Bei Fragen der Doppik und der europäischen Rechnungslegung (Stichwort EPSAS) geht Hessen einen anderen Weg als der Bund und die Mehrzahl der Bundesländer. Wie bewerten Sie das?

Dr. Wallmann: Wir teilen ausdrücklich die Sichtweise unserer Landesregierung zur Doppik und unterstützen beratend die zukünftige Gestaltung der EPSAS. Innerhalb Europas besteht weitgehend Einigkeit, dass nur eine politisch starke und handlungsfähige EU Garant für eine positive Entwicklung sein kann. Eine starke Einheit erfordert ein abgestimmtes, harmonisiertes Handeln – auch bei der Rechnungslegung. Nur so lässt sich eine Vergleichbarkeit hinsichtlich der Haushalte der Mitgliedsstaaten herstellen. Und: Nur so kann Klarheit über die tatsächliche Vermögens-, Finanz- und Ertragslage hergestellt werden. Wie wichtig dies ist, zeigt nicht zuletzt das Beispiel Griechenlands.

Mit Blick auf die notwendige Transparenz sind meines Erachtens zwei Aspekte zu bedenken: Erstens lässt sich diese Klarheit mit der Kameralistik, die von vielen Bundesländern und dem Bund favorisiert wird, nicht herstellen. Ein umfassender Überblick über die Staatsfinanzen ist nur mit der Doppik möglich. Und zweitens: Während wir uns in Deutschland seit Jahren den Luxus einer „Doppik versus Kameralistik“–Diskussion gönnen, haben viele andere europäische Mitgliedsstaaten schon längst gehandelt: Die Kommission beabsichtigt, nicht länger auf uns zu warten, sondern empfiehlt – zunächst erstmal als Übergangslösung – die IPSAS für fünf Jahre einzuführen.

Und diese Lösung finden Sie nicht gut?

Dr. Wallmann: Als Hessischer Rechnungshof könnten wir uns jetzt zurücklehnen und denken: „Prima, endlich eine Entscheidung pro Doppik!“. Aber: So einfach ist es leider nicht! Denn eine Einführung von IPSAS würde auch bedeuten: Wir verzichten auf die bewährten Grundsätze des Handelsgesetzbuchs! Im Detail hieße das: kein Vorsichtsprinzip, größere Ermessens- und ­Bewertungsspielräume  – und damit gerade keine Standardisierung, denn jeder Mitgliedsstaat könnte sein Vermögen unterschiedlich bewerten!

Wenn diese aus meiner Sicht elementaren Grundsätze aus dem Handelsgesetzbuch auch in Zukunft für die öffentliche Rechnungslegung in Deutschland Bestand haben sollen, dann dürfen wir uns jetzt eben nicht zurücklehnen und darauf hoffen, dass in fünf Jahren nochmal die dann eingeführten IPSAS grundlegend auf den Prüfstand gestellt werden.

Was kann der Hessische Rechnungshof dazu beitragen?

Dr. Wallmann: Wir müssen jetzt für unsere bewährten Grundsätze eintreten. Wir sind aufgefordert, unsere Erfahrungen, die wir bei der Einführung der Doppik in Hessen gemacht haben, schon jetzt einzubringen, wenn harmonisierte doppische Rechnungslegungsgrundsätze entwickelt werden. Das gelingt uns aber nicht mit einem „Weiter mit der Kameralistik!“ oder „Probieren wir halt mal die IPSAS!“, sondern nur mit einem „Her mit den maßgeschneiderten EPSAS!“.

Die grundsätzliche Frage für uns lautet: Wollen wir eine standardisierte Lösung oder – im Extremfall – 27 Individuallösungen in der EU? Nur vergleichbare Daten schaffen Transparenz.

Herr Dr. Wallmann, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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