ELFE: Bericht aus einem Bremer Digitalisierungsprojekt für eine nutzerorientierte Verwaltung

Aufwändige Verwaltungsprozesse rund um die Geburt
Wer ein Kind bekommt, sieht sich noch vor einer echten Herausforderung. Aufwändige Anträge, ermüdende Papierarbeit und viele Behördengänge erwarten junge Eltern in den ersten Wochen nach der Geburt eines Kindes. Beispiel Elterngeld: Der aktuell mehrseitige Antrag bedarf eines noch längeren Erklärungsdokumentes. In Einzelfällen sind bis zu 32 verschiedene Dokumente bei der Elterngeldstelle in Bremen einzureichen, die ihrerseits häufig anderweitige Behördengänge erfordern. Ist dies bewältigt, heißt das noch nicht, dass die frisch gebackenen Eltern wissen, was sie eigentlich beantragen wollen. Ein fünfseitiges Gesetz und eine ­355-seitige Richtlinie räumen ein breites Spektrum zur Gestaltung und monetären Unterfütterung der gesetzlich gewährten Elternzeit ein. Aber das Elterngeld ist nur eine der vielfältigen Leistungen. Für andere Leistungen müssen immer wieder die gleichen Daten an die beteiligten Behörden weitergegeben werden. Das ist für Antragsstellende kaum nachvollziehbar. Die ohnehin schon aufregende Zeit direkt nach der Geburt wird somit durch die Verwaltungsgänge noch stressiger. „Einfach Leistungen für Eltern“ – kurz ELFE widmet sich diesem Problem und bietet eine schlanke Lösung an.

Digitalisierungsprojekt ELFE
ELFE ist ein Digitalisierungsprojekt des Bremer Senats, das gemeinschaftlich von der Senatorin für Finanzen und der Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport umgesetzt wird. Im Rahmen des IT-Planungsrates gehört ELFE zum Digitalisierungsprogramm und wird nun Pilotprojekt im Rahmen des Onlinezugangsgesetz (OZG), welches 2017 in Kraft getreten ist und welches den Bund und die Länder verpflichtet, sämtliche Verwaltungsleistungen bis 2022 flächendeckend elektronisch anzubieten.

Der vom IT-Planungsrat beschlossene OZG-Umsetzungskatalog stellt klar, dass für eine nutzerfreundliche Umsetzung des OZG nicht nur der Status quo in Web-Formulare übertragen werden darf, sondern dass weitergehende Digitalisierungspotenziale genutzt werden müssen. Die Freie Hansestadt Bremen hat gemeinsam mit dem Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) für den Themenbereich „Familie und Kind“ die Federführung übernommen. Erarbeitete Lösungen müssen so gestaltet werden, dass eine Übertragbarkeit in alle Bundesländer möglich wird.

Projektziele von ELFE
Die Verwaltungsprozesse nach einer Geburt sind voraussehbar. Geburtsurkunden sind immer verpflichtend auszustellen und die Beantragungsquoten von Kindergeld und Elterngeld liegt bei nahezu 100 Prozent der berechtigten Eltern. Die für einen Kindergeld- und einen Elterngeldantrag benötigten Daten liegen zum Zeitpunkt der Antragstellung nahezu alle schon in anderen Behörden vor oder sind potenziell elektronisch an anderer Stelle abrufbar. Wenn die in der Verwaltung gespeicherten Daten wiederverwendet und zwecks Antragsbearbeitung zwischen Behörden ausgetauscht werden können, müssen Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen nicht immer wieder dieselben Angaben gegenüber Behörden machen. ELFE will Bürgerinnen und Bürger konsequent entlasten. Zukünftig soll es möglich sein, mit nur ein paar Clicks die zustehenden Leistungen beantragen zu können – medienbruchfrei und effizient. In Zukunft wird so nicht nur die Antragstellung selbst stark vereinfacht, sondern auch der Verwaltungsprozess hinter den komplexen Anträgen reduziert.

Bei der Nutzung von ELFE sollen im Grunde nur noch drei Auskünfte der Eltern erforderlich sein:

  • Eltern müssen mitteilen, wer von Ihnen wie lang zuhause bleiben möchte und ob Wünsche auf Teilzeitarbeit während der ­Elternzeit vorliegen.

  • Es muss eine Einwilligungserklärung der Eltern zum automatisierten Datenabruf geben, denn nur mit dieser können die beteiligten Behörden die benötigten Daten von anderen öffentlichen Stellen abrufen, bei denen sie bereits vorhanden sind.

  • Je nach Fall benötigt ELFE noch wenige weitere Angaben, um die nötigen Datenabrufe rechtskonform adressieren zu können.

Mit Einwilligung der Eltern sollen im Rahmen von ELFE in Zukunft Daten verschiedener Register miteinander automatisiert verknüpft werden. Über eine Middleware werden die verschiedenen Fachverfahren miteinander verbunden und können Nachrichten standardisiert austauschen. Dies erspart den ­Eltern und auch der Verwaltung einen hohen zeitlichen ­Arbeitsaufwand und redundante Arbeitsabläufe.

ELFE bleibt freiwillig und wird als zusätzliche Möglichkeit der Antragstellung eingeführt. Wer Leistungen weiterhin per Papier beantragen möchte, soll dies auch weiterhin tun können.

Umsetzung erfordert interdisziplinären Ansatz
Bei der Erarbeitung passender, effizienter und transparenter Lösungen rückt das Projekt ELFE die Sicht der Eltern in seinen Mittelpunkt. Im Rahmen von Stichprobeninterviews wurde zunächst deutlich, dass viele Eltern die auszufüllenden Anträge nur schwer verständlich finden. Lösungsansätze werden stetig iterativ getestet und mit allen am Prozess beteiligten Fachexperten länderübergreifend gespiegelt und besprochen. Die Lösung wird somit sukzessive auf Qualität und Machbarkeit geprüft und verbessert. Ein interdisziplinärer Ansatz ist dafür unabdinglich, denn ELFE muss drei wesentliche Aufgaben bewältigen:

  • Es muss einen einfachen, nachvollziehbaren und übertragbaren Prozess vorschlagen, über den die medienbruchfreie Antragstellung gelingen kann.

  • Es müssen rechtliche Voraussetzungen für einen solchen Lösungsweg parallel erarbeitet und initiiert werden.

  • Es muss auf der technischen Seite eine stabile Lösung erarbeitet werden, die die Steuerung des Prozesses standardisiert übernimmt.

Die behördlichen Aufgaben nach einer Geburt sind bereits heute schon teilweise automatisiert: Nach der Anzeige einer Geburt beim Standesamt erfolgt eine automatisierte Meldung an die Meldebehörde des Wohnortes des Kindes. Diese meldet dann die Geburt dem Bundeszentralamt für Steuern, welche wiederum eine Steuer-Identifikationsnummer vergibt und per Brief an die Adresse der Eltern übermittelt. An diese Form der Datenübermittlung schließt ELFE an. Die technische Machbarkeit ist bereits im Grundsatz gewährleistet.

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