AWV-Interview mit Dr. Walter Wallmann, Präsident des Hessischen Rechnungshofs, Darmstadt

Aufgrund des Corona-Virus' mussten sich die Strukturen in öffentlichen Verwaltungen aktuell rapide verändern. Was das für den Hessischen Rechnungshof bedeutet, haben wir mit Dr. Walter Wallmann, Präsident des Hessischen Rechnungshofs, besprochen. Der Hessische Rechnungshof hat nicht nur die Hessische Staatskanzlei beim Betrieb der Corona-Hotline unterstützt. Er hat die Infrastruktur für mobiles Arbeiten weiter ausgebaut und möchte den Digitalisierungsschub für seine künftige Prüftätigkeit nutzen.

„Wer sich nicht selbst verändert, wird verändert“ – unter diesem Leitspruch stand der Abschlussworkshop des AWV-Arbeitskreises 1.1 „Innovative Finanzkontrolle“ im Februar 2020. Die aktuelle Covid-19 Situa­tion sorgte dafür, dass ausstehende Entscheidungen zügig gefällt und so bereits länger angedachte Veränderungen recht schnell und weitreichend umgesetzt werden konnten. Welche Potenziale dieser Krisenlage nehmen Sie für künftige Arbeitsprozesse des Hessischen Rechnungshofes mit?
Es ist natürlich gerade eine spannende Zeit mit besonderen Herausforderungen. Zu Beginn der Corona-Krise schlug nicht die Stunde der Finanzkontrolle, sondern die Stunde der Exekutive. Deshalb haben wir unsere Prüfungen unterbrochen bzw. keine neuen Prüfungen mehr angefangen. Stattdessen haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Hessische Staatskanzlei unterstützt, indem sie Bürgeranfragen in der Corona-Hotline  beantwortet haben. Auch bei der in diesem Zusammenhang neu gegründeten Task Force Beschaffung haben wir mitgeholfen, Schutzausrüstung auszuschreiben und zu beschaffen. Gleichzeitig analysieren wir die Vorgänge kritisch, um für nächste Krisen zu lernen. Es geht auch darum, praktikable Lösungen aus Krisensituationen zu identifizieren und diese gegebenenfalls außerhalb von Krisenzeiten zu implementieren. Die Beratung steht momentan mehr im Fokus als das eigentliche Prüfgeschäft.

Intern haben wir die Heimarbeit extrem ausgebaut. Auch wenn es zu Anfang kritische Stimmen gab, hat sich im Verlauf doch gezeigt, dass das Vertrauen in unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerechtfertigt war. Durch den HessenPC hat jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter die Möglichkeit, von überall auf seine E-Mails und Dateien zuzugreifen. Nur dadurch konnten wir so schnell auf die Krise reagieren. Mit wenigen Einschränkungen konnten alle wesentlichen Aufgaben auch über Heimarbeit erledigt werden. Dies wurde vor allem durch Video- und Telefonkonferenzen möglich. Auch wenn der direkte Kontakt immer noch angenehmer ist, zeigt dies eine hohe Entwicklungschance für uns: Gerade während – aber auch nach – der Krise wird deshalb auch über neue Raumbedarfe und -lösungen nachgedacht werden.

Der Anpassungsdruck durch die Pandemie ging und geht in der Arbeitswelt mit einem Digitalisierungsschub einher. Was bedeutet dies für Ihre künftigen Prüfprozesse? Wo sehen Sie die erfolgversprechendsten Digitalisierungsansätze?
Vor allem das mobile Arbeiten hat sich bewährt und wird gestärkt. Und auch unser Ansatz, dass wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aktiv fördern, hat in der Krise die damit einhergehenden Vorteile – sowohl für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch für die Gesamtorganisation – besonders deutlich hervortreten lassen.

Die Digitalisierung wird sich ebenso auf die Prüfungstätigkeit auswirken. Durch die „neue“ Technik können beispielsweise bereits vor der eigentlichen Prüfung große Datenmengen automatisiert ausgewertet werden. Dies ermöglicht ein zielgerichteteres Prüfen und erleichtert die Prüfungsvorbereitung. Gleichzeitig werden Prüfer und Geprüfte durch geringeren Aufwand entlastet. Und es hilft, die Qualität der Prüfungsergebnisse zu sichern. Auch die Transparenz über das beabsichtigte Prüfungsthema wird verbessert.

Aus Video- und Telefonkonferenzen sowie der Zusammenarbeit über digitale Datenräume ergeben sich neue Entwicklungspotenziale für künftige Prozesse im Hessischen Rechnungshof. Dadurch ist ein schneller und kostengünstiger Austausch innerhalb der Prüfungsteams, aber auch mit den geprüften Organisationen möglich. So könnte in Zukunft vielleicht die ein oder andere Dienstreise entfallen, was sowohl ökonomisch als auch ökologisch vorteilhaft wäre.

Trotzdem gilt es auch weiterhin, externe Entwicklungen zu beachten und auf externe Veränderungen zu reagieren und sich anzupassen. Auch der Hessische Rechnungshof muss sich sukzessive weiterentwickeln. Denn wie schon mein Vorgänger, Prof. Dr. Manfred Eibelshäuser, sagte: „Wer sich nicht selbst verändert, wird von außen verändert!“.

Im Arbeitskreis wurde „Personal“ als ein wesentlicher interner Erfolgsfaktor identifiziert. Wie wertschätzt der Hessische Rechnungshof seine Beschäftigten?
Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für mich der wesentliche interne Erfolgsfaktor. Ohne sie geht es nicht. Deshalb versuchen wir als Arbeitgeber schon seit mehr als zehn Jahren, die Bedürfnisse unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unsere Arbeitsorganisation stärker miteinzubeziehen.

Hierzu haben wir im letzten Jahr eine Zielvereinbarung mit dem Land Hessen abgeschlossen und das Gütesiegel „Familienfreundlicher Arbeitgeber in Hessen“ erhalten. Im Kern dieser zunächst auf zwei Jahre abgeschlossenen Vereinbarung geht es darum, wie wir als Dienststelle des Landes Hessen attraktive Arbeitsbedingungen bieten und Lösungen für eine familienfreundliche Personalpolitik entwickeln können. Übergeordnetes Ziel ist es, wertschätzend miteinander umzugehen, die Belange unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu berücksichtigen und diese dadurch langfristig an uns zu binden. Wir haben für die Themenbereiche „Führung/Kultur“, „Arbeitszeit und Arbeitsort“, „Information“ und „Angebote für Beschäftigte“ Ziele definiert (s. Infokasten „Hessischer Rechnungshof trägt Gütesiegel „Familienfreundlicher Arbeitgeber Land Hessen“).

Wir wollen all diese Ziele bis zum Frühjahr 2021 erfüllen. Die aktuelle Corona-Pandemie verdeutlicht, die besondere Bedeutung von sehr guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf die sich der Arbeitgeber verlassen kann. Umgekehrt motivieren das Vertrauen des Arbeitgebers sowie die Möglichkeit, Arbeit, Krise, Homeschooling, Pflege etc. miteinander vereinbaren zu können, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sehr guten Leistungen. Dies ist also eine Win-win-Situation.

Sowohl die Beschäftigten als auch die Organisation haben hiervon in der Krise profitiert. Die Krise zeigt jedoch auch, dass noch Handlungsbedarf besteht und dass auch nach Erreichen der aktuellen Zielsetzungen neue Herausforderungen auf uns warten.

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