Der Einsatz von neuen Technologien und künstlicher Intelligenz (KI) in Staat und Verwaltung beschäftigt die AWV schon seit Jahren. Im Rahmen eines Besuches im Deutschen Bundestag erhielt der AWV-Arbeitskreis 1.4 „Einsatz von KI und neuen Technologien“ einen ersten Einblick in die Arbeit der Bundestagsverwaltung rund um die Digitalisierung und Einführung von künstlicher Intelligenz als Arbeitsmedium in Parlamenten. Aus dem offenen Austausch wurde klar, vor welchen Herausforderungen Parlamente weltweit stehen, wollen sie KI-Technologien sicher und verlässlich im Alltag in den Abgeordnetenbüros und im Wahlkreis verankern und vertrauensvoll einsetzen. IT-Sicherheit ist wichtig, da Parlament, Abgeordnete, Fraktionen und Mitarbeitende Cyberangriffen ausgesetzt sind. Finanzielle Herausforderungen würden dagegen eher eine untergeordnete Rolle spielen, sobald die Ziele für eine umsetzbare Einführung von KI im Deutschen Bundestag klar benannt und beschlossen sind.
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg mit Hürden, berechtigter Kritik, Herausforderungen und offenen Fragen. Basierend auf Forschungsergebnissen und Studien vom The Open Government Institute der Zeppelin Universität in Friedrichshafen und seiner Partner zeigt dieser Beitrag auf, wie KI und generative KI in den kommenden Jahren Parlamente verändern könnte. Aktuell eröffnen große Sprachmodelle und ihre Anwendungen den Parlamenten, den Abgeordneten und deren Mitarbeitenden zahlreiche Chancen. Dies erfordert aber auch ein angemessenes Risikomanagement, etwa mit Hilfe von Leitlinien zur Einführung und Nutzung von KI in der parlamentarischen Arbeit.
Künstliche Intelligenz und generative künstliche Intelligenz
Parlamente sind feste Bestandteile der Demokratie, in denen Gesetze durch Diskussionen und Abstimmungen der gewählten Vertreter entstehen. Sie haben über viele Jahre hinweg auch Entscheidungen zur Unterstützung von KI getroffen. Die mit dem Begriff „künstliche Intelligenz“ umschriebenen Technologien, Lernmethoden, Systemarchitekturen, Algorithmen und Ansätze zielen darauf ab, mithilfe von Rechnerkapazitäten Fähigkeiten der menschlichen Intelligenz nachzubilden, um bestimmte Aufgaben eigenständig oder auf Befehl zu übernehmen. Durch Muster- und Texterkennung, Sprach- und Sprechererkennung, Bild- und Raumerkennung, Gesichts- und Gestenerkennung eröffnen sich breite Einsatzmöglichkeiten.
Generative KI zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf Grundlage von Erlerntem in der Lage ist, neue Artefakte zu generieren. Dabei stützt sie sich auf erkannte und erlernte Muster, um synthetische Daten zu erzeugen. Große Sprachmodelle unterstützen bei der Generierung von Texten, während KI-basierte Übersetzungsdienste Texte in verständliche Form in andere Sprachen überführen. Weitere Anwendungsfelder umfassen die Generierung von Präsentationen, Programmen für IT-Systeme und Prozessen mit einer Planung von Abläufen. Aus Texten lassen sich zudem Sprach- und Tonsequenzen in verschiedenen Stimmlagen generieren. Auch die Generierung von Bildern und Videos gewinnt an Bedeutung, insbesondere die Erstellung lippensynchroner Videos basierend auf Bildmaterial und Audiomitschnitten.
Forschungs- und Entwicklungsagenda für KI in Parlamenten mit 210 Vorschlägen
KI-Technologien können in den Parlamenten für eine Vielzahl von Zwecken eingesetzt werden, etwa für die Transkription und Übersetzung von Debatten, die Zusammenfassung von Dokumenten, die Unterstützung bei der Abfassung von Rechtsdokumenten und die Kommunikation mit den Bürgern. Sobald neuartige KI-basierte Anwendungen verfügbar sind, steigt in Parlamenten das Interesse, sich damit auseinanderzusetzen und diese zu nutzen. Im Frühjahr 2020 beteiligte sich die Zeppelin Universität an einer Diskussion mit Vertretern des parlamentarischen Expertennetzwerks Hellenic OCR Team(1) über geeignete Werkzeuge, Anwendungsbereiche, Nutzungsszenarien und Bedürfnisse in Parlamenten. Zu diesem Zeitpunkt war der Einsatz von KI im parlamentarischen Raum noch kaum erforscht. Im Rahmen eines Brainstormings im Sommer 2020 wurden 210 Vorschläge zum Einsatz von KI in Parlamenten zusammengetragen und in neun Themenbereichen geclustert. Dazu zählen Parlamentarier, Gesetzgebung, parlamentarische Kontrolle, politische Bildung, Parlamentsverwaltung, Parlamentspräsidium und die Wissenschaftlichen Dienste, aber auch ein Rahmenwerk und offene Fragen. Aufgrund der Vielzahl von noch zu entwickelnden Elementen wurde die Liste in eine Forschungs- und Entwicklungsagenda (F&E-Agenda) für den Einsatz von KI in Parlamenten überführt.(2)
1 Website des Hellenic Optical Character Recognition (OCR) Team: https://hellenicOCRteam.gr.
2 Jörn von Lucke et al.: Research and Development Agenda for the Use of AI in Parliaments, in: David Duenas Cid et al. (Hg.): DGO '23: Proceedings of the 24th Annual International Conference on Digital Government Research, New York 2023, S. 423–433. Siehe auch online.
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