Mikrofilm, Speicherbuchführung und DV-gestützte Buchführung

Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit der Reduktion der Papierberge setzten sich über die folgenden Jahre mehr und mehr „neue Organisationstechnologien“ durch, beispielsweise die Speicherung von relevanten Unterlagen auf Mikro­film in den 1950er und 1960er Jahren und erste Ansätze für die sogenannte Speicherbuchführung (Buchführung auf maschinell lesbaren Datenträgern wie Lochkarte, Lochstreifen, Magnetband, Magnetplatte, Diskette) in den 1970ern.

Stark geprägt wurde das Verständnis zur Zulässigkeit des Einsatzes von „modernen Organisationstechnologien“ und den diesbezüglichen Aufbewahrungsverpflichtungen durch die Grundsätze, die im Rahmen der AWV-Facharbeit erarbeitet worden waren. Diese Grundsätze wurden aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) abgeleitet: Die aus der „Papierwelt“ bekannten Anforderungen, wie etwa Zeitgerechtheit und Unveränderbarkeit, wurden für den Einsatz von Mikrofilm, Speicherbuchführung und später für die DV-gestützte Buchführung quasi übersetzt.

Die von der AWV entwickelten Grundsätze wurden durch die Finanzverwaltung (teils mit kleineren Adaptionen) als Verwaltungsanweisungen verbindlich gemacht: so die Mikrofilmgrundsätze von 1971 und 1984, die Grundsätze ordnungsmäßiger Speicherbuchführung (GoS) von 1978 und die Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) aus dem Jahr 1995. Die jeweils aktuellen Ausprägungen und Spezifikationen wurden bei der AWV im engen Dialog mit Vertretern der Finanzverwaltung und Akteuren aus Wissenschaft, Beratung und Wirtschaft erörtert und von dem AWV-Arbeitskreis 3.4 „Auslegung der GoB beim Einsatz neuer Organisationstechnologien“ (seit Ende 2019 „GoB beim IT-Einsatz“) formuliert. So konnte eine hohe Verbindlichkeit und Akzeptanz für alle Akteure erreicht werden. Von 1995 an bis 2014, also annähernd 20 Jahre lang, galten die von der AWV verfassten GoBS, die die Praxis der DV-gestützten Buchführung und die Anforderungen an die Aufbewahrung grundlegend prägten.

Einführung der digitalen Betriebsprüfung

Mit voranschreitender Nutzung von Datenverarbeitungssystemen im Bereich der Buchführung wurde seitens der Finanzverwaltung das Bedürfnis für digitale steuerliche Betriebsprüfung geltend gemacht. Mit dem Schreiben „Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU)“ vom 16. Juli 2001 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Kompetenzen von Betriebsprüfern erweitert und konkretisiert. Änderungen der Abgabenordnung (AO §§ 146 und 147) hatten zur Folge, dass es den Finanzbehörden nun möglich war, im Rahmen einer digitalen Betriebsprüfung auch auf die EDV von Unternehmen zuzugreifen.

Mit Blick auf die Herausforderungen, vor die die GDPdU gerade kleine und mittlere Unternehmen stellten, führte die AWV in den Jahren 2003 bis 2005 mit Unterstützung des Arbeitskreises 3.4 ein Forschungsprojekt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zur „Überprüfung der Anforderungen an kleine und mittlere Unternehmen betreffend die Aufbewahrungspflichten für digitale Unterlagen nach Handels- und Steuerrecht“ durch. Im Rahmen dessen wurden die rechtlichen Grundlagen und die Unternehmenspraxis detailliert aufbereitet, um sowohl Handlungsempfehlungen für Unternehmen als auch Optimierungsvorschläge für den Gesetzgeber abzuleiten. Eine Empfehlung der Studie war unter anderem eine Verkürzung der Aufbewahrungsfristen.

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