Der Einsatz neuer Technologien ist in der Regel nicht selbsterklärend, und alle beteiligten Akteure müssen bereits im Entwicklungsprozess mitgenommen werden. Wie werden Bürgerinnen und Bürger, aber auch Unternehmen in den digitalen Transformationsprozess der öffentlichen Verwaltung eingebunden, so dass Akzeptanz und Nutzerfreundlichkeit digitaler Verwaltungsangebote sichergestellt werden können?
Nutzerorientierung hat bei der OZG-Umsetzung oberste Priorität. Schon zu Beginn der OZG-Umsetzung stand fest, dass die Verwaltungsdigitalisierung nur erfolgreich sein kann, wenn sie eine wirkliche Verbesserung für alle Beteiligten mit sich bringt. Daher beziehen wir die Nutzerseite von Beginn an in die Prozesse ein. Die Entwicklung aller digitalen Angebote ist so ausgerichtet, dass sie sich an den Bedarfen der Zielgruppen und ihren Lebenslagen orientiert. Das, was thematisch zusammengehört, soll auch zusammen digitalisiert werden – auch wenn die zuständigen Ämter und Behörden vielleicht ganz unterschiedliche sind. Darauf basiert die Bündelung der OZG-Leistungen in den Themenfeldern.

Nutzerzentrierung bedeutet zudem, dass die Anträge und Formulare für digitale Verwaltungsleistungen so nutzerfreundlich wie möglich gestaltet werden: einfach, klar und verständlich. In den Digitalisierungslaboren arbeiten daher Beschäftigte von Bundes- und Landesministerien sowie der vollziehenden Behörden, Fachleute für Rechtsfragen und IT, User-Experience-Designer sowie Agile Coaches mit "echten" Nutzerinnen und Nutzern zusammen. Diese wirken beispielsweise durch Nutzertests und Interviews bei der Optimierung der Online-Formulare mit.

Zudem werden von Beginn an Aspekte der digitalen Barrierefreiheit mitgedacht. Ich bin überzeugt davon, dass wir so besonders nutzerfreundliche Produkte erhalten werden. Hier sei das Projekt "ELFE – Einfach Leistungen für Eltern" genannt, welches meiner Meinung nach besonders gelungen ist. Mit nur einem Kombi-Antrag können Eltern zukünftig die Leistungen Elterngeld, Kindergeld sowie die Geburtsanzeige einfach und nutzerfreundlich online beantragen.

Mir ist auch wichtig, dass wir bei diesem Change-Prozess die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung mitnehmen und unterstützen. Denn sie sind es, die die Digitalisierung vor Ort gestalten und erfolgreich umsetzen. Dazu werden wir Schulungsangebote zu digitalen Fähigkeiten deutlich ausbauen und an einer eigenen Digitalakademie bündeln.

Am 1. Juli 2020 hat Deutschland für sechs Monate die Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union übernommen. Welche Impulse erwarten Sie dadurch für die IT der öffentlichen Verwaltung in Deutschland?
Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung und angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie steht Europa vor der Herausforderung, seine digitale Souveränität zu erhalten und zu stärken, um eigenständig handlungsfähig zu bleiben. In der IT der Öffentlichen Verwaltung in Deutschland bestehen hohe Abhängigkeiten zu einzelnen Technologieanbietern. Dies birgt die Gefahr, die Kontrolle über die eigene IT immer mehr zu verlieren und Informations- sowie Datensicherheit nicht mehr gewährleisten zu können. Bund, Länder und Kommunen haben sich daher zum Ziel gesetzt, die Digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung gemeinsam und kontinuierlich zu stärken. Ein gemeinsam erarbeitetes und beschlossenes Eckpunktepapier (1) zielt darauf ab, Abhängigkeiten von Technologieanbietern mithilfe offener Schnittstellen und Standards zu minimieren und dadurch die Wechselmöglichkeit und -fähigkeit der öffentlichen Verwaltung zu stärken.

Zusätzlich richtet das BMI zusammen mit der Europäischen Kommission am 15. Oktober die SEMIC Konferenz aus. Diese jährlich stattfindende Semantic Interoperability Conference wird in diesem Jahr zum ersten Mal ein rein digitales Event sein. Dabei werden wir uns in einem internationalen Panel über die Errungenschaften und noch bestehende Hürden beim Austausch und der Nutzung offener Daten in Europa austauschen.

Aktuell erarbeiten wir in diesem Zusammenhang eine Open-Data-Strategie der Bundesregierung, über die wir u. a. Maßnahmen zur Verbesserung der Anbindung an Metadatenportale (wie beispielsweise das nationale Open-Data-Portal GovData) für Behörden planen. Gleichzeitig wollen wir auch die Datennutzung stetig vereinfachen, etwa indem wir neue Auswertungsmöglichkeiten integrieren wollen. Unser Ziel ist dabei auch, in der Verwaltung selbst eine Kultur offener Daten zu befördern, durch die Verwaltungshandeln transparenter und nachvollziehbarer wird.

1) "Stärkung der Digitalen Souveränität der Öffentlichen Verwaltung; Eckpunkte – Ziel und Handlungsfelder" (Beschluss in 31. Sitzung ITPLR, Entscheidung 2020/07 sowie Beschluss im IT-Rat Nr. 2020/01).

Zurück zu Seite 1 | Zurück zu Seite 2 | Seite 3