Daten. Wissen. Prognosen: AWV-Interview mit Dieter Sarreither, Präsident des Statistischen Bundesamtes und Bundeswahlleiter, Wiesbaden

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Herr Sarreither, wir danken Ihnen für die Bereitschaft zu diesem Interview. Sie sind Präsident des Statistischen Bundesamtes. Seit wann sind Sie beim Statistischen Bundesamt beschäftigt und welche grundlegenden Veränderungen gab es in dieser Zeit?

Seit 1982 arbeite ich im Statistischen Bundesamt. Unsere Arbeit wurde durch den digitalen Wandel der vergangenen 35 Jahre enorm beeinflusst. Ich habe noch Großrechner und handgezeichnete Grafiken erlebt. Heute machen wir über unsere Internetseite interaktive Datenvisualisierungen wie die animierte Alterspyramide der Bevölkerungsvorausberechnung allen frei zugänglich. Unsere Datennutzer können die Darstellungsform selbst bestimmen – mit wenigen Klicks auf ihrem Smartphone.

Stark geändert haben sich auch die Formen der Datengewinnung. Mittlerweile erreichen uns die meisten Daten online und nicht mehr über Papierfragebogen. Auch die Nutzung von Verwaltungsdaten führt immer mehr zu einer spürbaren Entlastung der Befragten.

Und nicht zuletzt möchte ich die Harmonisierungsprozesse innerhalb Europas nennen. Für den europäischen Binnenmarkt ist es eine Grundvoraussetzung, dass alle Länder in Europa nach einheitlichen Verfahren und Definitionen Statistiken erstellen. Das hat unsere Arbeit seit den 1990er Jahren sehr stark geprägt.

Wo wächst die Wirtschaft in Deutschland am stärksten, wie hoch ist der durchschnittliche Wasserverbrauch pro Familie, wie viele Bürgerinnen und Bürger singen in einem Chor? – Das Statistische Bundesamt veröffentlicht regelmäßig Daten über das Land und seine Einwohnerinnen und Einwohner in einem Datenreport, der als eines der Standardwerke der deutschen Sozialberichterstattung angesehen wird. Welche Zahl hat Sie rückblickend am meisten überrascht und warum?

Zunächst einmal: Der Datenreport ist eine wichtige, aber bei weitem nicht die wichtigste Publikation des Statistischen Bundesamtes – allein dadurch, dass er nicht jährlich erscheint. Wir veröffentlichen durchschnittlich fast 500 Pressemitteilungen pro Jahr mit aktuellen Zahlen zu den unterschiedlichsten Themen von der Abfallwirtschaft bis zur Zeitverwendung der Bevölkerung. Wer spezifische Statistiken sucht, wird online über unsere Webseite oder unsere Datenbanken am schnellsten fündig. Gedruckte Veröffentlichungen können einfach nicht so aktuell sein.

Aber zurück zum Datenreport 2016: Der Schwerpunkt unserer dazugehörigen Pressekonferenz war Migration und Integration – ein brandaktuelles Thema, das die Öffentlichkeit stark beschäftigt und das kontrovers diskutiert wird. Da können wir mit unseren Zahlen zu einer Versachlichung beitragen. 2014, also schon vor dem Höhepunkt der Flüchtlingsmigration im Sommer 2015, hatte jeder fünfte Einwohner in Deutschland einen Migrationshintergrund; jedes dritte neugeborene Kind hatte zumindest einen Elternteil mit ausländischen Wurzeln. Auch wenn die Zugewanderten eine sehr heterogene Gruppe bilden, wird eines anhand unserer Zahlen immer wieder deutlich: Entscheidend für eine gelungene Integration ist weniger die Herkunft, sondern ein hoher schulischer und beruflicher Bildungsstand.

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