Der Weg zur digital vernetzten Verwaltung

AWV-Interview mit Dr. Christian Schulz, Leiter Referatsgruppe Personal und Justiziariat des Bundesverwaltungsamtes, Köln

Herr Dr. Schulz, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zum Vorsitzenden des AWV-Fachausschusses 1 „Verwaltungsmanagement und -modernisierung“. Was hat Sie dazu bewogen, sich ehrenamtlich für die AWV zu engagieren?

Dr. Christian Schulz: Vielen Dank! – Der AWV und dem Thema der Verwaltungsmodernisierung bin ich schon seit etlichen Jahren verbunden. 2004 bis 2007 war ich im Bundesverwaltungsamt als Referatsleiter u. a. für Grundsatzangelegenheiten der Verwaltungsmodernisierung zuständig. Im Anschluss daran durfte ich den Ausbau von zentralen Querschnittsdienstleistungen für andere Bundesbehörden mit vorantreiben. In dieser Zeit habe ich etliche Beiträge zu diesen Themen u. a. in den AWV-Informationen veröffentlicht. Auch habe ich viele Veröffentlichungen der AWV zu Modernisierungsthemen gelesen und davon in der täglichen Arbeit profitiert . Aktuell leite ich den AWV-Arbeitskreis „Innovative Finanzkontrolle“. Insofern musste ich auch nicht lange überlegen, als ich aus dem AWV-Vorstand heraus gefragt wurde, ob Interesse an einer Mitarbeit auf Fachausschussebene besteht.

Was bedeutet für Sie Verwaltungsmodernisierung? Welche Aspekte sind Ihnen dabei besonders wichtig?

Dr. Christian Schulz: Die Verwaltung hat den gestaltenden Auftrag, aus den ihr übertragenen Ressourcen (Personal- und Haushaltsmittel) bestmögliche Ergebnisse zu generieren. Hierbei können die steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und auch die Politik von der öffentlichen Verwaltung zu Recht erwarten, dass dies so kundenfreundlich und effizient wie irgend möglich geschieht. In Unternehmen besteht diese Verpflichtung schon aus dem Eigeninteresse an möglichst wirtschaftlichen Prozessen heraus, um im Wettbewerb am Markt weiter bestehen zu können. Das bedeutet für mich, dass das Streben nach optimierten, kundenfreundlichen und effizienten Produkten und Prozessen eine nie endende und unerlässliche Aufgabe in jeder Organisationsform darstellen muss. Durch den sich bereits jetzt abzeichnenden und sich in den nächsten Jahren verstärkenden Fachkräftemangel stellt die Digitalisierung eine enorme Chance dar, um die bisherigen Leistungsstandards zu halten und in Zukunft weiter auszubauen. Wichtig ist mir in dem Zusammenhang, dass mit dem Begriff der Digitalisierung keinesfalls die rein deskriptive Abbildung bestehender analoger Prozesse gemeint sein kann. Es geht vielmehr um die grundlegende Fragestellung, wie Verwaltung und die damit zusammenhängende Leistungserbringung neu gedacht und aufgestellt werden kann. Hierfür stellen neue und bisher kaum eingesetzte digitale ebenenübergreifende Prozesse und Lösungen – man denke etwa an künstliche Intelligenz, selbstlernende Systeme und sogenannte Dunkelverarbeitung  – eine einzigartige Chance dar.

Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung sind im Zusammenhang mit der Modernisierung von Staat und Verwaltung schon viele Jahre Schwerpunkte der AWV. Welche Berührungspunkte gibt es in Ihrem Arbeitsalltag mit diesen Themen?

Dr. Christian Schulz: Die öffentliche Verwaltung verfügt über einen großen Erfahrungsschatz im Vollzug von Gesetzen. Ich habe in den letzten Jahren erlebt, dass in Einzelfällen vom Gesetzgeber gut gemeinte Vorgaben in der Praxis zu unvorhergesehen hohen bürokratischen Vollzugsaufwänden geführt haben, weil die zugrunde liegende Vorschrift ungewollt ungünstig verfasst war. Daher plädiere ich dafür, dass bei der Genese neuer Vorschriften frühzeitig auf die Expertise der vollziehenden Verwaltungsbereiche zurückgegriffen wird. Zum Glück ist dies mittlerweile häufig der Fall. So konnten insbesondere bei der ­IT-seitigen Abbildung neuer Prozesse oder bei personalintensiven Arbeitsschritten frühzeitig Anregungen an den Gesetz- oder Verordnungsgeber gegeben werden, um noch im Stadium der Normsetzung den bestmöglichen, weniger aufwändigen Prozess zu beschreiben. Nachträgliche Korrekturen sind in der Regel kaum mehr möglich oder sehr teuer. Daher sollte bei neuen Vorschriften oder bei der Änderung bestehender Normen im Regelfall auch eine Gesetzgebungsunterstützung bei der ausführenden Behörde vorgesehen und eingefordert werden. Damit kann auch so manche Norm, die in der Praxis unvorhergesehen leerläuft oder zu unnötigen Vollzugsaufwänden führt, früh identifiziert und ggf. vermieden werden. Dies kann z. B. die gute und sehr sinnvolle Arbeit des Normenkontrollrates ergänzen.

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