Sprachkursen weitere Sprachkompetenzen berufsbegleitend aufgebaut werden können, auch wenn das Niveau B1 noch nicht erreicht wurde. In Berufen, die ein höheres Sprachniveau erfordern, sollte dies ebenso berufsbegleitend erfolgen. Dieser Weg zum besseren Spracherwerb bietet den Geflüchteten engen Kontakt zu ihrem Berufsumfeld und erlaubt den Arbeitgebern einen frühzeitigen Einsatz im Arbeitsbereich. Es ist davon auszugehen, dass, aufgrund des Arbeits- und Fachkräftemangels, Arbeitgeber bereit sind diesen Weg mitzugehen. Zumal sich diese Art der Ausbildung nicht grundsätzlich von den Abläufen der dualen Ausbildung unterscheidet. Im Zusammenspiel von Arbeitgebern und Arbeitsverwaltung ist darauf zu achten, dass Geflüchtete, die diesen Weg gehen wollen, nicht in Helfertätigkeiten stecken bleiben – vor allem wenn sie bereits eine höhere Qualifikation mitbringen, deren Anerkennung noch aussteht.

Um Fahrt aufzunehmen, braucht der „Job-Turbo“ Unterstützung durch den Abbau von Bürokratie, den Abbau von Überregulierung und Verbesserungen in der Kooperation der Verwaltungen. Es braucht eine Vereinfachung und Beschleunigung bei der Anerkennung von Qualifikationen und durch die Herstellung einer größeren Rechtssicherheit für die vielen „Geduldeten“ im Land. Die Parallelität der Maßnahmen ist von entscheidender Bedeutung. Der Zeitgewinn ist maßgebend dafür, dass der „Job-Turbo“ seine Kraft entfalten kann. Es ist notwendig, die behördlichen Verfahren weiter zu vereinfachen und sie durch Digitalisierung effektiver zu gestalten.

Mit Hilfe der Möglichkeiten des „Job-Turbos“ können flexible Programme entwickelt werden, die die Gefahren einer schnellen Arbeitsmarktintegration – etwa zu wenig Zeit für den Erwerb von Sprachkenntnissen oder von beruflichen Qualifikationen – verringern. Zügiger Berufseinstieg sollte die Möglichkeiten zu Weiterqualifizierung nicht einschränken.

Die zivilgesellschaftlichen Initiativen, die sich in Mentoringprogrammen um die Arbeitsmarktintegration bemühen, sollten gestärkt und gefördert werden. Die 1:1-Begleitung ist einer der besten Wege, um einem Geflüchteten ein qualifiziertes Arbeitsverhältnis zu ermöglichen. Auch in Betrieben sollte Mentoring gefördert und ausgebaut werden. Dort kennt man die Qualitäten der Arbeitnehmer mit Fluchthintergrund am besten und hat eine Vertrauensbasis geschaffen. Damit der Erfolg des Mentorings verbessert wird, sollte die Kommunikation mit den Initiativen und den Betrieben und mit den Jobcentern verbessert werden. Hierfür sieht der „Job-Turbo“ Ansprechstellen vor.

Die Anstrengungen lohnen sich, auch wenn mit Hemmnissen und Herausforderungen bei der Umsetzung zu rechnen ist. Für die geflüchteten Menschen, für die Wirtschaft, für die Verwaltung und für die Gesellschaft ist dieser Weg ein Gewinn, auch wenn er steinig ist. Die Integration der Geflüchteten und der soziale Zusammenhalt werden gefördert und gestärkt. Die gut ausgebildete Fachkraft und die qualifizierte Arbeitskraft mit Fluchthintergrund könnten der Normalfall sein. Damit können politische Migrationsdiskussionen in der Gesellschaft verringert und gesellschaftliche Spannungen abgebaut werden.    

Ausführliche Fassung des Textes steht zum Download bereit

Bei diesem Beitrag handelt es sich um die Kurz­fassung eines Textes über die Arbeitsergebnisse der Projektgruppe 1.6.2. In einer ausführlichen Fassung des Textes erläutert der Autor weitere von der PG identifizierte Baustellen bei der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten und bereitet interessante Hintergrundinformationen verständlich auf.

→ Das PDF der Langfassung finden Sie hier.

→ Weitere Informationen über die AWV-Projektgruppe „Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten und Asylsuchenden” unter www.awv-net.de/PG162.


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